Baden: „FIGAROS HOCHZEIT“ – 22.11.2013 – Ein musikalischer Regisseur!
Wie man heutig, schön, gut und richtig Mozart inszeniert? Wer es nicht weiß und nicht glaubt, dass dies im Jahre 2013 ganz mühelos möglich ist, der sehe sich den „Figaro“ am Stadttheater Baden an. Der Regisseur ist niemand anderer als Robert Herzl, der künstlerische Leiter des Hauses, langjähriger Hausregisseur an der Volksoper und, jetzt Anfang 70, als alter „Theaterhase“ mit allen Wassern gewaschen, die fürs Musiktheater vonnöten sind, oder: mit allen Salben geschmiert, die dazu beitragen, Stücke als Ganzes, in Wort und Ton, mit Szene und Kostümen, Spiel und Tanz so auf die Bühne zu bringen, dass jeder Neuling sie versteht und der langjährige Opernbesucher sie spannend wie am ersten Tag findet.
„Figaro“ quasi als Kammeroper in deutscher Sprache mit gesprochenen Dialogen statt der Rezitative – das hat zur Abwechslung durchaus seinen Reiz. Da größtenteils Sänger mit deutscher Muttersprache im Einsatz waren (der holländische Figaro, der Cherubin mit rumänischem Nachnamen, der slowenische Basilio und die russische Barbarina haben an deutschen Hochschulen studiert), die noch dazu alle von der hervorragenden Dialogregie Herzls gewaltig profitierten, gerieten diese Szenen durchwegs lebendig und hatten viel Lacherfolg. Die neu übersetzten Gesangstexte konnten mit dem bewährten „Nun vergiss, leises Flehn, süßen Kosen“ oder „Will der Herr Graf ein Tänzchen nun wagen“ nicht mithalten, und dass „Frau Gräfin, vergebt mir“ das „Contessa perdono“ nie und nimmer ersetzen kann, muss wohl nicht extra betont werden.
Die Ausstattung von Pantelis Dessyllas beschränkt sich auf drei seitliche Soffitten links und rechts, die dann im Gartenbild einfach beseitigt werden, auf ein Doppelbett im Zentrum der Bühne, das schon während der Ouvertüre mit Leintuch, Decken und Polstern zubereitet und vom Grafen auf seine Tauglichkeit überprüft wurde, darüber hängend ein schön drapierter Baldachin und an der Vorderseite eine Sitzbank. Im 4. Akt wird das Bett zur Seite geschoben und dient auch da für allerlei Überraschungen. Alles ist hell und freundlich und für die unterschiedlichsten Aktionen tauglich. Cherubin etwa versteckt sich im 1. Akt einfach unter der Bettdecke oder Susanne verkriecht sich im 2.Akt, ehe der Graf sich Das Werkzeug für das versperrte Gemach holt, unter diesem Bett. Dessillas war auch für die schönen, stilvollen Kostüme zuständig. Es stimmte einfach alles, incl. der Choreografie von Michael Kropf.
Was kann man noch für Mozart tun, wenn man keine Weltstimmen zur Verfügung hat? Das führte der Dirigent Franz Josef Breznik, der musikalische Chef des Hauses, ganz wunderbar vor. Die Ouvertüre braust ganz revolutionär auf, wirkt vielleicht etwas zu robust, bringt aber Leben ins Haus. Im ganzen übrigen Stück beglückt die gute Balance nicht nur zwischen Bühne und Graben, sondern auch innerhalb der Arien, Szenen und Ensembles. Das Orchester der Bühne Baden spielte ausgezeichnet, mit Lust und Liebe, brachte den Humor, die Raffinesse und den Mozartschen Charme zu Gehör und unterstützte jederzeit die Sänger. Die Arie des Grafen im 3. Akt etwa mit dem gekonnten musikalischen Aufbau, sodass Breznik ein eigenes kleines Drama daraus machen konnte, sei als ein gutes Beispiel hervorgehoben. Zum Höhepunkt der Aufführung wurde – ganz ungewöhnlich, weil meistens eher ein ermüdenden Anti-Climax – der gesamte 4.Akt. Da hatten sich nicht nur alle Sänger freigesungen, sondern der Dirigent verstand es auch, die einzelnen Gesangsnummern bis zum krönenden Ensemblefinale wunderbar auszuformen, die pure Schönheit der Musik, aber auch die Doppelbödigkeit des ganzen Intrigenspiels fühlbar zu machen. Es war gesunder, stets lebendig pulsierender Mozart in durchwegs richtigen Tempi und Lautstärken bis hinein in die spannungserfüllten Generalpausen und das befreiende Finale, das letztlich alles offen lässt, aber dennoch Freude macht.
Unter den durchwegs ordentlichen Sängern stach das hochzeitende Paar hervor. Im 1. Akt stimmlich noch etwas gehemmt wirkend, entfaltete sich der hübsche Sopran von Jasmina Sakr und der wohlklingende Bariton von Frans Fiselier zu immer klangvollerem und souveränerem Gesang, der sich mit entsprechend gewandtem Spiel verband. Als Graf Almaviva war Reinhard Alessandri figürlich ideal, aber die recht kraftvolle Stimme ging nicht so richtig auf. Der Gräfin von Julia Kamenik fehlte einfach das reizvolle Timbre, das vor allem ihre beiden Arien zu besonderen Mozart-Juwelen machen sollte. Cristina Pasaroiu wird im Programmheft als Sängerin unzähliger Sopranrollen vorgestellt und konnte mit zu heller Stimme demnach als Cherubin zu wenig punkten. Eine köstliche Type von Dr. Bartolo stellte Jürgen Trekel auf die Bühne, während seine Bühnenpartnerin Elisabeth Reichart der Marzelline eine charakteristische Mezzostimme vorenthalten musste. Als umtriebiger Gärtner Antonio konnte Daniel Ohlenschlsäger gefallen und sein Töchterchen Barbarina wurde von Lisa Koroleva ganz reizend gesungen und quicklebendig gespielt. Matjas Stopinšek durfte als Basilio sogar die meist gestrichene Arie – mit seiner sehr ansprechenden hellen Tenorstimme zum Besten geben und Beppo Binder sich an der Gestaltung des stotternden Don Curzio delektieren, ebenso der Chor an seinen mannigfachen Aufgaben.
Alles in allem bereitete der Abend großes Vergnügen.
Wer sich nicht über abwegige Inszenierungen ärgern will, möge zu einer der letzten drei „Figaro“-Reprise (23., 28., 29.11.) nach Baden fahren.
Sieglinde Pfabigan