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WIEN / Staatsoper: DIE ZAUBERFLÖTE

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Zauberfloete drei Damen
 
Fotos: Barbara Zeininger

WIEN / Staatsoper: 
DIE ZAUBERFLÖTE von Wolfgang Amadeus Mozart
Premiere: 17. November 2013 

Das war wohl die elementarste Enttäuschung seit langem. Was ist da eigentlich geschehen? Wurde man von der Papierform der Besetzung nicht gerade vom Hocker gerissen (aber jeder Direktor will dafür gelobt werden, sein junges Ensemble in einer Premiere einzusetzen, zumal einer so wichtigen), so hat man sich von dem Regieduo Moshe Leiser & Patrice Caurier doch einiges erwartet. Zwar hat man in Wien bisher nur ihren Züricher „Comte Ory“ im Theater an der Wien aufgewärmt gesehen, aber die Herren genießen allerorten einen guten Ruf und hatten mit der Bartoli beträchtliche Erfolge. Von ihrer „Zauberflöte“ war also Intelligentes, Originelles zu erhoffen. Am Ende stand man vor einer Aufführung, die an Ideenlosigkeit und dummen Einfällen einen ziemlich hohen (negativen) Rang einnimmt.

Seltsam schon die Ausstattung, die sich mit zwei Motiven begnügt: Die Vorderbühne (gelegentlich durch einen weißen Vorhang abgetrennt) gibt einen hellen „Zimmer“-Rahmen, dessen Streifenmotive jene des Bühnenportals des Hauses aufnehmen. Der Hintergrund, vor dem die Handlung die meiste Zeit spielt, wirkt wie eine Metallwand, rostbraun, gänzlich ohne Charakter, ein Tor in der Mitte. Es ist natürlich recht albern, wenn sich Tamino später vor Sarastros Tor „Wo bin ich?“ fragt und man ihm nur sagen könnte: Na, wo Du schon die ganze Zeit, von Anfang an bist… Nein, das Bühnenbild von Christian Fenouillat ist nicht nur spartanisch, hässlich und einfallslos, es sagt auch überhaupt nichts aus, zumindest nicht, was da gespielt wird.

Die Kostüme von Auguste Cavalca bieten alles, einen scheußlichen Fetzenkarneval für die drei Damen (Fliegerhaube, Zylinder oder Strohhut als Kopfbedeckung, viele Volants und Reste aus dem Fundus), unter dem schlicht gelben Anzug des Papageno ist kaum sein Federkleid zu erkennen, und es besteht nicht der geringste Grund, warum Monostatos vor einem solchen Normalmenschen erschrecken sollte („Das ist der Teufel sicherlich!?“). Er muss übrigens sein Glockenspiel immer in einer Kiste herumtragen, was höchst umständlich ist – am Ende, an einem Strick baumelnd (!), müssen die Knaben dem Papageno die Kiste hochhalten, damit er sich sein Weibchen herbeiklimpern kann… Das muss einem einfallen!

Weiter in der Optik: Ein Phantasiekostüm für Tamino (Kapuzenbluse, Pluderhosen in Stiefeln), ein Allerweltsblaues Kleid für Pamina, rotes Abendkleid für die Königin der Nacht, Jägeranzug für Sarastro, der mit einem geschossenen Hirschen über die Schulter auftritt… Mehr noch, der Mann, der über einen reizlosen Jägerchor gebietet, geht auf Stelzen (!), ein bisschen Fasolt (oder Fafner), das ist der „geordnete“ Gegensatz zur „emotionalen“ Königin der Nacht (Interpretation im Programmheft)? Die Dame darf sich allerdings nur bresthaft geben, meist soso dahinschleppen, dass sie gleich zusammenbricht. Ein Halbmond begleitet sie. Sag mir, was soll das bedeuten.

Kein Isis und Osiris, die gelegentlichen Pyramiden-Hüttchen auf der Bühne sind so mini wie das Gedankenkonzept dieser Inszenierung. Die sich auf das Wiener Volkstheater beruft und besonders viel Wert auf die – Geräusche legt. Es donnert und scheppert, man liebt Blitze und Feuer, es stinkt auch gelegentlich und bedeutet gar nichts. Es ehrt das Publikum nicht, wenn die Regisseure auf evidenten Blödsinn spekulieren und lautes Gelächter ernten: Warum bitte erscheinen die Begleiter von Monostatos in Wiener Polizei-Uniformen, um dann zu „Das klinget so herrlich“ Tutu-Röckchen hervorzuklappen und darin zu hopsen? War es doch schon dumm genug davor, zu Taminos „holder Flöte“, einen Menschenaffen, einen Braunbären und einen Eisbären (teils in Umarmung), einen Drachkopf (seitlich), ein Nashorn und zwei herumschießende Sträuße auf die Bühne zu bringen. Welch ein sinnloser Aufwand – aber wenigstens noch „Lustigkeit“ im Rahmen des Werks.

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Zauberfloete Papageno haengt
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Zauberfloete Sarastro, die zwei

Keine Ahnung, ob die Regisseure  Deutsch sprechen, aber ihr Gefühl für die Sprache und die Dialoge war jedenfalls mangelhaft, die Sprechszenen ausgesprochen langweilig, nicht auf den Sinn durchgearbeitet, Pointen verfehlend. Große „Ereignisse“ der Oper wie die Feuer- und Wasserprobe werden mit etwas farbigem Rauch (nur roter, den blauen spart man schon) gelöst, das Paar steigt in die Tiefe, kommt anderswo wieder hervor, der Chor steht herum und schaut in das erste Loch. Irgendwann hängt ein riesiger toter Hirsch, in giftig grünes Licht getaucht, von der Decke (nicht schon wieder „Warum?“ fragen!). Ganz am Ende, wenn Pamina und Tamino eine Silhouette vor einer kleinen, aus der Versenkung emporgequälten Sonne bilden, tragen sie übrigens Alltagskleidung: Ist das der Prozess der „Erwachsenwerdens“ dieser beiden Figuren, den die Regisseure ansprechen? (Im Programmheft lässt sich’s trefflich plaudern.) Abgesehen davon, dass sie imstande sind, „Die Strahlen der Sonne vertreiben die Nacht“ bei gänzlich halbdunkler Bühne singen zu lassen… welch ein Finale. Welch eine Inszenierung. Was bitte hat man da gesehen??

