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AUGSBURG: MACBETH. Premiere

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Augsburg: „Macbeth“ – Premiere am 30.05.2015

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Matias Tosi, Sally du Randt. Foto: Theater Augsburg

 Es ist noch keine zwei Jahre her, als ich von einer musikalisch hervorragenden konzertanten Aufführung des „SIMON BOCCANEGRA“ in Augsburg berichten konnte (online-Merker vom 08.12.2013, Heft 1/2014, S. 56). Die damals besonders hervorgehobenen Qualitäten der Augsburger Philharmoniker wie des Opernchores des Theaters Augsburg und die Homogenität eines großartigen Solisten-Ensembles unter der Leitung von Lancelot Fuhry kamen nun erneut bei einer Verdi-Oper zu glänzender Entfaltung: die Premiere des „MACBETH“ war zunächst einmal ein großes musikalisches Erlebnis, erneut getragen von den ausgezeichneten kollektiven Klangkörpern Chor und Orchester, erneut mit Flexibilität und Brio dirigiert von Lancelot Fuhry und besetzt mit großartigen Augsburger Solisten. Das gibt es in dieser Qualität selten und es soll zuerst lobend hervorgehoben werden, auch und besonders deshalb, weil über die szenische Seite der Aufführung nicht mit gleicher Euphorie berichtet werden kann.

Man spricht beim „MACBETH“ ja von drei Hauptrollen: dem Macbeth, der Lady und – den Hexen. Auch wenn ich diese etwas burschikose Gliederung nicht ganz teile, trifft sie doch den Kern der Sache insofern, als der Chor einen ganz wesentlichen Anteil an dem Abend hat. Und hier muss einmal konstatiert werden, dass dieser Chor, erweitert durch einen offensichtlich mit großer Kontinuität am Hause geförderten und gepflegten Extrachor, sich zu einem Klangkörper entwickelt hat, der alle Aufgaben in hoher Qualität bewältigen kann. Was im schwierigen Bereich der Moderne („Intolleranza“ z. B.) schon Bewunderung erregte, hat sich im Bereich der Klassik bestens bestätigt: nicht nur der bereits erwähnte „SIMON BOCCANEGRA“, sondern  auch der „LOHENGRIN“ der vergangenen Spielzeit und nun dieser „MACBETH“ beweisen, dass  Opernchor und Extrachor des Theaters Augsburg ein homogenes Ensemble von hoher Qualität sind, bestens studiert von der tüchtigen Chordirektorin Katsiaryna Ihnatsyeva-Cadek. Sie waren einer der großen Aktivposten dieser Premiere, ihre Klangfülle und Präzision, ihre Musikalität sicherten dem Abend zuvörderst einen besonderen Rang. Lancelot Fuhry hatte sie alle und natürlich sein Orchester, die wunderbaren Augsburger Philharmoniker, in sicheren Händen, sorgte im Orchester für Durchsichtigkeit und hohe technische Spielkultur, die eben auch heikle Stellen der Partitur (wie z. B. die sehr komplizierte Schlachtmusik im 4. Akt, in der ich schon „gestandene“ große Orchester in argen Nöten erlebt habe!) bravourös meisterten. Das war schon alles sehr gut, das soll erst einmal jemand besser machen, als es hier gewesen ist. Großes Bravo für beide Klangkörper und den Dirigenten.

