Dresden / Semperoper: ISABEL FAUST UND DAS DRESDNER FESTSPIELORCHESTER UNTER IVOR BOLTON BEI DEN DRESDNER MUSIKFESTSPIELEN – 17.5.2015
Das Dresdner Festspielorchester wurde 2012 gegründet, um im Geiste des legendären „Orchestra di Dresda“, das in den kulturellen Blütezeiten Dresdens vergangener Jahrhunderte immer die bedeutendsten Instrumentalisten der Zeit versammelte, dem Originalklang verschiedener Epochen nachzuspüren. In diesem Orchester musizieren auch jetzt Spezialisten für historische Aufführungspraxis aus den besten Ensembles für Alte Musik Europas, sehr gute Musiker mit Erfahrungen im Zusammenspiel eines Orchesters. Da sich aber die Musiker nur zur Festspielzeit treffen, ist es mitunter in so kurzer Zeit des Zusammenseins und Musizierens verständlicherweise schwierig, immer ein so konformes Klangbild und so perfekte Einsätze wie bei Orchestern, deren Musiker jahrzehntelang zusammen musizieren und aufeinander eingestimmt sind, zu erreichen.
Das Festspielorchester spielt auf alten Instrumenten mit historisch orientierter Aufführungspraxis und ohne Vibrato. Beim Debüt im Rahmen der Festspiele 2012 widmeten sich Bolton und die Musiker ausschließlich der Barockmusik, was ihrer Spielweise sehr entgegenkam. 2014 wagten sie sich an Beethovens “Missa Solemnis“ und die wiederentdeckte „Feuersnot“ von Richard Strauss.
In diesem Jahr standen bei der Eröffnungsgala und im Konzert in der Semperoper am 17.5. Kompositionen vom späten 18. Jh. bis Anfang des 20. Jh. auf dem Programm. Es war ein ungewohnter Orchesterklang. Mit großer Wahrscheinlichkeit spielten zu Beethovens Zeiten die Musiker oft noch auf alten Instrumenten, denn so schnell änderten sich die Gewohnheiten und materiellen Grundlagen in früheren Zeiten nicht. Damals wurde oft auch in kleineren Räumen musiziert, und die Komponisten waren ihrer Zeit oft weit voraus. Jetzt ist man verwöhnt und möchte jede Komposition möglichst authentisch erleben.
Die Konzert-Ouvertüre h‑Moll (op. 26) „Die Hebriden“ geriet mit diesem Instrumentarium und der Spieltechnik der Musiker relativ stumpf im Klang, was Bolton durch starke Kontraste, überbordendes Temperament und Lautstärke zu kompensieren versuchte, wobei auch manch schöne, gefühlvolle Passage anklang.
Die ersten 4 leisen Paukenschläge des an barocker Aufführungspraxis orientierten Paukisten und die Holzbläser wirkten in Ludwig van Beethovens „Konzert für Violine und Orchester D‑Dur“ (op. 61) eher befremdlich und führten kaum in Beethovens Gedankenwelt ein. Das änderte sich jedoch mit dem Einsetzen der Solovioline. Die Ausnahmegeigerin Isabel Faust nahm sofort mit ihrer besonders feinen Musizierweise vom leisesten, dennoch wahrnehmbaren Pianissimo und klangschönen Piano bis zum Mezzoforte sofort gefangen. Sie faszinierte mit ihrer transparenten, hellen Tongebung und ihrer besonders schönen, von der Pauke behutsam mitgestalteten Kadenz, die auch eine leichte Assoziation zu Beethovens „Egmont“-Ouvertüre“ weckte. Isabel Faust ist eine Künstlerin mit ganz speziellem Flair, die jeden Zuhörer mit ihrer Persönlichkeit in ihren Bann zieht, aber in ihrem Auftreten unspektakulär und unbedingt liebenswert ist.
Besonders im 2. Satz („Larghetto“) kam die Solovioline mit ihrem feinbesaiteten Spiel durch die Zurücknahme des Orchesters voll zur Geltung. Die zarten Töne konnten ausschwingen und die besondere Klangwelt sich entfalten. Die kurze Kadenz im 3. Satz nahm sie forsch und bewies damit ihre Vielseitigkeit und ihr spieltechnisches Können. Bewundernswert war nicht nur ihre besondere Tongebung, sondern vor allem auch die erstaunliche Klarheit jeder Note vom ersten bis zum letzten Ton.
Vom Publikum begeistert bejubelt, überraschte Isabel Faust mit einer besonderen Zugabe, dem „Sororoso“ von György Kurtág, eine Musik der Stille mit fast mehr Pausen als Tönen, verträumt in eine einsame Welt entgleitend. Sie verstand es, mit besonderer Hingabe und Einfühlungsvermögen diese Stille zu vermitteln und die Zuhörer mit hineinzunehmen in diesen Raum der Selbstfindung, der noch lange nachklang.
Mit der „Sinfonie Nr. 2 C‑Dur“ (op. 61) von Robert Schumann führte das Orchester unter Bolton mit Vehemenz, viel Temperament und dumpfen, wenn auch mit dem Orchesterklang konformen, Paukenschlägen wieder zurück in die laute Gegenwart. Hier spielte das Orchester in Harmonie, die Streicher mit einheitlichem Strich. Der 3. Satz „Adagio espressivo“ wurde langsam, leicht gedehnt, zu Gehör gebracht und klang sehr schön und gefühlvoll aus. Im 4. Satz orientierte Bolton dann auf schnelles Tempo und Effekte. Die Pauke „donnerte“ in der Musizierweise Alter Musik und lies vieles etwas derb erscheinen. Das Orchester spielte aber sehr einheitlich, laut und monumental und verlieh dem Konzert damit einen effektvollen Abschluss.
Ingrid Gerk