Christoph Eschenbach dirigierte. Es war ein verwaschener, teils schwammiger, immer wieder zu lauter Mozart ohne Feingefühl und Delikatesse, bei dem auch mehrfach die Kommunikation zwischen Orchestergraben und Bühne nicht stimmte.

Wenn man von den Sängern spricht, so muss man erwähnen dürfen, dass es an der Wiener Staatsoper eine edle Tradition des Mozart-Gesangs gab, die noch nicht vergessen ist, wenn auch in der Gegenwart nur noch vereinzelte Künstler daran anschließen. Aber eine so brav durchschnittliche und teils auch unterdurchschnittliche Besetzung wie diese  kann keine Begeisterung erwecken.

Gewiss, Chen Reiss als Pamina und Benjamin Bruns als Tamino sind einmal zwei sehr sympathische Erscheinungen. Sie singen auch sehr ordentlich – sie lässt manchmal technische Schwierigkeiten hören, bei ihm ist das Timbre nicht unbedingt Mozart-edel. Es funktioniert, aber mehr ist es nicht, auch von den Persönlichkeiten her, aber was hat die Regie schließlich mit ihnen gemacht? Nichts. Außer dass Pamina mit den drei Knaben durch die Lüfte fliegen muss – man kann nur sagen: Wer aus Angst vorm Fliegen aus dieser Produktion ausgestiegen ist, hat den besseren Teil erwählt.

Markus Werba ist ein netter Bursche, der sein Papageno-„Wienerisch“ kann, wenngleich er nicht besonders gut in der Rolle geführt ist (so unpräzise Pointen!), aber immer, wenn er den Mund aufmacht, möchte man ihn an die Volksoper schicken – er bringt höchstens Zweidrittel dessen an Stimme, was das Haus verlangt. Valentina Nafornita wirkt im Vogelgewand direkt unangenehm, später ist sie in ihrem kurzen Papagena-Auftritt entzückend, bevor man sie (und ihn) per Seil auch gleich in den Schnürboden hinaufzieht…

Zwei Hausdebutanten für die großen Antagonisten, wobei sich Brindley Sherratt wegen einer anrückenden Erkältung entschuldigen ließ, die ihn wohl schon ereilt hatte, weshalb das heisere Gekrächze durch alle Register der Sarastro-Rolle auch nicht beurteilt werden darf.

Für die Königin der Nacht holte man die junge Russin Olga Pudova, die in der ersten Arie versprach, was sie in der zweiten hielt: „Der Hölle Rache“ hatte dann jene klaren, spitzen Koloraturen, die hier vorgesehen sind. Übrigens: ein Dialog zwischen ihr und Chen Reiss wirkte akustisch dermaßen parodistisch, dass ihn Otto Schenk jederzeit in seine Opern-Sketche aufnehmen könnte.

Wo man sonst einen „Kavaliersbariton“ einsetzt, nämlich beim Sprecher, wirkte diesmal (und sehr überzeugend, bedenkt man sein fröhliches Naturell) Alfred Šramek, der sich dann als Zweiter Priester mit Papageno auseinandersetzte, während Benedikt Kobel als Erster Priester streng mit Tamino verfuhr. Thomas Ebenstein zeigte als Monostatos weder schauspielerisches Talent noch besondere gesangliche Eignung. Die drei Damen Olga Bezsmertna, Christina Carvin und Alisa Kolosova wirkten vor allem regiegemäß über-drüber-albern, und die beiden Geharnischten im Mantel, mit Hut und Brille (Marian Talaba und Dan Paul Dumitrescu) errangen keine besondere Wirkung. Und darüber hinaus schien es, als hätte man die drei piepsigsten Sängerknaben gewählt, derer man habhaft werden konnte…

Man weiß, dass „Die Zauberflöte“ dramaturgisch wirklich kein gutes Stück ist. Aber man kann sie retten. Und man kann sie auch noch schlechter machen, als sie ist. Das scheint in diesem Fall traurig gelungen.

Besonders provokant wirkt auf jemanden, der diesen Abend durchlitten hat (das Publikum natürlich nicht, es klatschte eifrig), die Schlusssequenz aus dem Interview mit den Regisseuren: „Es ist ein Souvenir [???] der Zauberflöte, dass man nach einer Vorstellung fast immer mit einem Lächeln aus dem Theater kommt. Mit einem guten Gefühl. Und das erhoffe ich mir auch für diese Produktion.“ Sorry. Mitnichten.

Renate Wagner

P.S. Im Programmheft gibt es wieder einen großen Bildteil mit Rollenfotos, was man an sich sehr schätzt. Allerdings geht es kunterbunt durcheinander, Sänger von ganz früher, früher und heute, auch die Rollen bunt gemixt, und vor allem in der Bedeutung nicht sorgfältig genug gearbeitet: Der erste Papageno, dem man bildlich begegnet, ist Russell Braun (wer war das nur?), der die Rolle 2002 dreimal gesungen hat. Heinz Holecek dagegen, einer der wienerischsten Papagenos je, der mit 115 Vorstellungen nach Erich Kunz Rekordhalter in dieser Rolle ist, fehlt. Wie kann so etwas bitte passieren?

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