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VENUS IM PELZ

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FilmPlakat Venus im Pelz~1

Ab 22. November 2013 in den österreichischen Kinos
VENUS IM PELZ
La Vénus a la fourrure  /  Frankreich  /   2013
Drehbuch und Regie: Roman Polanski
Mit: Emmanuelle Seigner und Mathieu Amalric

Hoffnungsfrohe Sado-Masochisten muss man gleich enttäuschen: Dieser Film von Roman Polanski bietet nicht schlüpfrig  die legendäre „Venus im Pelz“ von Alexander Sacher-Masoch mit ihren seltsamen Gelüsten und Ritualen – es ist ein Film über das Buch, geschickt in das Gewand eines aufzuführenden Theaterstücks gekleidet. Und wie ein Theaterstück auf der Leinwand behandelt: zwei Menschen, eine Bühne, die ganze Spannung muss einzig und allein daraus erwachsen. Das ist natürlich nur möglich, weil Meister am Werk sind.

Zuerst Roman Polanski selbst. Er ist ein Meister des hintergründigen Erotik-Films, und das ist hier gefragt. Wobei man eine Auseinandersetzung, die weder nackte Haut noch Sexszenen zeigt und dennoch prickelnd ist, vorbereiten muss. Etwa mit dem Schauplatz – ein altes Pariser Theater. Die Kamera führt hinein in einen leeren Zuschauerraum, eine verstaubte Plüschwelt. Das 19. Jahrhundert ist ganz nahe. Das 21. Jahrhundert ersteht in Gestalt eines müden, enttäuschten Regisseurs, der sich der anstrengenden Arbeit unterzogen hat, eine Darstellerin seiner Träume zu finden – und frustriert zurück geblieben ist. Mathieu Amalric macht das köstlich, und dass er Polanski geradezu erstaunlich ähnlich sieht – nun, das ist sicher kein Zufall.

Und dann kommt „sie“ in Gestalt einer nicht mehr jungen, etwas schusseligen und offensichtlich verspäteten Schauspielerin, die noch ihre Chance des Vorsprechens bekommen will. Emmanuelle Seigner ist seit einem Vierteljahrhundert Polanskis Gattin, eine Frau an die 50, von grob-erotischer Ausstrahlung und seltsamer Faszination, die wohl niemand besser als ihr Angetrauter auf die Leinwand bringen kann. Sie ist die weibliche Herausforderung, das weibliche Selbstbewusstsein, die weibliche Irritation, die des Mannes Macho-Pose unterläuft. Keine Frage, in dem „Kampf“, der sich nun entwickelt, ist sie die stärkere und genießt es, zahlreiche ganz verschiedene Seiten des weiblichen Wesens hervorzukehren. Ob auch nur eine davon echt ist, kann angezweifelt werden…

An die hundert Minuten gibt es nur die beiden, einzig auf dieser Bühne. Thomas, der Regisseur, will die „Venus im Pelz“ von Sacher-Masoch, die berühmt-berüchtigte Novelle von 1870, als Theaterstück herausbringen. Die Geschichte des Mannes (autobiographisch), der sich zum Sklaven der Frau machte und Spiele von Macht und Demütigung entwickelte –  mit ihr, seiner Herrin, von der er körperliche und seelische Qualen erbettelte. Die Dame, mit der er es unternahm, war seine Gattin Vanda. Dass die Schauspielerin auch Vanda heißt… Zufall.

Anhand des Sacher-Masoch-Textes, den Thomas mit Vanda liest und probt, entwickelt sich der Schlagabtausch der beiden, wobei sich die gegenwärtige Vanda immer wieder in jene des Buches verwandelt und Thomas als „Domina“ unterdrückt… Wobei Polanski da auch Pirandelleske Effekte einbringt – „spielen“ die beiden nur oder sind sie plötzlich die Vorbilder?  Immer wieder verrutschen die Ebenen: Ist die Vanda von heute ein Dummchen, wie sie anfangs erschien, oder eine Emanze, die das Spiel in Frage stellt? Gerade, dass man nicht immer weiß, woran man ist, hält die Spannung des Zuschauers wach.

Theater ist immer auch eine Psychoanalyse für jene, die es machen, und in gegenseitiger Herausforderung wollen die beiden jeweils wissen, was der andere tatsächlich denkt und empfindet. Sehnt sich Thomas im Geheimen nach Unterdrückung oder ist er, wie Regisseure so oft, der klassische „Täter“, der die Frau immer benützt, egal, was er ihr abverlangt? Ist nicht das Theater überhaupt eine Welt, wo ein Quentchen Sadomasochismus in allen Beteiligten steckt? Man kann, wenn man den Film als Paar besucht, noch lange darüber diskutieren… Sehr elegant, delikat und wieder mit höchster Könnerschaft, hat er das gemacht, dieser Roman Polanski. Wie gut, dass er nicht mehr im Gefängnis sitzen muss, sondern arbeiten darf.

Renate Wagner  

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