Opernrarität im Theater an der Wien: „Les Danaïdes“ von Antonio Salieri (konzertante Aufführung: 16. 11. 2013)
Im Rahmen der Reihe „Opern konzertant“ brachte das Theater an der Wien in Kooperation mit der venezianischen Stiftung „Palazzetto Bru Zane“ in französischer Sprache die selten gespielte Oper „Les Danaïdes“ von Antonio Salieri zur Aufführung. Diese Tragédie lyrique in fünf Akten, deren Libretto von Marie François Louis Gand Bailli du Roullet und Louis Théodore Baron de Tschudi nach einer Textvorlage von Ranieri de Calzabigi stammt, wurde 1784 in Paris uraufgeführt.
Die Oper handelt von den sagenhaften 50 Töchtern des Königs Danaos, die in der Hochzeitsnacht ihre Männer, die Söhne von Danaos’ verfeindetem Zwillingsbruder Egyptus, erdolchten. Sie wurden danach zur Strafe dazu verurteilt, in ein durchlöchertes Fass Wasser zu schütten, wovon die Bezeichnung Danaïdenarbeit für mühselige, nutzlose Arbeit herrührt. Hypermnestra, die älteste der fünfzig Töchter, verschont ihren Gatten Lynkeus und verhilft ihm zur Flucht.
In der Salieri-Oper ist der Schluss besonders dramatisch abgehandelt. Hypermnestra fällt aus Angst um ihren Gatten in Ohnmacht und wird von ihrem Vater, als sie erwacht und ihren totgeglaubten Mann beweint, in Ketten gelegt und mit dem Tod bedroht. Als Linkeus mit seinen Soldaten den Palast angreift, will Danaos seine Tochter aus Rache für ihren vermeintlichen Verrat opfern, wird aber von Pelagos, der die Ungerechtigkeiten nicht mehr mit ansehen kann, getötet. Die Erde beginnt zu beben, der Palast zerstört, es öffnet sich die Hölle, noch ehe Lynkeus und die Danaïden fliehen können. Danaos ist an einen Felsen gekettet, an seinen Eingeweiden nagt ein Geier. Vergeblich fordern die Danaïden Gnade. Die Dämonen lassen nicht von ihnen ab und bestrafen sie und Danaos für ihre Taten bis in die Ewigkeit.
Hervorragend das internationale Sängerensemble: Hypermnestra wurde von der niederländischen Sopranistin Judith van Wanroij eindrucksvoll, mit innerem Feuer und dramatischem Ausdruck gesungen, wobei sie auch mimisch ihre Rolle zu gestalten wusste. Herrlich ihre Bravourarie „Foudre céleste! Je t’appelle!“ Mit dunkel gefärbter, in den Rachearien von Hass geprägter Stimme sang der griechische Bariton Tassis Christoyannis ausdrucksstark ihren Vater Danaos. Seine grimmige Miene passte gut dazu. Wunderbar der Gegensatz zum französischen Tenor Philippe Talbot, der mit lyrischer und einschmeichelnder Stimme die Rolle des Lynkeus gab.
Auch die kleinen Rollen waren stimmlich erstklassig besetzt: die französische Sopranistin Katia Velletaz sang die Rolle der Plancippe, der französische Bariton Thomas Dolié den Pelagos. Mit enormer Stimmkraft wartete der etwa dreißigköpfige Chor in seinen verschiedenen Rollen auf (Leitung: Olivier Schneebeli). Besonders eindrucksvoll sein Gesang zum Schluss, als die Frauen den Chor der Danaïden, die Männer den Chor der Dämonen sangen. Der Chor wurde 1987 unter dem Namen Les Chantres du Centre de Musique Baroque de Versailles gegründet und entspricht in seiner Besetzung dem Chor der Königlichen Kapelle zu Zeiten Ludwigs XIV. Es handelt sich dabei um ausgewählte Sängerinnen und Sänger, die eine zwei- bis dreijährige Ausbildung durchlaufen.
Die oft lyrische, oft dramatische Partitur von Antonio Salieri, die im fünften Akt sehr nuancenreich instrumentiert ist, lag beim 40köpfigen Orchester „Les Talens Lyriques“, dessen Bläser besonders herausstachen, unter ihrem Dirigenten Christophe Rousset – er gründete vor 20 Jahren dieses Instrumental- und Vokalensemble – in besten Händen. Schon die packende Ouvertüre, die bereits die Düsternis und Gewalttätigkeit des Librettos musikalisch vorwegnimmt, begeisterte das Publikum, das am Schluss alle Mitwirkenden mit minutenlangem, nicht enden wollendem Applaus und vielen Bravorufen belohnte. Die Begeisterung der Zuschauerinnen und Zuschauer war für eine konzertante Aufführung fast grenzenlos!
Udo Pacolt