Wiener Volksoper: La Bohème am 23.04.2015
Wiederaufnahme der wunderbaren Inszenierung von Harry Kupfer aus dem Jahr 1984 an der Volksoper Wien. Auch nach über dreißig Jahren fasziniert diese Regiearbeit mit einem Bühnenbild von Reinhart Zimmermann und Kostümen von Eleonore Kleiber durch „mitspielende“ Kulissen wie die geniale Stiegenhauskonstruktion, die symbolisierten „Dächer von Paris“, die an Sonnensegel einer Raumstation erinnerten und das Cafe Momus, durch authentisch wirkende, schöne Kostüme und durch eine dynamische Personenführung, die besonders von den Damen und Herren des Volksopernchores temperamentvoll umgesetzt wurde.
Marc Piollet, der diese Produktion schon vor über zehn Jahren bereits mehrmals geleitet hat, gelang mit dem sehr guten Volksopernorchester ein „Puccini-Sound“, den wir in der näheren Vergangenheit im Haus am Ring so schmerzlich vermisst haben. Dass in der Begeisterung fallweise die zarten Passagen etwas zu heftig ausfielen, könnte man vielleicht in den Folgevorstellungen etwas nachjustieren. Dank der stimmlichen Präsenz der Hauptakteure war allerdings die Gefahr des „Zudeckens“ zu keiner Zeit gegeben.
Kristiane Kaiser war eine Mimi, die Liebe und Verzweiflung stimmlich und darstellerisch auszudrücken vermag. Ihr schön klingender, sicher geführter Sopran erlaubte eine eindrucksvolle Rollengestaltung – erst im letzten Bild musste sie der erhöhten Lautstärke mit einigen schneidenden Tönen Tribut zollen.
Der Rodolfo wurde von Vincent Schirrmacher gemäß der Rollenanforderung sowohl als „jugendlicher Heldentenor“ als auch als „lyrischer Tenor“ angelegt und ist dank seiner kräftigen, flexiblen Stimme gut gelungen. Schauspielerisch erlebten wir einen berührenden, liebevollen und letztlich leidgeplagten Mann, der das Wohl seiner Geliebten über die eigenen Gefühle stellt.
Richard Sveda sang (nach etwas fahlem, klanglosem Beginn) mit schnörkellosem, angenehmem Bariton einen temperamentvollen Maler Marcel, der gemeinsam mit der artistisch und stimmlich toppfiten Anja-Nina Bahrmann als Musette ein sehr unterhaltsames Liebespaar abgaben. Die Streitereien wirkten wie aus dem realen Leben und brachten zusätzlichen Schwung ins Geschehen.
Die beiden anderen Freunde der Künstler-Wohngemeinschaft wurden von Daniel Ochoa (Schaunard) und von Stefan Cerny (Colline) – mit berührender Mantelarie – makellos dargestellt. Jeffrey Treganza und Daniel Ohlenschläger sangen und spielten die beiden Verlierer Benoit und Alcindor.
Diese gut gemachte und gut gespielte La Boheme beweist eindrucksvoll, dass es durchaus sinnvoll ist, in der Volksoper Werke anzubieten, die auch in der Staatsoper in sehr guten Produktionen gespielt werden. Die unterschiedliche Sichtweise der abbildenden Version von Franco Zeffirelli am Ring und der symbolisierenden Inszenierung von Harry Kupfer am Gürtel ist reizvoll; ob La Boheme in der Volksoper wirklich Deutsch gesungen werden soll, wagen wir zu bezweifeln – es holpert manchmal gehörig. Mag sein, dass Menschen, die nur fallweise in die Oper gehen, durch die Landessprache Vorteile bei der Verständlichkeit haben – uns exzessiven Besuchern tut der deutsche Text an manchen Stellen wirklich weh, bei Vorstellungen in dieser Qualität werden wir ihn aber zähneknirschend ertragen.
Maria und Johann Jahnas