Oper Graz
Jules Massenet “MANON”
25.April 2015 Premiere
Koproduktion mit dem Theater Basel

Romantik auf dem Flughafen, Des Grieux sitzt auf dem später von Manon besungenen “Tischchen”
Keine Frage, er hat sich wohl eine Menge Buhs erspart, der Regisseur, als er gestern in der Grazer Oper nur seine smarten Damen aus dem Leading Team auf die Bühne geschickt hatte, allen voran Barbara Schröder, welche die szenische Einstudierung zu besorgen gehabt hatte.
Nein, der Regisseur, Elmar Görden war nicht entflohen – etwa frei nach Ringelnatz “nach Afri-od Ameriko” – nein, er waltete gleichzeitig am gestrigen Abend im Wiener Josefstadttheater, um ein, als und in erster Linie wohlbestallter Schauspielregisseur, sein doppelt ins Verdienen gebrachte Wesen zweizuteilen. Sie können im MERKEROnline auch schon die Meinung von unserer Frau Renate Wagner über sein dortiges Wirken lesen!
In der guten, manchmal auch gar nicht so guten sog. Alten Zeit wurde die Regiearbeit auf dem Opernsektor kaum beachtet oder bei bei besonderen Leistungen in der Personenführung entsprechend benotet. Auf die Idee einer totalen Verortung des Stoffes in andere Gefielde als jenen des Librettos ist man kaum gekommen.
Heutzutage sieht das so aus und da sind wir wieder im Grazer Opernhaus von gestern Abend: War die Grundidee gut, die Auslegung, die Deutung? Und wie führte der Regisseur sie aus, hatte er was an Konsequenz zu bieten, konnte er seine Personenführung danach, also an seiner Stückauslegung, durchziehen?
Das Ergebnis: Die Grundidee, die Manon auf einem Flughafen spielen zu lassen sah, bei aller Würdigung im Ergebnis leider aus wie ein abgeräumter Christbaum nach Heiligendreikönig. Was Anfangs noch als Gag einigermaßen zu ertragen war – romantische Liebe kennt keine spezielle Verortung und funktioniert eben auch auf bestreikten(?) Flughäfen, das verlor an Wirkung, je gewaltsamer die Szenen weiterhin in das Gelände dieses vertrackten Airports verpackt wurden. Ein Supermarkt mit Verkaufsshow, ein eher als Sektenkammerl verkommenes Teil samt Raucherkabinen, sogar ein improvisiertes Glücksspielgelände. Konsequent in der Durchfühgrung war er also, der Herr Regisseur. Und da im Getränkeautomaten sichergestellt war, dass niemand verdursten müßte, wurde die Manon ganz einfach durch Freitot aus ihrem Airport-Dasein erlöst. Was sich übrigens schon im ersten Bild ankündigte, wenn Manon (im Zeitalter der Düsenjets und der Handys auf dem Weg ins Kloster !!!) mit verbundenen Händen auftritt, also ihren Suizid wohl aus Protest gegen die verordnete Klostereinweisung bereits vorsorglich geübt hatte)
Trotzdem muß man Herrn Görden, auf dessen Erlösung aus der Romantik der französischen Oper wir schon sehnsüchtig gewartet haben, wenigstens konsequente Durchführung seiner Personenregie und – trotz manchem statischen Eindrucks – auch in der Führung des Chores und der Statisterie - zugestehen. Ob dabei aber auch gleich Guantanamo ins Spiel zu bringen war? Manon als Häftling mit Plastiksack über dem Kopf und in orangefarbener Häftlingskleidung?
Dirk Kaftan war hörbar mit den Grazer Philharmonikern bemüht, Leerläufe bei Massenet und bei der Regie gar nicht erst aufkommen zu lassen: Er peitschte das Orchester zu Klangmassen auf, die eher einem Verdi oder Puccini zustünden, als dem Duktus des Genres der französischen Oper. Nur das Hauptrollenpaar umschmeichelte er nachsichtig mit Massenets Klangkolorit. Immerhin war der finale Schrei von De Grieux etwas unpassend bereits tiefster Verismo.
Mit beinahe filigran wirkendem, leichtem Sopran gestaltete Julia Maria Dan die Titelpartie, ihre ganze Zerbrechlichkeit und Zartheit, aber auch Selbstsucht und Vergnügungslust brachte sie mit ihr über die Rampe, und dazu darstellerisch als richtiges heutiges Girlie mit sehr guter Figur und Aussehen. Der ihr so sehr Verfallene Chevalier Des Grieux, der geborene Marokkaner Abdellah Lasri wird noch in die Rolle wachsen müssen, er zeigte allerdings schon beachtliche musikalische Qualitäten und einen leichen, hübschen, lyrischen Tenor der manchmal, in den dramatischen Ausbrüchen, noch der körperlichen Stütze entgleitet.
Aus dem großen Hausensemble ragten besonders hervor: Der Comte Des Grieux, bös und ungemütlich und handgreiflich zu seinem Sohn, Wilfried Zelinka, der stimmlich präsente Lescaut des Ivan Orescanin, der markante Monfontaine des Manuel von Senden und die stets verläßlichen David Mc Shane und KonstantinSfiris als Brétigny und Hotelier. Vom Tanzpaar waren die optischen Vorzüge des Manon-Doubles Irena Panzenpöck sehenswert.
Fazit: Bilden Sie sich Ihr Urteil über diese Regiearbeit, das Paar Julia Maria Dan und Abdellah Lasri hat sich jedenfalls einen Besuch verdient.
Peter Skorepa
MERKEROnline
Fotos: Werner Kmetitsch/Oper Graz