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DRESDEN/ Semperoper: ORLANDO von G.F.Händel in neuer Besetzung

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Dresden / Semperoper: „ORLANDO” VON G. F. HÄNDEL IN NEUER BESETZUNG – 23.3.2015

Unbenannt 
Sonia Prina und Evan Hughes. Foto: Semperoper

Nach Premiere (27.1.2013) und anschließenden Aufführungen (vgl. Kritik der Premiere im „Neuen Merker“–online) wurden jetzt die Hauptpartien neu besetzt. Anstelle von Christa Mayer als Orlando mit ihrer schönen, runden, sehr klangvollen Stimme und ihrem ausgezeichneten Händel-Verständnis, mit dem sie den Charakter der Musik traf, hatte nun Sonia Prina für 3 Vorstellungen die Titelrolle übernommen. Sehr männlich in Stimme und Erscheinung wirkend, widmete sie sich den umfangreichen Arien mit ihren halsbrecherischen Koloraturen mit entsprechender Kondition, aber weniger Klarheit, manchen Ton mehr angedeutet als gesungen. Sie ließ kaum Raum für Gefühle oder Empfindungen. Als Orlando gegen Ende der Oper aus rasender Eifersucht „dem Wahnsinn verfällt“, wirkte Ihr Umgang mit der Sense als Requisit, mit dem sie alles “niedermähen” will, weit gefährlicher als ihr Gesang.

 Jede Sängerin wird diese Paraderolle anders deuten und gestalten. An der Semperoper gab es somit zwei, sehr unterschiedliche Gestaltungsarten, zum einen, die ganz der Musik Händels verschriebene von Christa Mayer, die zeigte, dass auch Orlando eine Seele hat, und zum anderen die Verkörperung des männlich-heldenhaften Anspruchs, den Sonia Prina verkörperte.

 Anstelle von Georg Zeppenfeld hatte jetzt Evan Hughes, seit Anfang 2014 Mitglied des Jungen Ensembles der Semperoper, die Rolle des Zoroastro übernommen. Trotz angekündigter Indisposition konnte man soliden Gesang mit entsprechender Tiefe und guter Diktion wahrnehmen, wenn auch etwas leise.

 Die Sängerinnen der anderen Rollen waren geblieben und hatten sich auch etwas weiterentwickelt. Als Prinzessin Angelica, in die der Ritter Orlando rasend verliebt ist, beeindruckte Carolina Ullrich vor allem bei den beschaulicheren Arien, die sie mit Innigkeit und Empfindung sang, u. a. beim Geständnis ihrer großen Liebe zu Medoro und beim Abschied von Natur und Landschaft. Sanfte, lyrische Pianopassagen scheinen ihre Stärke zu sein. Ihr glaubte man schon eher die große Liebe über alle Grenzen und Standesschranken hinweg, wohingegen Gala El Hadidi, als Medoro mit ihrem sehr zurückhaltenden Spiel (keine Bewegung zu viel) ihrerseits eine eher verhaltene „Zuneigung“ und auch bei den Arien nicht viel mehr Engagement zeigte, als für eine richtige Bewältigung derselben nötig.

 Barbara Senator wurde ihrer Rolle als bescheidene, aufrichtige Schäferin Dorinda in ansprechender Weise gerecht. Sie verfügt über eine Stimme, der man gern zuhört, und entsprechendes Rollenprofil.

 Eigentlicher Träger der Oper war die Sächsische Staatskapelle Dresden, die mit „gemischtem“ Instrumentarium, d. h. mit ihren Instrumenten des 19./20. Jhs. und einigen „Originalinstrumenten“ bzw. Nachbauten wie Laute (Stephan Maass), Barockcello (Jan Freiheit), Viola d’amore (Katharina Dargel, Jörg Kettmann) und 2 Cembali (von denen im Wesentlichen nur das eine von Johannes Wulff-Woesten gespielt wurde) in historisch orientierter Aufführungspraxis mit besonders schönem Streicherklang genau den Nerv der Musik traf und ein sehr gutes barockes Klangbild erstehen ließ. Beim Tempo nahmen Dirigent und Musiker „nebenbei“ auch Rücksicht auf die Sängerinnen und Freiräume für die Regie. Anstelle von Jonathan Darlington stand Gianluca Capuano am Pult bzw. Cembalo.

 Trotz aller Dramatik ruht Händels Musik auch in sich selbst. Wodurch sie uns heute noch bewegt, ist neben ihren musikalischen Qualitäten vor allem die psychologische Durchdringung der menschlichen Gefühle. Händel verstand es, mit wenigen musikalischen „Mitteln“, auch in den großen Arien große Wirkungen zu erzielen. Letztere sind nicht einfach nur Bravour, sondern vor allem Ausdruck großer Gefühle und Gedanken. Zu seinen Lebzeiten beschränkte man sich bei den Opernaufführungen vor allem auf den bravourösen Gesang, unterstützt durch die orchestrale „Begleitung“ und den optischen Eindruck der Bühne mit pompösen Kulissen und Kostümen. Die Handlung in vager Anlehnung an historische Begebenheiten, Sagen oder Legenden war schon damals „Nebensache“.

 In der Inszenierung von Andreas Kriegenburg, wird die relativ verhaltene Personenführung der 4 Sängerinnen und 1 Sänger durch 10 Tänzerinnen und Tänzer „lebendiger“ gemacht. Sie deuten je nach Bedarf Furien, Wald, Gedanken, Visionen usw. an und greifen in die Handlung ein, lenken meist die Aufmerksamkeit auf sich und von der Musik ab. Alle Liebesbande werden mit grünblauen Bändern geknüpft. Das Ganze spielt in einem großen Raum (Bühnenbild: Harald Thor) mit Kronleuchter, 3 großen Fenstern und alten Heizkörpern aus einer späteren Zeit (teils klassizistisch-romantisch?), mit altem Sofa, Eisenbett und Frisiertischchen. Gelegentlich werden schiefe Ebenen errichtet, auf denen die Sängerinnen Halt suchen und singen müssen, und immer wieder werden alte Koffer über die Bühne und die nicht mehr benötigten Protagonisten auf Tischen usw. in den Hintergrund geschleppt. Noch während der Ouvertüre gibt es eine Gewaltszene – und das bei dem Humanisten Händel.

 Die Kostüme (Andrea Schraad) entsprechen mehr oder weniger passender, (fast) gegenwärtiger Kleidung. Angelica und Dorinda erscheinen im (normalen) Kleid, Orlando und Medoro in mehr oder weniger passendem Anzug, Zoroastro wird als Gott noch Hut und Mantel zugestanden, die Tänzerinnen treten im Bikini, Kleid oder Mantel auf, die Tänzer „oben ohne“ usw.

 Die Oper, die eigentlich von der Musik geprägt ist und uns vor allem in dieser Hinsicht noch etwas zu sagen hat, könnte aus sich selbst heraus sehr viel Brisanz bieten. Hier findet sie in zwei, scheinbar parallel ablaufenden, Ebenen statt: Musik und Bühnengeschehen, wobei letzteres nicht sonderlich mit der farbenprächtigen, opulenten und vor allem gefühlsbetonten Musik harmoniert.

 Immerhin war das Parkett mit erfreulich vielen Jugendlichen besetzt.

 Ingrid Gerk

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