Ab 9. April 2015 in den österreichischen Kinos
HALBE BRÜDER
Deutschland / 2015
Regie: Christian Alvart
Mit: Paul “SIDO” Würdig, Fahri Yardim, Tedros Teclebrhan, Mavie Hörbiger, Michael Ostrowski, Detlev Buck u.a.
Bevor Esther dann doch Nonne wurde, wie es ihre Familie immer wollte, hat sie nichts ausgelassen. Bei einem Hippie-Festival auf einer Nordsee-Insel wurde ihr erster Sohn gezeugt. Der zweite dann mit einem türkischen Catcher. Den Dritten bekam sie als Groupie von Roberto Blanco. Kümmern konnte sie sich um keinen. Wir lernen sie, außer im Rückblick in einem alten wackligen Super 8-Film vom Hippie-Festival, auch nicht kennen. Wohl aber die drei Söhne, die sich bis dahin nicht kannten.
Jetzt steht da unser Michael Ostrowski, der am Drehbuch mitarbeitete (blöd genug ist es) und folglich mitspielen durfte, als frommer Pater beim Notar und verkündet den drei nicht mehr ganz jungen Herren, dass es von der leider verstorbenen Nonnen-Mama ein nicht unbeträchtliches Erbe gibt. Wo genau – das müssen sie selbst rauskriegen. Schnitzeljagd.
Das war oft da und ist diesmal nur ein Vehikel für eine überschrille, immer wieder offenbar lustvoll geschmacklose Multi-Kulti-Komödie, die zeigen soll, was unter der Schürze der großen Mutter Deutschland heute Platz hat. Wobei der „deutsche“, der türkische und der schwarze Sohn tatsächlich mit originalen Herrschaften besetzt ist, die als deutsche Schauspieler im Internet stehen. Stimmt also.
Da ist jener, den Pop-Fans als „Sido“ kennen, eigentlich Paul Hartmut Würdig, und, es sei gleich gesagt, dass er nicht rappen darf, obwohl er im richtigen Leben als deutscher Rapper bekannt ist, aber unwürdig führt er sich dennoch auf. Er spielt Julian, den „deutschen Sohn“, was wiederum nicht so völlig glaubwürdig ist (da im Original seine Sintiza- Mutter – um nicht das schreckliche Wort „Zigeunerin“ zu verwenden – doch ihre optische Prägung hinterlassen hat). Er gibt einen Trickbetrüger, der einmal zu trickreich war und nun dem „U-Bahn Lemmele“ 120.000 Euro schuldet, andernfalls schlägt dieser ihm die Hand ab. Jede Idee eines Erbes kann nur hochwillkommen sein – auch angesichts einer schmollenden Gattin (wie kommt Mavie Hörbiger zu dieser völlig witz- und wirkungslosen Wurzen-Rolle?) und der Kinderchen.
Fahri Yardim (den man zuletzt in den „Mann“-Filmen von Marc Rothemund gesehen hat) ist ein echter Deutsch-Türke, sieht allerdings wie ein Inder aus, aber kommt es darauf an? Er spielt Yasin, jenen Bruder, der von einem reichen Konzerninhaber (Michael Mendl) adoptiert wurde und Chef werden soll (außerdem leidet er unter Nierenproblemen und muss oft zur Dialyse). Er braucht eigentlich kein Geld, aber die Idee, Brüder zu haben, ist für ihn – er ist ja wohl ein Seelchen – sehr schön.
Tedros Teclebrhan wird wohl ein Normalpublikum, das über die erste Jugend hinaus ist, am ehesten nerven, dass es nicht höher geht, denn dieser schwarze Junge rappt nicht nur bei jeder Gelegenheit, sondern hopst auch so kreischend durch die Welt, wie es das Klischee will – ohne, dass man wirklich weiß, warum sich jemand so idiotisch aufführen muss.
Die drei begeben sich nun auf die Fahrt zu den Vätern - Roberto Blanco spielt ironisch sich selbst, der Türke ist ein Schlammcatcher, der für die Vorstellungen Freigang aus dem Gefängnis bekommt und auch seinen Sohn in den Dreck tunkt, vom deutschen Vater ist nur Detlev Buck als dessen Spät-Hippie-Bruder übrig.
Dabei müssen sie sich natürlich zusammenraufen, damit sie einander am Ende herzlich als Familie lieben – dieser Kitsch wird auch von den dümmsten Drehbüchern verlangt, die auch auf „vergnügliche“ Szenen von … wie nennt man es zimmerrein… nicht verzichten. Nun, schon Hanswurst ließ die Hosen herab und vergnügte das Publikum mit Furzen und mehr. Also Achtung, wer Fäkalkomik nicht verträgt, sollte den Film lieber bleiben lassen.
Dass die drei „Deutschen“ auch ihre Vorurteile mit sich herumtragen („Trau Dich, sag Neger!“), wird nur behutsam in den Film gewürzt. Es geht ja bei Regisseur Christian Alvart nicht nur um die Brutalo-Komik – wir sollen ja schließlich wieder einmal zu Multi-Kulti bekehrt werden. Sind doch eigentlich alles liebe Menschen, so wie wir. Und wenn sie Leute betrügen und Rauschgift verkaufen – gibt’s nicht auch böse Deutsche? Zu deren Ehre sei gesagt, dass U-Bahn Lemmele (köstlich: Charly Hübner) schrecklich erschrickt, als er Julian tatsächlich die Hand abhacken soll… So wird’s nur eine halbe Sache.
Und das Ganze? Nicht jedermanns Sache. Aber da es ein breites Publikum gibt, das ein Recht auf seinen schlechten Geschmack hat, muss man auch für dieses Filme machen. Die Deutschen tun das immer wieder seit Menschengedenken.
Renate Wagner