
Marina Rebeka als Kameliendame
Wiener Staatsoper
“LA TRAVIATA”
21.März 2015 37. Aufführung in dieser Inszenierung
Die Kurtisane im STREAM
Keine Frage, wenn der Staatsopernstream angesagt ist, da zeigt sich unsere so ungeliebte Inszenierung der vom Weg abgekommenen in einem besser geprobten Zustand, der Dirigent, wie immer ohne Partitur bei diesem Stück, konzentriert sich ungemein auf die intimen Gesangsszenen im zweiten Akt ohne bei der Dramatik des dritten zu sparen und Sängerin und Sänger der beiden Hauptrollen versuchen sich verständlicherweise erst gar nicht in Spitzentönen, die Verdi nicht in die Partitur geschrieben hat.
Zurück ins Jahr 2009, damals hatte Marina Rebeka nach Aleksandra Kurzak und Desirée Rancatore als einspringende Traviata den letzten Abend einer Serie gerettet. In dieser Serie konnte sie endlich beweisen, mit welch außerordentlichen gesanglichen Mitteln sie das Schicksal der Nobelhure mit einem Betriebsunfall, nämlich sich zu verlieben, gestalten kann. Jubeltöne im Trinklied und in der ersten Arie, die Szene mit dem alten Germont im Parlandoton, der Zusammenbruch und der Tod, die Stimme der aus dem lettischen Riga Geborenen ist allen erforderlichen Gefühlsregungen und dramatischen Ausbrüchen dieser Rolle gewachsen. Dazu im Auftreten eine Verliebte, die sogar bei dem mit ungewöhnlich nobler und ruhiger Gestik auftretenden Vater ihres Geliebten Empathie für ihre Situation hervorzurufen im Stande ist. Dmitri Hvorostovsky auffallend zurückhaltend in den Szenen des zweiten und dritten Aktes, trotzdem wirkungsvoll im Parlandoton und in seiner balsamisch gesungenen Arie. Ein Kavaliersbariton vom wallenden weißen Scheitel bis zur Sohle.
Waren für die oben erwähnte Aufführungsserie 2009 gleich drei Darstellerinnen der Titelrolle erforderlich, so hatte es diesmal die Herren Tenöre erwischt und nach Stephen Costello und Abdellah Lasri (wobei bei letzterem aus Termingründen vielleicht nur ein Einspringen möglich war) hatte man wieder die Gelegenheit, Saimir Pirgu als Alfredo zu bewundern. Hörbar hat er sich Richtung Spinto-Tenor entwickelt. In den dramatischen Ausbrüchen kraftvoll, kann er den fehlenden verführerischen Schmelz in der Stimme durch vorbildliche Phrasierung wettmachen. Und dass er optisch einen sehr ernsthaften und ernst zu nehmenden Liebhaber auf die Bühne stellt, hat er ja immer schon bewiesen.
Mit Aura Twarowska als Annina hat die Sterbenskranke eine aufopferungsvolle Pflegerin, während der Dottore Grenville des Alfred Sramek sein Diplom wohl im Internet gekauft hat. Außer zweier Handküsse für die Todgeweihte scheut er seinen medizinischen Einsatz, da kann die arme Violetta noch so ohnmächtig am Boden herumliegen. Meiden sie seine Praxis, auch wenn er schon drei Doktoren auf die Bühne stellt! Aber für diesen medizinischen Fauxpas wird er sich wohl auf den Regisseur berufen.
Eine Stipendiatin ist auch neu im Ensemble, unheimlich schlank, sehr hübsch, sie tanzt als Flora auch auf ihrem Fest beachtlich, an Stimme und Persönlichkeit wird sie noch ordentlich wachsen müssen, die Catherine Trottmann.
Da ergänzen noch Carlos Osuna, Gabriel Bermúdez und Il Hong vom Hausensemble das seltsame Gewusel auf der Bühne, von dem wir schon jetzt wissen, dass es uns erst dann gefallen wird, wenn irgendwann einmal eine neue Inszenierung stattfinden wird und wir die alte zum Kult erklären.
Marco Armiliato, Garant für flotten Verdi, zügelte das Staatsopernorchester und fiel diesmal auch durch subtile Begleitung der Solisten auf, auf dem Bildschirm der Stream-Abonnenten könnte das durchaus gut gewirkt haben. Der Chor und das Ballett aber müßten sich in dieser Szenerie unterfordert fühlen.
Der Jubel am Ende war diesmal ungewohnt heftig und herzlich, wenn auch nicht allzu lang.
Peter Skorepa
Foto: WSO/Michael Pöhn