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WIEN/ Neue Oper im Semperdepot: BIEDERMANN UND DIE BRANDSTIFTER von Simon Vosecek. Premiere

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Uraufführung der Neuen Oper Wien: „Biedermann und die Brandstifter“ von Šimon Voseček (Premiere: 17. 9. 2013)

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Stephen Chaundy als Gottlieb Biedermann mit Tomasz Piętok als BrandstifterSchmitz (Foto: Armin Bardel)

 Auch in diesem Jahr wartet die Neue Oper Wien, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, jungen aufstrebenden Komponisten eine Plattform zu geben, mit einer Uraufführung auf: „Biedermann und die Brandstifter“ von Šimon Voseček nach dem gleichnamigen Theaterstück von Max Frisch. Aufgeführt wird das Werk – als Koproduktion mit dem Teatro Comunale Bolzano / Stadttheater Bozen – im Semperdepot, dem Atelierhaus der Akademie der bildenden Künste Wien. Das Libretto der zweiaktigen Oper, die in den Jahren 2005 bis 2007 entstand und die 2008 mit dem Förderungspreis des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur ausgezeichnet wurde, schrieb der Komponist selbst.

 Šimon Voseček, 1978 in Prag geboren, nahm schon in früher Jugend Klavier- und Orgelunterricht und studierte nach der Matura am Prager Konservatorium Komposition. 2002 zog er nach Wien, um die Kompositionsstudien an der Universität für Musik und darstellende Kunst fortzusetzen. Im Jahr 2004 wurde er Mitbegründer der Gruppe LUX, mit der er Konzerte mit zeitgenössischer Musik organisiert. Er ist an der Durchführung verschiedener musikalischer Projekte beteiligt, wobei es bisher zu Aufführungen in Tschechien, Österreich, Mexiko, in der Slowakei und in den USA kam.

 Die Oper „Biedermann und die Brandstifter“ nimmt in Vosečeks Werk eine Schlüsselposition ein. „Es ist ein berühmter Stoff und bietet sich für eine musikalische Bearbeitung direkt an“, erklärt der Komponist in einem im Programmheft abgedruckten Interview. An der satirischen Komödie, die bei Max Frisch den Untertitel „Ein Lehrstück ohne Lehre“ hat, änderte Voseček den Schluss. Dazu ein Zitat aus dem Interview: „Die Oper endet einen Moment vor der zu erwartenden Explosion, ohne den moralisierenden Epilog. Alle anderen Änderungen sind lediglich Schärfungen oder Straffungen des Originals, wo die Musik zusätzliche Funktionen übernimmt.“ Auf die Frage seines Gesprächspartners Axel Petri-Preis, wo denn für ihn die Brandstifter sind, antwortet der Komponist: „Ich habe die Oper geschrieben, als George W. Bush Präsident der USA war. Ich beschäftigte mich damals intensiv mit den Parallelen zum Biedermann und fand die politische Situation recht verwirrend, vor allem in Bezug auf das Wechselspiel von Aktion und Reaktion. Es war mir aber wichtig, mich als Komponist nicht festzulegen. Ich weiß es einfach nicht.“

 Béatrice Lachaussée gelang eine humorvolle Inszenierung dieser Satire, in der ein biederer Bürger sich aus Angst Brandstiftern ausliefert, die es darauf anlegen, seine Welt zu zerstören. Durch ihre eloquente Personenführung kamen sowohl das Wechselspiel von Aktion und Reaktion wie auch der Chor der Feuerwehrmänner mit ihren tragikomischen Kommentaren ausgezeichnet zur Geltung. Optisch eindrucksvoll wirkte am Schluss das Feuer auf dem Dachboden (Lichtdesign: Norbert Chmel). Die Bühnengestaltung oblag Dominique Wiesbauer, der mit einfachen Mitteln Treppe und Zwischengeschoß als zusätzliche Spielflächen zu nutzen verstand. Die trefflich passenden Kostüme zu dieser Groteske schuf Nele Ellegiers.

 Der in London geborene und in Wien seit langer Zeit von vielen Rollen bekannte Tenor Stephen Chaundy gab die Rolle des Biedermanns mit starker Bühnenpräsenz und eindringlicher Darstellung. Sein Sprechgesang zeichnete sich durch hervorragende Wortdeutlichkeit aus. Die links und rechts der Bühne angebrachten Monitore mit den Übertiteln waren fürs Publikum – vor allem bei den Sängerinnen – dennoch von großem Nutzen.

 Die polnische Sopranistin Barbara Zamek-Gliszczynska spielte Biedermanns ängstliche Ehefrau Babette, die junge niederösterreichische Sopranistin Katharina Tschakert deren quirliges Dienstmädchen Anna. Beide überzeugten durch ihr ausdrucksstarkes Mienenspiel.

Als Typen gut ausgewählt waren die beiden Brandstifter: Den obdachlosen Ringer Josef Schmitz verkörperte der polnische Bariton Tomasz Piętak mit abgründigem Humor. Beachtlich seine Szene als Opernsänger. Der zweite Brandstifter Wilhelm Eisenring wurde vom deutschen Bariton Till von Orlowsky stimmlich wie schauspielerisch gleichfalls sehr bühnenwirksam dargestellt. Die drei Feuerwehrmänner, in ihrer urkomischen Art eine Travestie des antiken Chors, wurden von Harald Wurmsdobler (Tenor), Christian Kotsis (Bariton) und Frédéric Pfalzgraf (Bassbariton) gesungen.

 Das auch international geachtete amadeus ensemble-wien gab unter der bewährten Leitung von Walter Kobéra die Partitur des Komponisten, die sich anfangs an der musikalischen Sprache der Klassik orientiert, später aber auch von quälenden Tönen durchsetzt ist, ehe sie (Zitat des Komponisten:) „sprachlos“ wird, mit großem Einsatz zum Besten.

 Das von der packenden, knapp hundert Minuten dauernden Aufführung begeisterte Publikum zollte am Schluss der Vorstellung allen Mitwirkenden – inklusive Regieteam und Komponisten – minutenlangen Beifall, unter den sich auch immer wieder „Bravi“-Rufe mischten.

 Udo Pacolt

 PS: Diese Koproduktion mit Bozen müsste auch für das „Theater Winterthur am Stadtgarten“, das in der Schweiz als reines Gastspieltheater bekannt und geschätzt ist und in dem meines Wissens die Neue Oper Wien vor einigen Jahren schon zu Gast war, von Interesse sein.

 

 

 

 

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