Foto: dramagraz
WIEN / Echoraum:
YORICK STIRBT von Joachim J. Vötter
Wiener Premiere: 16. März 2015
Ein Stück für „Hubsi“, und seine alten Freunde und Kampfgefährten pilgerten geschlossen in ein eher schäbiges Hinterhoflokal im „Fünfzehnten“, „Echoraum“ genannt. Hier fand – nach der Uraufführung im März in Graz – nun die Wiener Premiere von „Yorick stirbt“ statt, von Autor Joachim J. Vötter, wie es heißt, Hubert Kramar auf den Leib geschrieben, von Regisseur Ernst Binder noch zusätzlich bearbeitet (wie ein Gewand, in das man jemanden hineinnäht?). Nun, vieles ist tatsächlich Hubsi pur. (Er hat doch wirklich, wie behauptet, in der Wiener Staatsoper – das war 1972 – in der „Zauberflöte“ einen Priester gespielt, aber nicht den Ersten, wie es im Stück heißt, sondern einen „Dritten“, den es mittlerweile in den Inszenierungen nicht mehr gibt…)
Wenn dieser Mann mit bunter Vergangenheit zu Beginn in äußerst abgerissenem Gewand mit einem Besen zu monologisieren beginnt, weiß man, dass ein Kehraus des Theaters angesagt ist. Ein ausgepowerter Theaterdirektor, längst schon sein eigener „Mann für alles“ (Kloputzen inklusive), hat die Nase voll, macht Schluß. Ausräumen, Ausverkauf, das war’s – so wie Kramar es beim 3raum-Anatomietheater in der Beatrixgasse tat, das er von 2006 bis 2012 sechseinhalb Jahre als Direktor, Regisseur und Schauspieler betrieben hatte… Es fielen, wie bei jedem Abschied, damals auch grimmige Worte, aber wie man sieht, ist die Angst unbegründet, der (immerhin erst) 66jährige könne wirklich aufhören. Er ist wieder da und wird es bleiben.
So monologisiert also einer über das Theater, mit sehr viel persönlichen Kramar-Aspekten, aber dennoch hat man den Eindruck, er habe bei Vötters Theaterstück nicht wirklich gut aufgepasst: Sonst wäre ihm nämlich aufgefallen, dass er außer diesem Auftrittsmonolog kaum mehr persönliche Wirkungsmöglichkeiten bekommt. Ja, er darf wieder einmal kurz als Hitler herumlaufen, „sein“ Publikum erwartet das von ihm, er ist hier sein eigenes Zitat und Klischee. Und er bekommt auch ein paar bedeutungsschwere Schlussworte – der arme Yorik als Sinnbild von Theater und Vergänglichkeit zugleich, der Schädel, angesichts dessen sich Prinz Hamlet daran erinnert, wie gern er auf den Schultern des Narren geritten ist… Ja, man kann Shakespeare immer heranziehen, wenn es ans Philosophieren geht.
Aber der – manchmal lang anmutende – Rest der pausenlosen 80 Theaterminuten gehört fast ausschließlich den beiden anderen Darstellern: Markus Kofler, sehr drollig als Dichter, und Daniel Doujenis, sehr selbstironisch als Schauspieler. Wenn sie sich an den „Aufräumarbeiten“ (u.a. mit Kettensäge und Hacke, aber auch mit Maßband und Säge…) beteiligen, schickt sie der Autor vom Hundertsten ins Tausendste: Von Glenn Gould (ein paar wunderbare Augenblicke, wenn dessen Bach im Hintergrund ertönt) bis zu Houdini, und im übrigen wird sehr viel Literatur bequatscht und viel Verquastes, Angeberisches geplaudert, das kaum einen Theatertext ergibt. Wie gut, dass die Darsteller immer wieder für Pointen sorgen.
Erich Binder hat sie in der klassischen Wunschszenerie eines Theaterdirektors herumgeschoben – ein Tisch und zwei Stühle, dazu gibt es im Hintergrund eine Landkarte (so kommt man auch auf Schädelfunde in Äthiopien), im Vordergrund einen roten Samtvorhang. Dergleichen kann man machen, wenn im Zuschauerraum Leute voll des guten Willens sitzen, Hubsi zu feiern. Und so war es dann auch.
Renate Wagner
P.S. Den Herrschaften, die es alle wissen müssten, sei nur gesagt, dass Edward Bonds Theaterstück „Lear“, nicht „König Lear“ heißt…