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FRANKFURT: DIE PASSAGIERIN von M. Weinberg. Premiere

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Frankfurt: Die Passagierin  Premiere  1.3.2015

 Die Oper  Die Passagierin ist neben ‘Der Idiot’ die zweite Oper von Mieczyslaw Weinberg, die ins Bewußtsein der Öffentlichkeit gedrungen ist. Auch sie wurde erst postum bei den Bregenzer Festspielen uraufgeführt. Es hat sich gezeigt, daß Weinberg, der mit Schostakowitsch befreundet war, neben diesem auch ein ganz großer Komponist war, obwohl er eigentlich Pole ist und 1939 vor den Nazis in die Sowjetunion floh. Den Stoff zur Passagierin erhielt Weinberg aus dem Roman von Zofia Posmycz, die als Hochbetagte nach der Vorstellung vor den Vorhang trat, während Weinberg 1996 verstorben ist. Ausgangspunkt der Oper ist eine Begebenheit, die sich 1960 zutrug. Lisa, eine frühere KZ-Aufseherin in Auschwitz, reist mit ihrem Ehemann Walter, wohl einem BRD-Botschafter auf einem Schiff nach Brasilien und meint dort die polnische Lagerinsassin Marta wiederzuerkennen. Was sich zwischen Beiden abgespielt hat, wird in Rückblenden, der eigentlichen Handlung, gespielt. Zuletzt verbleibt der Ausgang aber unklar, ob Lisa Marta, die auch politisch aktiv war, letztendlich geholfen oder geschadet hat. Gezeigt wir in beklemmend-berührenden Episoden das Lagerleben von Frauen in Ausschwitz.

 Es ist natürlich äußerst brisant und gefahrenreich, einen solchen Operstoff szenisch umzusetzen. Das Team Anselm Weber/Regie, Katja Haß/Bühnenbild und Bettina Walter/Kostüme brachte große Sensibilität auf und erreichte eine eine sehr eindrückliche stellenweise faszinierende Umsetzung. Dabei schlug besonders auch  die großartige, ganz in der großen russischen Tradition und besonders Schostakowitsch’ stehende Musik zu Buche, die einerseits das Grauen immer wieder in auch in schrillen Tonkaskaden einfing, daneben öfter auch abrupt in den Jazz wechselte. Einen Höhepunkt stellte auch die für Streicher instrumentierte Chaconne von Bach dar, die Martas Verlobter Tadeusz vor den SS-Bonzen anstatt des Lieblingswalzers des Lagerkommandanten spielt. Die ganze intrikat schwierige Partitur wurde vom Museumsorchester auf hohem Niveau wiedergegeben und von dem für den erkrankten Leo Hussain einspringenden Christoph Gedschold, der in Karlsruhe bereits die deutsche EA dirigiert hatte, wunderbar umgesetzt.

 Wie wurde diese Thematik aber nun szenisch umgesetzt? Der gewiefte Anselm Weber ließ sich von Katja Haß ein Schiff bauen, an dessen weißer Außenwand Richtung Oberdeck  die Handlung zwischen Lisa und Walter, und noch einem Steward, der der die Identität von Marta herausfinden soll, abspielt. Wenn sich das Schiff aber dreht, wird der Innenraum zur dunklen Lagerbaracke sichtbar. Das kann sehr gut eine klaustrophobe Situation vermitteln, und auch der “Schiffsbug” ist durch eine Lamellenwand verschließbar. Einmal gehen die Handlungsschauplätze sogar ohne Drehbühne ineinander über, wenn auf einem Tanzabend im Schiff plötzlich die Musik abbricht, die schöngewandeten Menschen ihre Kleider und ihre Frisuren auf einem Haufen ablegen, und die Frauen ihre gestreifte Häftlingskleidung überziehen. Damit werden auch die Zeitschranken signifikant aufgelöst.

 Friederike Schreiber, Margit Neubauer und Thomas Faulkner und Michael McCown ergänzen das Ensemble als Kapo, Oberaufseherin, Passagier und Steward. Der Chor sind meist die KZ-Insassinnen, kommt aber auch oft aus dem Off, singt wie auch die Solisten, die im Lager vertretenen Sprachen, deren entstehendes Schriftbild auch an den Wänden aufscheint (Video Bibi Abel). die Chöre singen entsprechend klangstark und überzeugend.  Mit diskreten Gesten, aber extrem gut ausgesungenen Stimmen treten die SS-Männer Dietrich Volle, Magnus Baldvinsson und Hans-Jürgen Lazar auf. In verschiedenen Stimmgattungen, aber allesamt mit interessanten und angenehm timbrierten Stimmen sind Barbara Zechmeister (Die Alte) Joanna Krasuska-Motulewicz/Bronka, Nora Friedrichs/Yvette, Judita Nagyova/Hannah, Jenny Carlstedt/Vlasta, Maria Pantiukhova/Krystina und Anna Ryberg /Katja involviert. Brian Mulligan bringt einen ausnehmend guten voluminös timbrierten Bariton als Tadeusz ein. Peter Marsh setzt seinen sofort erkennbaren gut eigentimbrierten Tenor als Walter ein. Seine Lisa singt Tanja Ariane Baumgartner mit ihrem hellen liebreichen, als Oberaufseherin aber auch hartgetönten Sopran. Ihre Gegenspielerin ist Sara Jakubiak , die die Rolle der Marta als 20jährige auch voll durchdringt und lebt, ihre Furcht ausspielt und dazu einen angenehm durchgeformten Sopran bis ins hohe Register pathetisch einbringt.                                                                                                                        

Friedeon Rosén

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