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FRANKFURT: PARSIFAL

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Frankfurt: „PARSIFAL“  15.03.2013

Parsifal 1
Claudia Mahnke, Frank van Aken, Franz Josef Selig. Foto: Wolfgang Runkel

 Die letzte WA des „Parsifal“ (Richard Wagner) der Oper Frankfurt bot so manche, nachdrückliche, musikalische Überraschung. Christof Nel hatte in seiner Inszenierung (2006) das Bühnenweihfestspiel kräftig entglorifiziert, die Konflikte der Ritterschaft zwar mehr beleuchtet, dafür der Personenregie teils eine unfreiwillige Komik beigemischt. Glaubwürdiger und optisch akzeptabel punktet jedoch das Bühnenbild (Jens Kilian): im Halbrund parallele Lamellen, auf der Drehbühne bewegt oder zur Bühnentiefe gegenüber zugeordnet dazu bestens ausgeleuchtet, ergaben sinnvolle Perspektiven zur Gralsburg.

Die Kostüme (Ilse Welter) wirkten dagegen in ihrer seltsamen Mischung aus Rüstungen, neuzeitlicher Kleidung, Rüschenkleidchen für die Blumenmädchen leicht befremdlich und gipfelten sich im „hocherotischen“ Outfit der Kundry, einem kupferfarbenen Hausmütterchen-Kleid mit Handtasche. Ach ja – was wäre doch das zeitgenössische Regietheater ohne seine geistreichen Accessoires: Stühle, Koffer etc.?  Doch lassen wir das leidliche Thema und wenden uns den positiven Aspekten des Abends zu.

Am Pult des hervorragend disponierten und prächtig musizierenden Frankfurter Opern- und Museumsorchester pflegte Bertrand de Billy zunächst langsame Tempi, welche er aber dennoch mit Spannung zu erfüllen wusste. Intensiv zog der Gastdirigent eine durchgehende, musikalische Transparenz der Partitur, allen vordergründigen, knalligen Effekten vor.

Von Anfang an setzte de Billy auf ein integriertes Ineinanderfließen der Grundstoffe des Werkes. Etwa schon beim Abendmahlmotiv, wenn langsamere Themen, sich wie eine Ursubtanz bilden, ambivalent außerhalb fühlbarer Zeiterfahrung, in Wellen durch die Streicher ziehen und sich in regelmäßigen Triolen die Bläser zum Pathos des Gesamtklangs formieren. Autoritär im Überblick strukturiert der erfahrende Wagner-Dirigent das Bühnenweihfestspiel  (lässt es zumindest als solches im Graben erkennen) in gemessener Klarheit und Ruhe. Zelebriert zudem besonders im „Karfreitagszauber“ eine Stimmung die Hoffnung schafft, welche die in Nuancen ausmusizierenden Streicher im orchestralen Erlösungsmotiv des Nachspiels, mit einer goldenen Krone versehen.

In einer derart solitären, musikalischen Einfassung fühlten sich auch die Sänger sichtlich wohl und teils zu Höchstleistungen animiert. Franz-Josef Selig, der inzwischen die Spitzengruppe der Gurnemanz-Interpreten anführt, glänzte in erlesener Vokalkultur allen Solisten  voran.

Es ist schon lange her, dass ich so viel Ausdruck, erzählerisches Talent und gut verständlich, dahin strömenden Gesang, in dieser Qualität erleben durfte. Die Schönheit, das herrliche Timbre dieser in allen Lagen höchst präsenten Bassstimme, faszinierten und betörten die Zuhörer zu gleich und feierten den Künstler mit Ovationen. Bewundernswert zudem die optische Aura (trotz unmöglicher Perücke) des exzellenten Sängers zur dezenten Rollengestaltung.

Ebenso eindrucksvoll gestaltete Johannes Martin Kränzle die Leiden des Amfortas. In absoluter Artikulation verstand es der vortreffliche Bariton sein wohltönendes, kerniges Material dominant, mühelos in den schmerzvollen Erbarmen-Rufen gipfelnd, äußerst präsent einzusetzen.

 Sensationell und zu Recht umjubelt empfand ich die besonders klangschön, nuancierte Formation des Opern- und Extrachors (Tilman Michael). Bisher sehr geschätzt und bewundert die Qualitäten dieser Vokalgemeinschaft, doch so herrlich strukturiert, nuanciert in der Klangtransparenz, das leichte Schweben der Frauenstimmen, die pastos-mächtige Entfaltung der Herren und deren gehauchte Verklärung im Finale, das Gehörte erzeugte Gänsehaut – Bravo!

Durchgängig, partiell sang Simon Bailey den Klingsor mehr hell-baritonal, denn mit dunklem Bassmaterial versehen. Keineswegs kränkelnd, im Vollbesitz sonorer Basstiefen präsentierte Magnús Baldvinsson den Gralskönig Titurel.

 Die Titelpartie von Frank van Aken hatte ich aus früheren Jahren noch in bester Erinnerung. Heute jedoch bot das frühere Ensemblemitglied mehr oder weniger grundsolide, tenorale Qualitäten. Dennoch punktete van Aken mit bester Diktion, gestalterischem Potenzial im Rahmen der Inszenierung und teilte sich seine Kräfte im dritten Akt bewundernswert ein. Das Publikum schien meiner Meinung und bedachte den einstigen Liebling mit dem wenigsten Applaus.

 Stimmen sind ja bekanntlich reine Geschmacksache und über Geschmack lässt sich streiten!

Die in Frankfurt sehr bewährte und beliebte Sängerin Claudia Mahnke debütierte als Kundry und ich konnte ihre Stimme nur schwerlich einem Fach zuordnen. Erlebte ich die Dame heute  als 40. Höllenrose meiner unzähligen Parsifal-Aufführungen, belegt sie leider in der Liste der bisherigen Interpretinnen den letzten Platz. Entschuldigung – aber zu mehr möchte ich mich nicht äußern.

 Rollendeckend besetzt die restlichen Partien: Hans-Jürgen Lazar, Iurii Samoilov (1.+2. Gralsritter), Michael Porter, Michael McCown (3.+4. Knappe), Elizabeth Reiter (1. Knappe + Blumenmädchen), Jenny Carlstedt (2. Knappe + Blumenm.), Maria Pantiukhova (Stimme aus der Höhe + Blumenm.) sowie die übrigen Blumenmädchen Louise Alder, Karen Yuong, Judita Nagyová.

 Kurz und heftig wurden alle Beteiligten gefeiert, wie meist hier üblich nach drei Durchgängen fällt der Vorhang.

 Gerhard Hoffmann

 

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