Wien/ Volksoper: Fidelio am 07.04.2015
Mit dieser Vorstellung ging die heurige Fidelio-Serie zu Ende, die gegenüber der vorjährigen Premierenserie vor allem im sängerischen Bereich eine deutliche Steigerung erkennen ließ.
Die bereits ausführlich besprochene Inszenierung von Markus Bothe erzeugt noch immer widersprüchliche Eindrücke. Einerseits wird die Geschichte interessant und konsequent in durchaus logischer Weise interpretiert: Jaquino mutiert vom abgewiesenen Brautwerber zum intriganten, machtbesessenen Karrieristen, der die Nachfolge des Don Pizarro antritt und somit der Marzelline die Peinlichkeit erspart, mit fliegenden Fahnen vom Fidelio zum Jaquino zu wechseln. Andererseits aber können wir uns auch beim besten Willen nicht an das Bühnenbild im ersten Akt, das ans „Teletubby-Land“ erinnert, gewöhnen. Die zum Teil gegen den Text inszenierten Handlungsdetails werden auch in der zweiten Saison nicht leichter erträglich.
Glücklicherweise haben die Veränderungen in der Besetzung ausschließlich positive Auswirkungen bewirkt – man muß dem gesamten Ensemble ein Kompliment machen:
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Ausrine Stundyte. Foto: Wiener Volksoper
Mit der litauischen Sopranistin Ausrine Stundyte wurde eine hervorragende Leonore gefunden, die sämtliche Anforderungen dieser anspruchsvollen Partie mit Leichtigkeit und Stimmschönheit in allen Lagen bewältigt. Sie hat alles das gehalten, was uns Marcy Stonikas, die Premieren-Leonore, vollmundig versprochen hat – und dann selbst nicht ganz einlösen konnte.
Roy Cornelius Smith beeindruckte wieder mit seinem mächtigen, höhensicheren Heldentenor. Die zarten Töne sind nicht seine Stärke – ein lyrischer Tenor wird er in diesem Leben wohl nicht mehr, er vermittelt aber Leidenschaft und Verzweiflung mit vollem Einsatz von Stimme und Körper.
Der zweite Stimmgigant des Abends war Sebastian Holecek, der den Don Pizarro in seiner bedrohlichen Bösartigkeit absolut authentisch sang und spielte. Sein gereifter Bassbariton ist unglaublich wandelbar und erlaubt perfekte Anpassung an jede Stimmung – er ist ein Glücksfall für die Volksoper.
Der Gefängnisvorsteher Rocco wurde wieder – optisch ungewohnt, aber gesanglich ausgezeichnet – von Stefan Cerny dargestellt. Sein voller, halliger Bass fasziniert uns immer wieder – er braucht aber deutlichen Druck, um klangschön aufzublühen – im Mezza voce wirkte er, besonders zu Beginn, etwas dünn. Seine Tochter Marzelline wurde von Mara Mastalir mit klarer, mädchenhafter Stimme gesungen und schauspielerisch glaubhaft dargestellt. Sie lässt schon im ersten Akt keinen Zweifel aufkommen, dass der fliegende Wechsel zu Jaquino für sie nicht in Frage kommt.
Bei JunHo You liegt der Schwerpunkt bei der schauspielerischen Gestaltung dieser etwas ungewöhnlichen Interpretation des Jaquino – auf dem Weg vom rüpelhaften, abgewiesenen Liebhaber zum neuen Gouverneur, bei dem das nächste Terrorregime bereits greifbar ist.
Yasushi Hirano ergänzt als Don Fernando die Gilde der erfreulich guten, tiefen Stimmen in der Volksoper und macht deutlich, wie viel verloren geht, wenn man den Minister nur mit „verdienten“ Sängern besetzt.
Besonders wichtig ist bei Fidelio ein gesanglich und darstellerisch potenter Chor. Die Damen und besonders die Herren des Volksopernchores ließen in den vielen, eindrucksvollen Passagen keine Wünsche offen – der Gefangenenchor wurde, nicht zuletzt dank der beiden „Solo-Gefangenen“ Marian Olszewski und Tamas Patrovics, zu einem Höhepunkt des Abends.
Julia Jones erwies sich wieder als kompetente Kapellmeisterin, die für Temperament und Dynamik sorgte. Schade, dass sich die Hörner im Verlauf des gesamten Stückes als „Wunderhörner“ entpuppten – über manche Töne konnte man sich wirklich nur wundern.
Die kleinen Unzulänglichkeiten konnten aber den sehr guten musikalischen Gesamteindruck nicht trüben und wir freuen uns, dass es zum wunderschönen Fidelio am Ring eine passable Alternative gibt.
Maria und Johann Jahnas