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WIEN/ Staatsoper: ANNA BOLENA mit dem “Wunder Netrebko”

WIENER STAATSOPER:    “Anna Bolena” am 10.4.2015

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Margarita Gritskova, Anna Netrebko. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn.

“Das Wunder Netrebko” – eine Phrase, die mitunter übertrieben wirkt und mehr dem Namen als der Leistung gilt – darf an diesem Abend vollkommen zu Recht verwendet werden. Anna Netrebko hat die Rolle der unglücklichen Gattin Nummer zwei zwar schon vor 4 Jahren in Wien und an der MET gesungen, aber ihre Stimme hat in dieser Zeit an Volumen und Reife gewonnen, ohne die Leichtigkeit für lyrische Passagen eingebüßt zu haben. Ihr kommt auch die Tatsache entgegen, dass Donizetti in diesem Werk keine extremen Koloraturen komponiert hat, die eine Spezialistin auf diesem Gebiet erfordern würde. Interessant ist auch, dass die Künstlerin den (zu) schnellen Weg ins dramatische italienische Fach für eine Belcanto-Partie unterbrochen hat. Freilich merkte man deutlich, dass sie ihre Stimmmittel wesentlich effizienter einsetzte als vor wenigen Jahren. Das brachte auch erhöhte Wirkung in der Rollengestaltung, sie war nicht das unselige, abzuschiebende sanfte Wesen, sondern bot dem übermächtigen Gegenspieler Enrico die Stirn, wenn letzten Endes doch vergebens.

Dieser wurde von Luca Pisaroni mit allen zur Verfügung stehenden schauspielerischen und stimmlichen Mitteln verkörpert, das Lehrbeispiel eines Schurken der Marke Jago oder Scarpia. Erstaunlich, wie seine Stimme so völlig fremd und rau klingt, wenn man noch seine fabelhafte Rollengestaltung des witzigen Leporello im Ohr hat. Giovanna Seymour war mit Ekaterina Semenchuk solide besetzt. Ihr heller Mezzo glänzte nach etwas verhaltenem Beginn vor allem im Duett mit Anna, das war Dramatik und Schöngesang pur. Weniger zufrieden konnte man mit Celso Albelo als Lord Riccardo Percy sein. Er hatte keine gute Tagesverfassung und konnte seinen höhensicheren und schlanken Tenor nur selten optimal einsetzen. Da waren einige exponierte Stellen, an denen er sich mit Kraft und Forcieren um größere Wirkung brachte. Mit intensivem Spiel – auf verlorenem Posten – war er aber überaus präsent. Margarita Gritskova sang den naiven Verräter Smeton sehr bemüht, in der Tiefe fehlte es aber doch etwas an Volumen. Dan Paul Dumitrescu war einmal mehr als Lord Rochefort die Verlässlichkeit in Person. Sein sonorer Bass kam auch in dieser Rolle bestens zur Geltung. Vielleicht hätte man bei der Wahl seines Kostüms dezenter vorgehen können.

Andriy Yurkevych dirigierte ein sehr konzentriert und gut spielendes Orchester mit großer Umsicht. Die Inszenierung Eric Genoveses beschränkt sich darauf, den Handlungsablauf  halbwegs plausibel zu gestalten, bei diesem Stoff ein leichtes Unterfangen. Die Bösen durften geradeheraus böse sein und die Guten entsprechend naiv. Abgerundet wurde das Spektakel durch ein sparsames Bühnenbild (Jacques Gabel, Claire Sternberg) und prächtige Kostüme (Luisa Spinatelli). Finsteres Geschehen in der finstersten Zeit des britischen Empires, klassische Oper pur. Eine kleine kritische Bemerkung zu diesem Werk: Es ist ein wenig zu lang, der auch für Neulinge absehbare Handlungsverlauf wird nicht wie in anderen Donizetti-Opern durch eine Vielzahl an prachtvollen Arien und Ensembles aufgelockert, die Spannung wird überwiegend durch die Schauspielkunst der Darsteller erzeugt – die in diesem Falle auch zur Verfügung standen. Ein Jubelorkan, vor allem für Anna Netrebko beendete einen eindrucksvollen Abend.

Johannes Marksteiner

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