22. XI., Gastspiel des St. Petersburg Festival Ballett in der Wiener Stadthalle „DORNRÖSCHEN“ – Ein kleiner Etikettenschwindel
Russlands wendigen Geschäftemacher dürften zur Zeit nicht nur mit Pussy Riot und Greenpeace und so manch anderen Gutmenschen ihre Probleme haben. Auch in der vormals so blühenden traditionsreichen Ballettszene muss man sich nun vor Säureattentaten in Acht nehmen, und mit dem ehemals so famosen Ruf der russischen Tanzkunst wird nun wohl gelegentlich ein kleiner Etikettenschwindel betrieben. Oder gar ein größerer, wie an diesem einen Abend
„Dornröschen“ mit dem St. Petersburg Festival Ballett in der Wiener Stadthalle? Wie es eher richtiger aussehen dürfte: Die Tänzer haben ihre Trainingsstätte nicht in der Ballett-Hochburg St. Petersburg, sondern eventuell irgendwo am Ufer der Wolga – in Samara vielleicht ? – bezogen. Und nicht von den großen Festivals wird diese Kompanie eingeladen, sondern das Management hat zur Zeit One-Night-Stands quer durch Deutschland arrangiert. Mit einem Abstecher nach Wien, in die Stadthalle. Und da diese Kurzfassung von “Dornröschen” auch nicht mit besonderer Liebe zu stilvollen Details erarbeitet wurde, wäre eine Begegnung mit diesem wunderbaren Märchenballett wohl eher in Spielstätten in Leoben oder Steyr zu erwarten gewesen. Dort wäre zu erleben: Vor allem die so klangschöne Tschaikowski-Musik, zwar von CD abgespielt, doch tänzerisch gut aufbereitet.
Bunter Kostümzauber in einer romantischen Waldlandschaft. Ein klein besetztes und durchaus solide auftretendes Corps. Die anonym bleibenden Solisten dürfen kein besonderes Charisma entwickeln, doch das liebe Rotkäppchen, der Gestiefelte Kater und das Weiße Kätzchen oder der Blaue Vogel, die kommen in den Augen der doch zahlreichen Kindern im Publikum recht gut an. Somit: Kein Festival – reifes “Dornröschen”, doch ein milder Abglanz davon. Nur um dem Angebot die richtige Etikette zu verpassen.
Meinhard Rüdenauer