Wiener Staatsoper, Parsifal, 2. April 2015
Karfreitagszauber vom Feinsten
Angela Denoke. Foto: Wiener Staatsoper/Pöhn
Was für ein Gründonnerstags-Parsifal an der Wiener Staatsoper. Dabei waren die Auspizien gar nicht günstig: Der vorgesehene Peter Schneider konnte nicht dirigieren, sodass Adam Fischer am Pult stand und auch die Rückkehr von Stephen Milling als Gurnemanz fiel einen Tag vor der Aufführung leider krankheitsbedingt ins Wasser, aber “Haudegen” Kurt Rydl sprang dankenswerter ein. Das letzte Mal sah man den Herrn Kammersänger vor zehn Jahren in dieser Rolle hier auf der Bühne. Kein leichtes Unterfangen also, diese tragende Rolle des Parsifals in so kurzer Zeit vorzubereiten.
Ich gestehe, dass mich diese kurzfristige Umbesetzung nicht gerade erfreut hatte und auch der erste Akt bestätigte diese Meinung: Rydl, dessen Auftrittszahl an der Staatsoper vierstellig ist und der sicherlich große Verdienste hat und mit tollen Auftritten jahrzehntelang das Publikum begeisterte, wobblte sich anfangs durch die Partie, der Text versank in einem lautmalerischen Sprechgesang. Aber wollte man allzu beckmesserisch urteilen über einen 67jährigen Bass, der sicherlich selber weiß, dass er nicht mehr die absolute Idealbesetzung für diese Rolle ist? Aber dann kam der dritte Akt und man glaubte seinen Ohren nicht zu trauen, mit welcher Vehemenz und Intensität dieser Gurnemanz bis zum Schluss seinen Mann stand. Den Riesenjubel am Ende hatte sich Rydl schwer verdient und war nicht nur der Tatsache geschuldet, dass er mit seinem Einspringen diesen Gründonnerstag gerettet hatte.
Ebenso großes Kompliment war Angela Denoke zu machen, die als Kundry zwischen 2004 und 2012 fixer Bestandteil der Mielitz-Inszenierung war. Aber so wie an diesem Abend sah und hörte ich die Norddeutsche bislang noch nie. Was sie und Johan Botha in der Titelrolle im zweiten Akt zeigten und hören ließen, das reihe ich persönlich unter eine meiner Sternstunden im Opernhaus ein. Schon im ersten Akt hatte Denoke mit einer merklich gereiften und vollen Stimme aufhorchen lassen, aber wie sie dann in Klingsors Zaubergarten mit ihrem tollen Aussehen sexy kokettierte (vorerst im schwarzen Unterhemd mit einigen Blitzern, später in roter Robe und dann in fleischfarbenem Outfit), das war Erotik pur. Katzengleich umgarnte sie den statischen, in der Rolle des naiven Parsifal total passenden Botha, schlang die Beine um ihn, presste ihr Becken gegen seine Lenden. Wie konnte man da standhaft bleiben? Und dann diese Stimme, nie schrill, vibratoarm und mit sinnlicher Färbung. Das Tüpfelchen auf dem I bot sie dann mit ihrer fast stummen Rolle in Akt 3, ein Psychogramm-Miniatur vom Feinsten!
Neben ihr musste sich Botha schon ganz schön ins Zeug legen, um mit seinem nunmehr doch etwas dunkler gefärbtem Strahle-Tenor mithalten zu können. Aber es gelang ihm schließlich perfekt und in den übrigen Szenen bewies er sogar, dass er sich schauspielerisch ein wenig (man soll ja nicht übertreiben) weiterentwickelt hat. Bleibt noch Michael Volle als Amfortas zu erwähnen, der leider ein seltener Gast in Wien ist (bislang nur in drei Partien). Sein profunder Bariton ließ einen erschaudern, eine Bühnenpersönlichkeit durch und durch. Wenig weiterentwickelt scheint sich Boaz Daniel zu haben oder hatte es nur diesen Anschein, weil er gegen das Duo Denoke-Botha als Klingsor einen sehr schweren Stand hatte. Für Ryan Speedo Green konnte ich mich auch diesmal nicht erwärmen, sein Titurel ließ mich echt kalt. Die übrigen Komprimarii fielen diesmal wenig auf, einzig Monika Bohinec’ Stimme von oben soll an dieser Stelle positiv erwähnt werden. Auf der Habenseite – wie fast immer – die Staatsopernchöre (Damen, Herren, Kinder).
Über das Regiekonzept von Christine Mielitz aus dem Jahr 2004 ist schon alles gesagt worden, begeistern werde ich mich dafür nie mehr können. Aber trotz allem ist die Chose bühnentauglich und wenn die musikalische Seite so stimmt, wie sie es diesmal tat, dann kann der Karfreitag ruhig kommen. Verzaubert wurde man vom Wiener Staatsopernorchester bereits am Abend davor, Adam Fischer hatte aber daran sicher seinen nicht unwesentlichen Anteil. Positive Randerscheinung bei jedem Parsifal: Es gibt keine Hustenepidemie und der Applaus ist ehrlich und differenziert, insgesamt währte er diesmal zehn Minuten.
Ernst Kopica