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WIEN/ Museumsquartier: JEPHTA – szenisches Oratorium von G.F.Händel – umjubeltes Gastspiel der Potsdamer Winteroper

Halle E im MuseumsQuartier: JEPHTHA – 24.5. 2015                                                  

Umjubeltes Gastspiel der Potsdamer Winteroper

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Magid El-Bushra, Katja Stuberr. Copyright: Stefan Gloede

 Die Potsdamer Winteroper zeigte im Rahmen der Wiener Festwochen ihre erfolgreiche Produktion Jephtha, die am 22. November 2013 ihre Premiere in der Friedenskirche von Sanssouci hatte.

Händels dramatisches Oratorium in drei Teilen (HWV 70) basiert auf einer  Richtererzählung des Alten Testaments (Ri 11,30-40). Jephtha wurde von seinem Stamm zum Anführer gegen die Ammoniter gewählt. Im Falle seines Sieges gelobte er Gott, das zu opfern, was ihm bei seiner Rückkehr zuerst aus seinem Haus entgegen kommen würde. Und das war seine einzige, bereits erwachsene Tochter. Zwei Monate beweint sie hierauf gemeinsam mit ihren Gefährtinnen ihre Jungfernschaft in den Bergen, danach wird sie, heimgekehrt, geopfert.                                                                                        

Dieser grausame Stoff eignete sich naturgemäß für eine dramatische Bearbeitung. Bereits Hans Sachs schuf eine solche 1555 „Der Jephte mit seiner Tochter“. Jakob Balde (1604-68) folgte 1634 mit seiner Tragödie “Jephthias“.

Zahlreiche musikalisch-dramatische Bearbeitungen in der Form geistlicher Opern oder Oratorien bezeugen die Beliebtheit des Stoffes. Händel selbst beendete die Arbeit an seinem Jephtha 1751. Das Libretto hatte Reverend Thomas Morell (1703-84) verfasst und darin Maurice Greens (1696-1755) Oratorium Jephtha von 1737 und George Buchanans (1506-82) „Jephthes sive votum“ (1554) in einer englischen Übersetzung verarbeitet. Am 26. Februar 1752 wurde es im Theatre Royal in Covent Garden uraufgeführt. Händels Sehvermögen hatte sich während seiner Arbeit an Jephtha rapide verschlechtert und so ist es auch nicht verwunderlich, dass er eine Vielzahl von Entlehnungen anderer Komponisten in seinem Oratorium verarbeitete. In mehreren Sätzen verwendete er etwa Messen des böhmischen Komponisten František Václav  Habermann (1706-83).

Anders als in der biblischen Vorlage erscheint bei Händel kurz vor der Opferung ein Engel und verkündet, dass selbst die Treue zu Gott kein Recht gibt, Menschen zu töten. Das Opfergelübde wird in die Verpflichtung zu ewiger Jungfräulichkeit umgewandelt.

Die in Berlin lebende US-amerikanische Regisseurin Lydia Steier hat Händels Jephtha gemeinsam mit dem Dirigenten Konrad Junghänel stark gekürzt und um Sprechtexte im Stil von Berthold Brechts „Lehrstücken“ ergänzt. Um auch ein junges Publikum anzusprechen, wird die Handlung in einem aus den Harry Potter Filmen sattsam bekannten Ambiente entwickelt. Elisabeth Vogetseder hat dafür eine lange Tafel in die Mitte der Halle E gestellt, sodass das Publikum zu beiden Seiten dieser Tafel der Aufführung beiwohnt. Ursula Kudrna kleidete die Schüler in schottisch gemusterte kurze Hosen und Röcke.

Christian Ballhaus tritt gleichsam als Rektor dieser Schule auf und hält seine Vorlesung, die mit einem kurzen Abriss der Ammoniter und ihre grausamen Kindesopfer, die sie dem Moloch lebendig darbieten, beginnt. Mit einem Overhead-Projektor werden entsprechende Abbildungen zur Unterbauung des Unterrichtes vorgeführt. Heißes Erz wird dabei in die Kehlen der Kleinen gegossen, das ihre inneren Organe verbrennt. Die Schüler sitzen zu beiden Seiten einer langen Tafel wie in Hogwarts und tragen alle Brillen, mit Ausnahme von Jephthas Tochter Iphis, die Hermine Granger ähnelt. Ihr schräg gegenüber sitzt ihr Freund Hamor, der Harry Potter in dieser Inszenierung.

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Lothar Odinius. Foto: Stefan Gloede

Lothar Odinius sang und spielte einen ergreifenden Feldherrn Jephtha, der jenes unheilvolle Opferversprechen Jahwe für seinen Sieg gelobte, mit ausdrucksstarkem, virilem Tenor.

Die schwedische Altistin Maria Streijffert trat als seine Gattin Storgè auf, die um das Schicksal ihrer Tochter bangt. Ihr warmer kräftiger Alt floss mit strahlte mütterlicher Fürsorge und Anteilnahme beruhigend dahin.

Katja Stuber war darstellerisch eine selbstbewusste Tochter Iphis, deren Sopran allerdings noch ein wenig unausgewogen und intonationsunsicher geführt wurde. Ihr Geliebter  Hamor wurde von dem in Khartoum (Sudan) geborenen Countertenor Magid El-Bushra spielfreudig verkörpert und glänzend gesungen. Raimund Nolte verlieh seinen behäbigen Bassbariton noch Jephthas Bruder Zebul. Als Deus ex machina wandelte der von Maria Skiba in höchsten Tönen gesungene Engel, dem etwas mehr Leuchtkraft zu wünschen gewesen wäre,  schließlich den Opfertod von Iphis in die Bürde ewiger Jungfernschaft…

Der Chor der Potsdamer Winteroper sang Händels Chöre mit Emphase und agierte ganz individuell, sodass jedes Mitglied des Chores eine eigene Facette trug.

Konrad Junghänel, ein Fachmann in historischer Aufführungspraxis, führte seine Potsdamer Kammerakademisten zu einem Abend voller barocker Seligkeit. Die Idee der Integration des Oratoriums in das Ambiente der Harry Potter-Filme gefiel dem Publikum und es bedankte alle Mitwirkenden und auch die Regisseurin mit lang anhaltendem Applaus, dem sich der Rezensent nur bereitwilligst anschloss. Bravo! Diese Produktion würde es jedenfalls verdienen, der Nachwelt als DVD erhalten zu bleiben.                

Harald Lacina                                                                 

 

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