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STUTTGART: LA TRAVIATA – im Zeichen des Becanto

Stuttgart: „LA TRAVIATA“ 6.3.2015 – im Zeichen des Belcanto

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Belcantistisch und expressiv zugleich: Mirella Bunoaica (Violetta) und Atalla Ayan (Alfredo). Copyright: A.T.Schaefer

 Wer hätte gedacht, dass die einst so befremdend aufgenommene (Premiere 8.Mai 1993), kalte Sichtweise von Ruth Berghaus auf Verdis „Kameliendame“ in der strengen, ganz auf Farben verzichtenden Ausstattung von Erich Wonder und Marie Luise Strandt mal die 100er Aufführungsmarke erreichen würde! Herzerwärmend ist sie auch bis heute nicht geworden, aber die meisten Opernbesucher haben in den letzten 20 Jahren gelernt, die schonungslose Offenbarung der Mechanismen einer kalten lieblosen Spaßgesellschaft letztendlich als Wahrheit zu begreifen und dabei auf gewisse Erwartungshaltungen an dieses Stück verzichten zu müssen. Wenn der musikalische Anspruch denn auf so hohem Niveau erfüllt und der betonte Intellekt der Szene mit reichlich Gefühl aufgemischt wird wie in dieser 101. Vorstellung, bleiben nach wie vor störende Details nur Marginalien.

Wie viel Belcanto noch im Übergang zu Verdis mittlerer Schaffensphase steckt, demonstrierten die drei Protagonisten nicht nur durch die Führung ihrer Stimmen, allein ihre im wahrsten Sinne des Wortes aparten Timbres gewährten bereits einen Kulturgenuss für sich.

Mirella Bunoaicas heller und lichter Sopran bewegt sich mit einer bewunderungswürdigen Leichtigkeit über alle Klippen der Violetta-Partie, perlt durch die Koloraturen des ersten Aktes wie berauschender Sekt, nimmt das für so manche Rolleninterpretin problematische abschließende hohe Es im Handumdrehen, zeigt in der zunehmenden Dramatik eine stabile, tragende Mittellage und in der schon greifbaren Todesnähe des letzten Bildes viel beseeltes lyrisches Potential. Allenfalls könnten etwas mehr Farbmischungen in der Phrasierung die Spannung ihres Vortrages noch erhöhen, ansonsten bringt sie die Entwicklung von beiläufigem Tonfall der sich nur noch an Festen berauschenden Kurtisane zu einer die große Liebe in bewussten, nun deutlich verinnerlichten Klangsprache artikulierenden Frau nachvollziehbar auf den Punkt. Und weil sie dabei auf jegliche Aufgesetztheiten oder überzogene Stilmittel verzichtet, kommt es umso glaubhafter beim Publikum an.

Bei Atalla Ayans Prachttenor ist es wirklich nur noch eine Frage der Zei,t bis er die großen Opernmetropolen erobert haben wird, so ausgeprägt und abgerundet in allen Phasen dynamischer Möglichkeiten bewegt sich der Brasilianer mit bisweilen betörend schöner, teils metallischer Modellierung in Verdis Kantilenen. Schmelz und Impulsivität kennzeichnen seinen Alfredo gleichermaßen, den er mit viel Leidenschaft eines jungen Mannes gestaltet, der seine Eifersucht nur schwer im Zaum halten kann. Nicht nur für ihn, auch schon für manche frühere Besetzung (worunter 2004 immerhin noch Jonas Kaufmann gehörte) wäre es schon lange an der Zeit gewesen, die unverständlicherweise gestrichene Cabaletta noch einzufügen.

Es hat lange gedauert, bis Vater Germont nun (vom Premieren-Sänger abgesehen) das Terzett in gleichwertiger und zudem mit auffallender Belcanto-Qualität ergänzen kann. Der erst 32jährige Albaner Gezim Myshketa stellt einen gestandenen, dank guter Maske glaubhaft seriösen Vater auf die Bühne, der die Trennung von Violetta mit ebenmäßig strömendem, zunächst weich und sensibel eingesetztem Bariton fordert, ehe er den auf dem Fest ausfällig gewordenen Sohn als richtigen Auftritts-Höhepunkt kernig prononciert zur Räson ruft.

Im Ensemble fügten sich die Damen Karin Torbjörndottir als Annina und Maria Theresa Ullrich als Flora in das Belcanto-Fest, während die Herren allesamt der mehr gröberen Natur waren: Ronan Collett (Baron), Kai Preußker (Marchese), Daniel Kluge (Gaston) und der in diesem Umfeld schon sehr spröde klingende Mark Munkittrick (Grenvil). Bemerkenswert genau vollzieht der Staatsopernchor immer noch die ihm auferlegte Choreographie nach, und das Staatsorchester Stuttgart folgt unter der viel Tempo-Feinsinn und aufhorchen lassende Streicher-Betonungen beweisenden Leitung von Giuliano Carella dem Schönheits-Charakter der Protagonisten, ohne es an verlangten dramatischen Steigerungen fehlen zu lassen.

Udo Klebes

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