Quantcast
Channel: KRITIKEN – Online Merker
Viewing all articles
Browse latest Browse all 11208

MÜNCHEN/ Reithalle: DR FAUST jun. von Hervé

$
0
0

Faust-Parodie in München: „Dr. Faust jun.“ von Hervé (Vorstellung: 23. Mai 2015)

faust-junior-gaertnerplatz-premiere-104~_v-img__16__9__m_-4423061158a17f4152aef84861ed0243214ae6e7
Elaine Ortiz Arandes als Mephisto mit Reitgerte (Foto: Christian POGO Zach)

 In der Münchner Reithalle, eine der Ausweichspielstätten des Staatstheaters am Gärtnerplatz, dessen Generalsanierung immer noch andauert, kam in Kooperation mit der Theaterakademie August Everding und der Hochschule für Musik und Theater München „Dr. Faust jun.“ des französischen Komponisten  Hervé zur Aufführung, die unter dem Titel „Le petit Faust“ 1869 in Paris uraufgeführt wurde.

 Hervé (1825 – 1892), der eigentlich Florimond Ronger hieß, studierte bei Auber und begann als Organist. Er trat an kleinen Theatern als Sänger und Schauspieler auf und nahm den Namen Hervé an. Nachdem er ab 1848 zahlreiche Operetten und Opéras-bouffes herausgebracht hatte, betätigte er sich in Paris als Dirigent am Théâtre de l’Odéon und am Théâtre du Palais Royal und eröffnete 1854 sein eigenen Theater, mit dem er in Frankreich auf Tournee ging. Als seine besten Werke gelten Le petit Faust und Mam’zelle Nitouche. Man bescheinigt ihm die Originalität und Komik Offenbachs.

 Die Operette in drei Akten, deren Libretto Hector Crémieux und Adolphe Jaime verfassten, ist eine köstliche Parodie auf den hehren Klassiker, die sich als beißend komische „Offenbachiade“ über das Motiv des verdrießlichen Gelehrten entpuppt und eine spritzige, ins Ohr gehende Musik aufweist. Die Übersetzung der Gesangstexte nahm Stefan Troßbach, die der Dialoge Jean-Claude Risso vor.

 Die Aufführung in der Reithalle von München, die Rudolf Frey sehr humorvoll inszenierte,  begeisterte das Publikum insbesondere durch die temperamentvollen Tanzszenen (Choreographie: Beate Vollack) und den stimmgewaltigen Chor (Einstudierung: Felix Meybier). Es war toll mitzuerleben, mit welcher Spielfreude das junge Ensemble, das mit  vielen Studierenden besetzt war, agierte. Der Regisseur nützt auch geschickt die Größe der Reithalle und die Zuschauertribüne als Spielfläche. Eindrucksvoll inszeniert war die Schlussszene, als Mephisto das Hochzeitsfest als „bal infernal“ eröffnet, in dem das Brautpaar dazu verdammt wird, aneinander gekettet auf alle Ewigkeit zu tanzen.

 Der junge Tenor David Sitka – er war Mitglied der Regensburger Domspatzen  und sang auch an der Wiener Volksoper – konnte nicht nur stimmlich überzeugen, sondern bewies auch schauspielerisches Talent. Großartig die in Puerto Rico geborene Sopranistin Elaine Ortiz Arandes als Mephisto, die bereits seit Jahren zu den Stützen des Gärtnerplatztheaters zählt und im Vorjahr mit dem Titel Bayerische Kammersängerin ausgezeichnet wurde. Sie spielte ihre Rolle mit viel Humor und war einfach „teuflisch gut“!

 Die Rolle der Marguerite, Fausts Gretchen, wurde von der australischen Sopranistin Alexandra Flood gleichfalls sehr humorvoll gegeben. Sie erscheint als frivoler Cancan-Star und mimt in Anbetracht einer Vermählung mit Faust auf graziöse Art eine Unschuldige und Tugendsame. Ihren Bruder Valentin spielte der großgewachsene Tenor Maximilian Mayer, der seit 2013 im Zusatzchor der Wiener Staatsoper singt, übertrieben  militant. 

 Aus der Schulklasse des Dr. Faust, die am Anfang des Stücks für Turbulenz und Heiterkeit sorgt, zeichneten sich besonders die vier jungen hübschen Damen aus, die mit tänzerischer Leichtigkeit über die Bretter der Bühne huschten und dabei auch ihre Stimmbegabung unter Beweis stellten: die französische Sopranistin Sarah Mzali-Aristidou, die kanadische-griechische Sopranistin Andromahi Raptis, die brasilianische Sopranistin Victória De Sousa Real und die Mezzosopranistin Florence Losseau.

Ihre vier männlichen Studienkollegen waren der griechische Tenor Ioannis Kalyvas als Altmayr, der deutsche Tenor Stefan Thomas als Siebel, der deutsche Bariton Thomas Hohenberger als Brandner und der Bassbariton Niklas Mallmann als Frantz. 

Goethes_Faust_jun_Hochzeit
Das operettenhafte Hochzeitsbild (Foto: Christian POGO  Zach)

 Für den musikalischen Genuss des Abends sorgte das Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz unter der Leitung von Michael Brandstätter, das die köstliche Partitur des Komponisten mitreißend flott zum Besten gab.

 Das von dieser „Ausgrabung“ begeisterte Publikum in der restlos ausverkauften Reithalle belohnte am Schluss alle Mitwirkenden mit nicht enden wollendem Beifall.

 Udo Pacolt

Diese Seite drucken


Viewing all articles
Browse latest Browse all 11208