PLACIDO DOMINGO IN VERDIS NABUCCO: VERDI-FEUER UND ALTERSWEISHEIT (18.Mai 2015)
Die Karriere von Placido Domingo ist wahrlich unvergleichlich. Nun setzt er Maßstäbe im Bariton-Fach. Und als Verdi’s Nabucco wird er mit Recht so gefeiert wie einst als Siegmund oder Cavaradossi. Allerdings mussten sich die Fans diesmal gedulden. Der spanische Sänger sagte erst für die beiden letzten Nabucco-Vorstellungen zu, stornierte auch das „Pop meets Opera“ mit Conchita Wurst – präsentierte sich jedoch am 18.Mai vokal in Bestform und wurde mit Enthusiasmus gefeiert. Eine zumindest musikalisch hochkarätige Aufführung bekam durch Placido Domingo das nötige Verdi-Feuer samt Altersweisheit. Grandios! Besonders eindrucksvoll die große Arie samt Chor-Stretta.
Der Dirigent des Nabucco war der Domingo-Landsmann Jesus Lopez Cobos – gediegen, routiniert und doch schwungvoll – das Orchester der Wiener Staatsoper wurde immer wieder gefordert. Man versteht, warum Giuseppe Verdi gerade mit dieser Oper im Jahr 1842 der Durchbruch gelang. Ausgezeichnet der Zaccaria des Michele Pertusi. Er forciert nie, hat die nötige Höhe und Tiefe – Belcanto in Reinkultur! Eindrucksvoll auch die Abigaile von Maria Ghuleghina. Mitunter zu scharf bei den Spitzentönen dieser fast unsingbaren Partie gibt sie doch ein berührendes Porträt einer Frau, die Macht gegen Liebe tauschen will. Die Tochter einer Sklavin triumphiert über Halbschwester und Vater, um dann in Verzweiflung zu sterben. Das geht unter die Haut! In jeder Hinsicht überzeugend waren auch Carlos Osuna als klangschöner Ismaele und Monika Bohinec als dramatische Fenena. Sie macht aus der Nebentolle eine Hauptrolle. Und auch die kleinen Rollen waren ansprechend besetzt: Il Hong als Bariton-Oberpriester des Baal, Jinxu Xiahou als Tenor-Abdallo und Simina Ivan als „dienende“ Anna.
Star des Abends war jedoch einmal mehr der Chor und Extra-Chor der Wiener Staatsoper (Leitung Thomas Lang) – der Gefangenen- Chor ist eben wirklich ein musikalischer Geniestreich einer Produktion, die im Grunde auch als konzertante Version aufgeführt werden könnte. Denn die Produktion von Günter Krämer aus dem Jahr 2001 (Bühne Manfred Voss und Petra Buchholz) ist wirklich ein Ärgernis. Stimmungslos, verbaut, sogar die Idee mit den „Such-Fotos“ ist aus Bregenz geklaut. Und nur die Partitur von Verdi hat dazu geführt, dass der Nabucco immerhin schon 70 Mal in dieser Version gelaufen ist. Aber was soll’s ? Das Publikum genoss Nabucco und feierte Domingo – wozu braucht man da noch eine plausible Inszenierung?
Peter Dusek