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Foto: Wiener Staatsoper / Pöhn
WIEN / Staatsoper:
ANNA BOLENA von Gaetano Donizetti
17.April 2015
13. Aufführung in dieser Inszenierung
Nach einem Zwischenspiel mit Krassimira Stoyanova, die für diese Rolle einfach zu „zurückhaltend“ war, ist Donizettis Anna Bolena an die Premieren-Interpretin Anna Netrebko zurück gefallen – und man stellt fest, dass auch schon wieder ziemlich genau vier Jahre seit der Premiere verstrichen sind. Seither ist gerade bei der Netrebko viel geschehen, hat sie ihr Repertoire um einiges erweitert und ihre Klangfarben hörbar verändert – kurz, man war neugierig, sie wieder einmal live zu erleben.
Nun, sie hat ihre Stimme mit der Lady Macbeth nicht zu Tode geritten, Schönheit, Fülle, Registerwechsel, alles ist intakt, auf ihre Technik kann sie sich ebenso verlassen wie auf ihr Material, nur dass es eben immer dunkler wird, so dass man an diesem Abend gelegentlich den Eindruck gewann, drei Mezzos stünden auf der Bühne…
Man wird nicht ohne Leistung ein Weltstar, man bleibt es – stets besonders kritisch beäugt – nicht ohne Leistung, und die Netrebko gibt spürbar immer alles, auch wenn nach den beiden ersten Abenden einer auf vier Aufführungen geplanten Serie das Interesse leicht abgeflaut ist und man auch eigentlich keine Kritiker im Zuschauerraum befürchten muss. Sie singt (und gestaltet!) diese Mörderpartie der Bolena (eine typische Donizetti’sche dramatische Belcanto-Diva) mit nie erlahmendem Einsatz und Kraft, alles, aber vor allem die schier endlose Schlussszene mit einer Gänsehaut erzeugenden Intensität, so dass nur das Wort „phänomenal“ angebracht ist. Wer jetzt den fehlenden finalen Spitzenton reklamiert… „Den wird dann die Gruberova singen“, flüsterte Peter Skorepa an meiner Seite.
Die beiden anderen Damen, auch Russinnen übrigens – besonders quälend in ihren Spitzentönen anzuhören – konnten der Heldin nicht das Wasser reichen, wenn man Ekaterina Semenchuk als Giovanna Seymour auch gerne zugesteht, dass sie in der großen Szene mit Anna Bolena als Persönlichkeit mithielt. Margarita Gritskova gab zumindest einen herzigen Smeton ab.
Auch ein relativer Ausfall der Tenor Celso Albelo als Riccardo Percy, eine viel zu flache Stimme, um im Belcanto zu reüssieren, mit enorm gestemmt-gepressten Spitzentönen, die aber einen Teil des Publikums zu Jubel hinrissen.
Luca Pisaroni, der den König Heinrich VIII. schon an der Seite der Stoyanova hören ließ, ist (und man behalte in Erinnerung, wie sehr dieser Sänger bei Mozart langweilen kann!) in dieser Rolle noch überzeugender geworden, raue Stimme, rau eingesetzt, das glaubwürdige Porträt eines rücksichtslosen Machtmenschen.
Wie schön ein Baß strömen kann, ließ Dan Paul Dumitrescu als Lord Rochefort hören, und Carlos Osuna als Sir Hervey hat andauernd Böses zu verkünden, das muss nicht schön klingen.
Trotz der bereits dritten Vorstellung der Serie hatten sich weder das Orchester unter Andriy Yurkevych (mit einem undifferenziert breiten, schleppenden Grundton) noch der Chor (der gelegentlich zum Schwimmen neigte) zu mehr als durchschnittlichem „Repertoire“ (im nicht guten Sinne) aufgerafft. Aber da war ja die Netrebko – da soll der Opernfreund doch den Mund halten und im übrigen fein bescheiden sein.
Vor der Vorstellung gab es noch ein paar Balkon-Stehplätze. Verrechnet hatten sich an diesem Abend nur die Agioteure, die mit ganzen Bündeln (!) von Karten vor und in (!) der Staatsoper standen und sich vermutlich böse überhöhte Preise vorstellten. Aber Interesse an ihrem Angebot war nicht festzustellen. Wenn der Netrebko-Hype vorbei ist, dann kann man sich endlich ohne den Hintergrund von peinlichen Homestories der Künstlerin zuwenden. Die „Seitenblicke“-Opernwelt allerdings hält vermutlich schon nach neuen Gesichtern, nach neuen „Stars“ Ausschau…
Renate Wagner
P.S. Schwanger wirkte die Netrebko übrigens mitnichten, eher hat sie ein paar Kilo abgenommen, was ihrer Bühnenerscheinung hervorragend bekam.