WIEN / Oberes Belvedere:
MICHAEL NEDER. OHNE KOMPROMISSE
Reihe: MEISTERWERKE IM FOKUS
Vom 18. September 2013 bis zum 19. Jänner 2014
Spröde macht nicht populär
Zwei Räume im Oberen Belvedere reserviert das Haus regelmäßig für seine Sonderausstellung „Meisterwerke im Fokus“. Dabei geht es vor allem darum, die Schätze des Museums selbst zu heben und aufzuarbeiten. Bisher ist es dabei so gut wie immer gelungen, Überraschendes zu bieten. Im Fall von Michael Neder ist dies sogar in besonders hohem Ausmaß der Fall. Dieser Maler, der mit seiner Lebensspanne (1807 bis 1882) zwar teilweise noch ins Biedermeier gehörte, ist weitgehend unbekannt geblieben – und unterschätzt, wie man nun sieht. Denn er hat es seinen Zeitgenossen nicht leicht gemacht. Die Nachwelt sieht genauer hin – mit Erfolg.
Von Renate Wagner
Michael Neder Lexika führen ihn als „Johann Michael Neder“, als Michael wurde er getauft, woher der „Johann“ im Namen kam, konnte Kuratorin Sabine Grabner auch bei genauer Beschäftigung mit seiner Biographie nicht feststellen. Am 28. April 1807 in Oberdöbling, damals noch einem Vorort von Wien, geboren, war Michael Neder Sohn eines Schusters – und dieses Handwerk sollte ihm gelegentlich durchs Leben helfen, wenn er meinte, seine Existenz mit seiner Malerei nicht finanzieren zu können. Da viele seiner Bilder oberflächlich betrachtet wie „steif“ wirken, hielt man ihn für einen Autodidakten. Tatsächlich hat er viele Jahre lang in Wien studiert. Er war gerade über 20, als mit „Der Kutscherstreit“ eines jener Bilder entstand, das bekannt geworden und geblieben ist – immer wieder in Biedermeier-Ausstellungen zu sehen. Zwischen dem Schusterhandwerk und der Malerei schwankend, siegte letzere, und Neder fand immer wieder Mäzene, die ihn unterstützen, wie den Architekten Anton Jäger, den er mit Frau und Haushälterin auch malte. Tatsächlich konnte er im Lauf der Zeit ausreichend von seiner Arbeit leben, um es zum Hausherrn zu bringen. Dennoch gibt es Löcher in seiner Biographie – gestorben ist er am 30. August 1882 im Alter von 75 Jahren an Altersschwäche und vermutlich verarmt.
Noch nie ausgestellt Es gab im 20. Jahrhundert für Neder zwei Verkaufsausstellungen, aber auf eine Personale musste er bis jetzt warten. Nun bietet das Belvedere 57 seiner meist kleinformatigen Gemälde und drei bemerkenswert kunstfertige Zeichnungen: Neder hat 1834 in Stift Kremsmünster Unterricht bei Georg Riezlmayr genommen, der auch Adalbert Stifters Zeichenlehrer war. Die Gemälde unterscheiden sich inhaltlich nicht von dem, was seine Zeitgenossen schufen – Porträts, Genreszenen, Bilder aus dem Alltag. Sie haben nur nicht den genialen Schwung, die strahlende Farbigkeit, die viele Werke von Waldmüller, Fendi oder Amerling auszeichneten und die dem Publikum so gefielen. Neder pflegte eine spröde Sachlichkeit, die ihn als „Volksmaler“ klassifizierte und einer Art „naiver“ Kunst zuordnete, die lange nicht besonders hoch geschätzt wurde. Das allerdings macht ihn für uns richtig interessant– als einem Künstler, der erstens keine Kompromisse machte und zweitens seiner Zeit voraus war.
Porträts – hingestellt Neder hat vieles verweigert, vor allem die Schönfärberei. Besonders interessant sind in dieser Hinsicht seine Porträts, darunter auch das Selbstporträt „als Schuster“, das er 1832 wohl in Kremsmünster malte. Wie starr, wie beim Fotografen, blickt er aus dem Bild heraus. Auch wenn er einen Fleischhauer, einen Koch, einen Schmied malt, ist er ähnlich lapidar. Dieser Mangel an Entgegenkommen einem Publikum gegenüber verhilft zu keiner großen Popularität.
Kein Moralist Man kennt die ergreifenden Biedermeier-Darstellungen etwa von Waldmüller und Fendi, die unter der Folie der Schönheit tief tragische Geschichten erzählen, die auf soziale Missstände verweisen. Neder hingegen predigte nicht, wies nicht mit den Zeigefinger auf etwas hin: er stellte einfach dar. Den Kutscherstreit ebenso wie eine Wirtshausszene, einen Kirtag oder die Pfändung einer Herde, eine Gesangsstunde oder einen Kuhstall. Es ist die Sachlichkeit späterer Generationen, die seinen Blick bestimmt. Neder wird auch in dieser Ausstellung kein Publikum gewinnen, das sich an seinen Werken begeistert. Aber man bekommt Gelegenheit, genau hinzusehen und Qualitäten zu orten, die früher wohl unbeachtet blieben.
Oberes Belvedere. Bis 9. Jänner 2014, täglich 10 bis 18 Uhr. Katalog