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WIEN / Nationalbibliothek: WIEN 1365

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NB Uni Plakat

WIEN / Nationalbibliothek / Prunksaal: 
WIEN 1365
Eine Universität entsteht
Vom 6. März 2015 bis zum 3. Mai 2015 

Der Ehrgeiz des Herzogs

Wiens Universität trägt den Namen „Alma Mater Rudolphina“, und Österreich hat einen Habsburger-Herzog, dessen Namen Rudolf man nicht den „Großen“, „Prächtigen“, „Streibaren“ oder degleichen beigefügt hat, sondern den man „der Stifter“ nennt. Und das hat er verdient – sowohl die Gründung der ersten Universität im deutschen Sprachraum wie der Ausbau des Stephansdomes von einer romanischen Kirche zu einem gotischen Großbau gehen auf sein Konto. Die Universität wurde vor 650 Jahren, also 1365, ins Leben gerufen, und man hat sich mit der Nationalbibliothek zu einer imposanten Ausstellung zu diesem Thema zusammen gefunden.

Von Renate Wagner

Ein ehrgeiziger „Erz“-Herzog    Herzog Rudolf IV. (1339-1365) war ein Urenkel von König Rudolf I., der den Böhmenkönig Ottokar auf dem Marchfeld besiegt hatte (nachzulesen bei Grillparzer) und der den Ehrgeiz der Familie begründete. Auf das Kaisertum mussten die Habsburger allerdings noch drei Generationen warten (das kam erst mit Friedrich III.), aber als Gatte der luxemburgischen Prinzessin Katharina hatte Rudolf einen Kaiser, nämlich Karl IV., zum Schwiegervater. Schon mit der – wie später ganz klar wurde – Fälschung des „Privilegium Maius“ wollte Rudolf seinen Rang zum unabhängigen Erzherzog erhöhen, und die Konkurrenz des prächtigen Schwiegervaters in Prag hat ihn zu großen Taten in Wien gereizt. Die Karls-Universität in Prag, gegründet 1348 als erste jenseits der Alpen, und Karls Ausbau des Veitsdomes fanden Wiener Parallelen: Die Universität Wien wurde per Datum des 12.März 1365 begründet, und nur vier Tage später ließ Rudolf das Allerheiligenkapitel (eine von seinem Vater ins Leben gerufene Kapelle) nach St. Stephan verlegen und stattet es mit zahlreichen Privilegien aus. Nach Rudolfs frühem Tod (er wurde nur 26 Jahre alt und nach seinem Wunsch in der Herzogsgruft der Kirche beigesetzt) hat sein Bruder Albrecht III den Ausbau des Domes fortgesetzt und auch für die Universität gesorgt: Die Privilegien, die er 1384 für diese bestätigte und erweiterte, sind auf einer Urkunde mit nicht weniger als 19 anhängenden Siegeln verzeichnet…

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Alle Fotos: Österreichische Nationalbibliothek

Die raren Kostbarkeiten     Rudolfs berühmtes Bildnis aus dem Dom-Museum (das derzeit wegen Umbaus geschlossen ist), ist unter vielen Kostbarkeiten wohl das Highlight der Ausstellung, gilt es doch als erstes Fürstenporträt, das in Europa erhalten ist (und zeigt ihn mit der „erfundenen“ Erzherzogskrone). Hinter dem Gemälde hängt das (sorglich nachgewebte) Leichentuch des Herzogs…Aber im Grunde ist das zweite Porträt der Ausstellung (aus dem KHM geliehen) nicht weniger originell als jenes von Rudolf, zeigt es doch seinen Bruder Albrecht III. mit dem von ihm gestifteten „Orden des goldenen Zopfs“ (der allerdings nie die Bedeutung des Goldenen Vlieses erlangte…). Aus Graz ist ein Original der goldenen Halskette gekommen, und als besonderes Prunkstück bietet die Ausstellung weiters den aus Silber-Gold bestehenden, luxuriös ausgeführten Universitäts-Szepter mit der Figur der Katharina von Alexandrien (mit langem Zopf am Rücken…)

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Die atemberaubenden Dokumente      Aus dem Universitätsarchiv wurde der deutschsprachige Stiftungsbrief der Wiener Universität geholt, ein enormes, mit kleiner Schrift bedecktes Dokument, das wie viele andere der ausgestellten Objekte die „Schreibbüros“ des Herzogs Tag und Nacht beschäftigt haben müssen. Dass es neben der lateinischen Urkunde auch eine in deutscher Sprache gab, ist für die damalige Zeit äußerst bemerkenswert. Dabei hat man auch Forschungen zur „Geheimschrift“ Rudolfs IV. angestellt, die schon seit Jahrhunderten die Köpfe rauchen lässt. Viele von der Universität selbst ausgestellte Dokumente bestechen nicht nur durch ihre Gestaltung, sondern auch durch ihre Kultur der prächtigen „Siegeln“.

Bücher und mehr     Der Großteil der Ausstellung besteht aus handschriftlichen Büchern, wobei viele aus dem Ur-Bestand der Universität kommen, aber dennoch in der Nationalbibliothek zuhause sind: Mitte des 18. Jahrhunderts war ihr Erhaltungszustand so schlecht, dass Maria Theresia verfügte, sie in die neu gegründete Hofbibliothek einzufügen. Auf den ersten Blick „nur“ kostbare, reich geschmückte Handschriften wie viele andere auch, offenbaren sich oftmals bei genauem Hinsehen die Kommentare jener, die sie benutzten – oder auch deren Kritzeleien, wenn ihnen vielleicht in der Vorlesung langweilig war? Obwohl die Wiener Universität sich schnell einen großen Ruf erwarb, durch die Internationalität von Lehrern und Studenten, durch die Bereitschaft, Lehre mit Forschung zu verbinden. Man spürt, was diese Bücher vermitteln wollen – eine „Gelehrtenkultur“ ihrer Epoche (denn man hat die Ausstellung nur bis zum Endpunkt 1520 geführt, da danach in der Welt der Renaissance eine ganz neue  Entwicklung begann).

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Die Spitzen der Gelehrsamkeit     Wien erwarb sich bald einen besonderen Ruf in den Naturwissenschaften, was mit, wie wir heute sagen würden, Stars der Gelehrsamkeit zusammenhing, Johannes von Gmunden, der berühmteste „Kalender-Macher“ seiner Zeit, dessen Interesse an Messgeräten an einem Sonnenquadranten abzulesen ist, oder Georg Peuerbach, sein Nachfolger an der Wiener Universität, von dem es eine faszinierende kleine „Klapp-Sonnenuhr“ zu sehen gibt. Es waren diese Forscher, zu denen auch Johannes Regiomontanus zu zählen ist, die später auf Männer wie etwa Kopernikus großen Einfluss ausübten.

Nachbereitung    Die rund 100 Objekte der Ausstellung finden sich in dem großformatigen Katalog aus dem Verlag Brandstätter abgebildet, der von Heidrun Rosenberg (gemeinsam mit Andreas Fingernagel Kuratoren der Ausstellung) und Viktor Schwarz herausgegeben wurde und alle anfallenden Fragen behandelt. Was die Ausstellung selbst betrifft, so stellt die NB eine Broschüre zur Verfügung, in der man während der Ausstellung über die nur mit Nummern bezeichneten Exponate nachlesen kann – Brille nicht vergessen!

Bis 3. Mai 2015, täglich außer Montag 10 bis 18 Uhr, Donnerstag bis 21 Uhr

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