WIEN / Kunsthistorisches Museum:
FANTASTISCHE WELTEN
ALBRECHT ALTDORFER UND DAS EXPRESSIVE IN DER KUNST UM 1500
Vom 17. März 2015 bis zum 14. Juni 2015
Als die Welt sich änderte…
Das Jahr 1500 fiel in eine Umbruchszeit – nicht von ungefähr dauerte es nur zwei Jahrzehnte, bis Luther den Katholizismus nahezu aus den Angeln hob, dass die Bauern Kriege gegen ihre Herren führten, dass die Türken gegen das Christliche Abendland vorrückten, dass die Wissenschaft ein neues Weltbild postulierte, dass nicht zuletzt neue geistige Strömungen aus Italien auch den deutschen Raum erreichten. Humanismus und Renaissance waren da, die Künstler reagierten auf neue geistige Möglichkeiten mit ihren Mitteln, und das Kunsthistorische Museum kann seine neue Ausstellung zu Recht „Fantastische Welten“ nennen: Albrecht Altdorfer und das Expressive in der Kunst um 1500 blättert sich in reicher Vielfalt auf.
Von Heiner Wesemann
Mit der „Donauschule“ begann es Der Begriff „Donauschule“ kam als Sammelbegriff Ende des 19. Jahrhunderts auf und erlebte in der Ausstellung „Die Kunst der Donauschule“ 1965 in Stift St. Florian einen Höhepunkt, als man eine bisher nie gesehene Anzahl von Werken dazu zusammentrug. Inzwischen hat sich die Wissenschaft umorientiert, man findet einen Stilwandel, der in jeder Hinsicht künstlerisch mehr „riskierte“, auch abseits der Donau, bis hinauf zur Moldau. Dennoch empfindet man immer noch Albrecht Altdorfer als Zentrum der neuen Bestrebungen, was ihn auch in den Untertitel der Ausstellung „Fantastischen Welten“ brachte, die zuerst im Städel-Museum in Frankfurt gezeigt wurde und hier in Wien, wie Direktorin Sabine Haag versicherte, „ganz anders“ aussieht. Jenes Interesse an der Natur, das hier in vielen Bildern klar wird, ist übrigens für die nicht mehr erwähnte „Donauschule“ ganz charakteristisch, und Altdorfers „Landschaft mit Burg“ (reiner Selbstzweck!) ist vielleicht das stärkste Beispiel dafür in der Ausstellung.
Fotos: Wesemann
Dürer gegen Altdorfer? Soll man den Gegensatz der beiden Ausnahmekünstler, den die Ausstellung aufzeigt, demagogisch nehmen? Albrecht Dürer ist reichlich vertreten, auch mit seinem berühmten Gemälde von Kaiser Maximilian, mit dem Allerheiligenbild des Landauer Altars, mit dem doppelseitig bemalten Gemälde von Wilhelm Haller und zahlreichen Kupferstichen, wie die Ausstellung überhaupt für ein Ineinandergreifen von Malerei, Graphik und Plastik sorgt. Dieser „Großmacht Dürer“ steht nun Altdorfer mit einer Fülle von Werken verschiedenster Art gegenüber, und der Besucher ist aufgefordert, in diesem Künstler nun gewissermaßen den Kühneren, den Modernern zu sehen – was auch seine vergleichsweise geringere Popularität erklären würde, hat Dürer doch gewissermaßen die Bedürfnisse von Fürsten befriedigt… Altdorfer hingegen verzichtete selbst auf religiösen Bildern oft auf jene Ästhetik, die im Mittelalter das Religiöse so „schön“ gemacht hat. Bei genauem Hinsehen sind seine Gemälde voll von Eigenwilligkeiten. Auch hat übrigens Altdorfer (wie viele seiner Kollegen) den Vorwand des biblischen Themas benützt, um mit „Lot und seinen Töchtern“ in aller Ausführlichkeit eine reizvolle Nackte zu malen…
Huber, Leinberger, Meister IP Auch dass man von einer Anzahl Künstlern, die damals wirkten, noch nicht die Namen kennt, dass diese mit ihren Initialen oder nach den Orten ihres Schaffens bezeichnet wurden, macht klar, dass man sich vielfach noch mit einem Fuß im Mittelalter befand. Die Ausstellung stellt neben Altdorfer drei seiner Kollegen in den Mittelpunkt, die es nicht zu vergleichbarer breiter Popularität gebracht haben: Wolf Huber, der gebürtige Vorarlberger, der in Passau für die Fürstbischöfe arbeitete, und die beiden großartigen Schnitzer Leinberger und Meister IP. Während man gewohnt ist – nicht zu Unrecht – den weiter nördlich, rund um Würzburg arbeiteten Zeitgenossen Tilman Riemenschneider als Höhepunkt der Holzschnitzkunst der Epoche zu betrachten, so zeigen zahlreiche Werke, auf welcher Höhe der Technik und Erfindungskunst sich auch die Kollegen befanden. Im übrigen lässt sich das KHM natürlich auch nicht die Gelegenheit entgehen, andere hochberühmte Zeitgenossen wie Cranach oder Holbein mit zum Thema passenden Hauptwerken zu zeigen.
Die Pracht der Altäre Die Ausstellung, in deren Zentrum letzendlich doch vor allem Werke religiösen Inhalts stehen, setzt starke Akzente durch zwei besondere Schöpfungen des „Meisters IP“, der vermutlich in Passau tätig war: Das Johannes Retabel aus der Teynkirche in Prag und die Teilstücke des Epitaph-Retabels wirken durch ihr unbemaltes Holz und die Kunst der Schnitzerei ebenso wie die köstliche Apostelszene aus dem Zwettler-Altar, die fast wie eine komische Genreszene wirkt. Altarbilder gibt es auch von Wolf Huber (Flügelgemälde vom Annen-Altar in Feldkirch), und jene „Auferstehung Christi“ von Altdorfer, die Plakat und Katalog ziert, ist ein Predellenflügel des Sebastian-Retabels für St. Florian.
Bis 14. Juni 2015, täglich außer Montag 10 bis 18 Uhr, Do bis 21 Uhr. Während des Sommers (Juni bis August) ist das Museum auch montags geöffnet.
Der Katalog ist im Hirmer Verlag erschienen.