MÜNCHEN, Bayerische Staatsoper, DIE WALKÜRE am 28. Februar 2015
Sänger stehlen Petrenko die Show
Walkürenritt. Foto: Wilfried Hösl/Bayerische Staatsoper
In Bayreuth schüttelte Kirill Petrenko einen “Ring” aus dem Ärmel, der in musikalischer Hinsicht wegweisend war. Umso enttäuschender das Ergebnis, das er mit dem Bayerischen Staatsorchester bei dieser Walküre in der Kriegenburg-Regie an seinem Stammhaus in München ablieferte. Der erst Akt wurde im Graben auf kammermusikalischer Lautstärke musiziert, ab Mitte des zweiten Aktens wurde es besser und im “Feuerzauber” spürte man auch den Zauber der gewaltigen Wagnerschen Instrumentierung. Auch vom Tempo her schien an diesem Abend alles etwas schaumgebremst, öfters mussten die Solisten die Handbremse anziehen. Nein, das Gelbe vom Ei war diese Orchesterleistung diesmal nicht, in dieses Bild passten auch die inhomogenen Bläsersektoren, die völlig uneinheitlich klangen und sogar Intonationsprobleme hatten.
Dafür zeigten sich die Sängerinnen und Sänger von ihrer besten Seite. Und hier konnte man schon ein wenig stolz sein, dass Elisabeth Kulmans Fricka hier ganz zuvorderst genannt werden muss. Mit unnachahmlichen Timbre und bombensicherer Höhe zeichnete sie die Göttergattin perfekt, ihr pointengenaues Spiel tat das übrige, ein Fingerschnippen von ihr und die Männerwelt steht Habtacht. Ihr Gemahl musste da ganz schön dagegen halten, kein Wunder, dass Thomas J. Mayer in dieser Szene zu Hochprozentigem greifen muss. Mayer spielte den Hüter der Gesetze bis zum Schluss mit Härte und Unnachgiebigkeit, voll auf seine Macht vertrauend, umso berührender gestaltete er dann seinen Abschied von Brünnhilde.
Vom Publikum am meisten umjubelt wurde das Wälsungenpaar. Klaus Florian Vogt war für den erkrankten Stuart Skelton eingesprungen. Seine hell timbrierte Stimme hätte genügend Power gehabt in den Wagnerschen Klängen durchzusetzen, da wären die Rücksichtnahmen Petrenkos auf die Sänger im ersten Akt gar nicht notwendig gewesen. Natürlich hat man die Schlüsselszenen (Wälserufe, Nothung) schon imponierender und dröhnender gehört, aber allein mit seiner tollen Diktion und einer überzeugenden Gestaltung verdient Vogt die beste Zensur. Aber auch Anja Kampe beeindruckte mich positiv (wie schon in Bayreuth) und überraschte hier mit einem wunderbaren Sieglinde-Psychogramm, die erlittenen Traumata in Kindheit und Eheh machen ihr ja immer wieder zu schaffen. Das wird einem auch ziemlich klar, wenn man sich ihren Ehemann Hunding ansieht, der von Günther Groissböck als richtiger Widerling dargestellt wird. Ihm fehlt noch die ganz tiefe Schwärze in der Stimme für diese Rollen, dennoch ein sehr gelungener Auftritt des Österreichers.
Bei Evelyn Herlitzius war man sich im zweiten Akt nicht ganz sicher, ob man ihr mit der Brünnhilde etwas Gutes getan hatte. Ein gewaltiges Tremolo und ganz eigenartige Phrasierungen waren da zu hören. Gewiss, sie spielte das junge Mädel, das ihren Wotan vergöttert, von der Fußspitze bis zur Haarwurzel, aber sängerisch? Aber dann Akt 3 – als ob sie einen Schalter umgelegt hätte! Plötzlich phrasierte sie total auf Linie, die Schlussszene rührte zu Tränen. Erstaunliche Qualität bei den übrigen Walküren Susan Foster, Karen Foster, Anna Gabler, Heike Grötzinger, Roswitha Christina Müller, Alexandra Petersamer, Okka von der Damerau und Nadine Weissmann!
Und was sagt man über die schon viel gescholtene Inszenierung von Andreas Kriegenburg? Einige gute Ideen und Ansätze, etwa die Kampfszene zu Beginn, als Siegmund sich gegen eine Übermacht bewähren muss. Aber was das mit Taschenlampen ausgestattete Personal in Hundings Haus (mit Designer-Küche und Grohe-Armaturen) verloren hat, bleibt genau so unklar wie die Leichenwäscher im Hintergrund. Körpertheater in Reinkultur dann bei der Szene Wotan-Fricka, die Dienerschaft muss als Sitzmöbel herhalten, naja. Dann wieder ein (fast) logischer Selbstmord Hundings, beim zweiten “Geh” von Wotan, eine durchaus interessante Interpretation.
Aber als vor dem Walkürenritt ein Damenballett in Michael Flatley-Manier ohne Musik einen Irish Dance absolviert, ist es um das soignierte Münchner Publikum geschehen. Laute Zwischenrufe, Buhs, “Aufhören”, dann die Gegenfraktion mit heftigem Applaus, man wähnt sich wie im Kindergarten und hofft nur, dass die Musik bald einsetzt, entsprechend verpufft da der “Ritt”. Am überzeugendsten wird die Inszenierung dann im Finale, als die Bühne leerer und leerer wird und die Regie nur noch auf die Personenführung eingeht – die ist nämlich über die gesamten fünf Stunden (ja die Müncher Pausen sind halt länger als woanders) ausgezeichnet. Jubel, der nach 10 Minuten vorbei ist.
Ernst Kopica