Zwei Opernraritäten in Rosenheim: „Die Nürnberger Puppe“ von Adolphe Adam und „Die Nachtglocke“ von Gaetano Donizetti (Premiere: 1. 3. 2015)
Der Verein „erlesene oper“, im Jahr 2011 mit dem Ziel gegründet, unbekannte oder vergessene Opern wieder zum Leben zu erwecken, brachte heuer die beiden Einakter „Die Nürnberger Puppe“ von Adolphe Adam und „Die Nachtglocke“ von Gaetano Donizetti in Rosenheim zur Aufführung. Spielstätte war das „KU’KO“ (Kultur- und Kongress-Zentrum Rosenheim), das sich durch eine große Bühne und einen Orchestergraben bestens eignete und auch sehr gut besucht war. Beide Einakter wurden in deutscher Sprache gesungen (Übersetzung der Adam-Oper: Ernst Pasqué und Ludwig Andersen, der Donizetti-Oper: Georg Hermansdorfer).
Beide Opern wurden von Georg Hermansdorfer, dem Gründer und der „Seele“ des Vereins „erlesene Oper“, sehr humorvoll inszeniert, wobei seine eloquente Personenführung herausstach. Die treffliche Bühnenmalerei der Kulissen stammte jeweils von Otto von Kotzebue. Für die schmucken Kostüme sorgte Irmtraud Pichler, für die Beleuchtung Marcus von Hartmann.
Die Opéra comique La poupée de Nuremberg wurde 1852 an der Opéra Comique in Paris mit so großem Erfolg uraufgeführt, dass man damals von einem grandiosen künstlerischen Comeback des Komponisten schrieb, der Jahre zuvor mit der Oper Le postillon de Lonjumeau und den Balletten Giselle und Le Corsair berühmt wurde, ehe er sich mit der Direktion der Opéra Comique überwarf.
Die Handlung der Oper, deren Libretto von Adolphe de Leuven und Arthur de Beauplan verfasst wurde, in Kurzfassung: Der Spielzeugmacher Cornelius hat – wie Spalanzani in Offenbachs Hoffmanns Erzählungen – eine mechanische Puppe konstruiert. Er ist überzeugt, seiner Puppe mit Hilfe des Zauberbuchs von Doktor Faustus in einer mitternächtlichen Geisterbeschwörung Leben einhauchen zu können, um sie dann seinem etwas einfältigen Sohn Benjamin zur Frau zu geben. Diesen Aberglauben macht sich sein Neffe Heinrich zunutze, der von Cornelius um sein Erbe betrogen wurde. Er vertauscht die Puppe mit seiner Braut Berta und entfacht – als Mephisto verkleidet – einen Höllenzauber, der Cornelius schließlich zur Vernunft und zur Anerkennung seiner Schuld bringt.
Beide Werke wurden von Georg Hermansdorfer, dem Gründers und der „Seele“ des Vereins „erlesene Oper“, sehr humorvoll inszeniert, wobei seine eloquente Personenführung herausstach. Die treffliche Bühnenmalerei der Kulissen stammte von Otto von Kotzebue. Für die schmucken Kostüme sorgte Irmtraud Pichler, für die Beleuchtung Marcus von Hartmann.
Star des ersten Einakters war die Sopranistin Sieglinde Zehetbauer als Berta. Mit ihrem puppenhaften Aussehen und ihrem koketten Auftritt als Puppe war sie eine Idealbesetzung. Dazu kam, dass sie auch stimmlich voll überzeugte. Ihren listigen Freund Heinrich gab der Bariton Markus Kotschenreuther. Den Nürnberger Spielwarenhersteller Cornelius spielte der Bariton Andreas Agler, seinen einfältigen Sohn Benjamin der Bariton Helmut Wiesböck, die beide ihre Rollen humorvoll zu gestalten wussten.
Probe mit Chor zur â”Nachtglocke” von Donizetti (Foto: Verein “erlesene oper e.v.”)
Nach der Pause stand der zweite Einakter „Die Nachtglocke“ von Gaetano Donizetti auf dem Programm. Die „Farsa per musica“ Il Campanello di notte, deren Libretto der Komponist selbst nach dem Vaudeville La sonnette de nuit von Léon-Lévy Brunswick, Matheu-Barthélémy Troin und Victor Lhérie verfasste, wurde 1836 in Neapel uraufgeführt.
Die Handlung in Kurzfassung: Don Annibale, ein älterer Apotheker, heiratet die junge Serafina und wird in der Hochzeitsnacht von deren früherem Geliebten Enrico gestört, der ständig mit neuen Leiden und Verkleidungen auftaucht und die Nachtglocke läutet. Da der Apotheker am frühen Morgen nach Neapel reisen muss, wo er der Testamentseröffnung seiner verstorbenen Tante beizuwohnen hat, wird er um seine Hochzeitsnacht geprellt.
In dieser herrlichen musikalischen Komödie brillierte vor allem Markus Kotschenreuther als Enrico, Ex-Geliebter und Cousin der Braut. Seine schauspielerische Leistung in den verschiedenen Verkleidungen begeisterte das Publikum. Nie in Klamauk verfallend, war er als notleidender französischer Patient, der sich den Magen verdorben hat, ebenso überzeugend wie als heiserer Sänger oder als alter Mann, der für seine plötzlich erkrankte Frau dringend eine Medizin benötigt. Wie er dabei den Apotheker zur Verzweiflung treibt, war köstlich humorvoll gespielt. Ihm ebenbürtig in diesen Szenen war Andreas Agler als um seine Hochzeitsnacht geprellter Apotheker. Auch er spielte seine Rolle hervorragend, wobei besonders sein köstliches Mienenspiel beeindruckte.
Sieglinde Zehetbauer als Serafina, die gleichfalls um ihre Hochzeitsnacht gebracht wird, konnte auch in dieser kleineren Rolle als junge Braut überzeugen. Ihren Blicken war abzulesen, dass sie sich wohl mit ihrem Cousin und früheren Geliebten Enrico trösten würde.
In kleineren Rollen waren noch die Sopranistin Beatrix Schalk als Brautmutter und Helmut Wiesböck als Diener des Apothekers im Einsatz.
Eindrucksvoll agierte der etwa 20köpfige Chor des Vereins (Einstudierung: Hubert Dobl, Organisation: Eva Epple), der die Hochzeitsgäste darzustellen hatte und dabei nicht nur stimmkräftig agierte, sondern auch tänzerisch zu gefallen wusste.
Das mehr als 35köpfige Orchester des Vereins „erlesene Oper“ brachte die reizvollen Partituren von Adam und Donizetti unter der professionellen Leitung von Georg Hermansdorfer, facettenreich zur Geltung.
Das begeisterte Premierenpublikum dankte allen Mitwirkenden mit minutenlangem Applaus und einigen Bravorufen. Ein besonderes Lob gilt dem Tausendsassa Georg Hermansdorfer, der als Dirigent, Regisseur, Übersetzer und Vorstandsvorsitzender des Vereins „erlesene oper“ wohl die Hauptlast des Unternehmens trägt.
Udo Pacolt
PS: Die beiden Operneinakter kommen noch am nächsten Sonntag (8. März, 16 Uhr) in Rosenheim zur Aufführung.
PPS: Für das nächste Jahr ist eine Aufführung der Oper „Gli equivoci“ von Stephen Storace (1762 – 1796) geplant, die 1786 in Wien uraufgeführt wurde.