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Dass Sally du Randt die Partie der Lady Macbeth würde hervorragend singen können, war schon nahezu eine Selbstverständlichkeit: ihre Musikalität und stupente Stimmtechnik prädestiniert sie geradezu für diese Aufgabe; dabei meisterte sie den kolossalen stimmlichen Umfang der Partie mit geradezu pastosen Tönen in der Alt-Lage ebenso wie mit ihren sicher perlenden Koloraturen, überzeugend nicht nur in der Attacke der dramatischen Höhepunkte sondern eben auch in der Beseeltheit ihrer Legatokultur und krönte das, was bei Verdi „Große Schlafwandelszene“ heißt (die dem Maestro ganz besonders am Herzen lag!) mit einem lupenreinen des‘‘‘. Eine großartige Leistung. Da sich der Sänger der Titelpartie, Matias Tosi, wegen Indisposition ansagen ließ, entzieht er sich einer kritischen Bewertung. Mit einer sehr guten stimmlichen Leistung konnte Vladislav Solodyagin als Banquo überzeugen, sein profundes Baßmaterial kam glänzend zur Wirkung, es war wohl die beste Leistung, die ich von ihm in den letzten beiden Jahren in Augsburg erlebt habe. Nicht zuletzt war es eine Freude und ein Genuß, erneut Ji-Woon Kim zu erleben, er gestaltete den Macduff mit großer Musikalität und sang seine Arie mit bewundernswerter Geschmeidigkeit. Sicher geführt auch der Malcolm von Christopher Busietta, sowie die Chorsolisten Andrea Berlet-Scherer (Kammerfrau der Lady), Eckehard Gerboth (Arzt) und André Wölkner (Diener). Sie alle sorgten für einen großen Opernabend, der, was die akustische Seite betrifft, lange nachhallen wird.    

Ich weiß ja nun wirklich nicht, was alle Regisseure so sehr am „MACBETH“ reizt, wenn sie ihm dann in erster Linie misstrauen. Und ich weiß auch nicht, wie lange sich Regisseure mit der Feststellung „mich interessiert daran besonders“ legitimieren dürfen, wenn das „Besondere“ dann nicht funktioniert. Lorenzo Fioroni, der in Augsburg bereits mit „CARMEN“ und „ELEKTRA“ erfolgreich war, wollte nun ein voneinander abhängiges Liebespaar zeigen, das sich – wie Kinder – an der Macht ergötzt und die dann notwendige Verantwortung nicht zu übernehmen in der Lage ist. Das mag ja interessant sein, es verniedlicht jedenfalls die Sache; wo es immerhin um Mord und Gewalt in Serie geht, wird kindischer Unfug getrieben. Ein König Duncan, der als überdimensionierter Teddybär ins Schlafgemach des Ehepaares Macbeth gebracht und dort dann (übrigens von der Lady, nicht von Macbeth – wie Verdi es vorsah) gemeuchelt wird, ist eine zumindest sehr gewöhnungs-bedürftige Ausgangslage für diese Geschichte. Dass Lady und Macbeth dann immerfort kopulieren, steht so auch nicht im Text und stieß – wohl auch wegen der hart an der Grenze des einigermaßen Erträglichen balancierenden Ausführung – auf deutliches Missfallen des Publikums, das sich seinen Unmut nicht bis zum Schlussapplaus aufsparte, sondern gleich mit deutlich vernehmbaren „Buhs“ Luft machte. Wenn ich mir auch denken kann, dass eine Groteske aus den Angeln läuft, so wurde meine Gutgläubigkeit am Schluss doch arg strapaziert, als der „Wald von Birnam“ in Form von kleinen Weihnachts-Tannebäumchen in Erscheinung trat und in der bereits erwähnten, von Verdi als außerordentlich wesentlich betrachteten Nachwandelszene der Lady der leibhaftige Weihnachtsmann auftrat (er sollte sich sogleich als der „Arzt“ entpuppen und bekam in der Gestalt der „Kammerfrau“ noch einen zweiten seinesgleichen) – kann ich, darf ich das ernst nehmen?  Mit Verlaub: ich fühlte mich verarscht und meine Gutgläubigkeit schlug um in Ärger, der dann nachträglich auch das im 2. Akt als Show-Einlage bzw. Zirkus-Attraktion inszenierte  Fest, das Macbeth gibt, fragwürdig erscheinen ließ. Der Chor der Schottischen Flüchtlinge, der wirklich sehr ergreifend und anrührend gearbeitet war, lief ins Leere – es fand ja keine Gewalt vorher statt, worüber beschweren die sich eigentlich? Macbeth ist in dieser Inszenierung kein Gewalt-mensch, kein Mörder, kein Verbrecher – sondern eine Karikatur, erscheint in Frauenkleidern als Transvestit bei den Hexen, gefällt sich in seiner Blödelei.

Eine Zuschauerin meinte in der Pause, es sei eben schade, dass man den Text nicht kennt, man könne ja nicht immer „da oben“ (Übertitelungs-Anlage) lesen, was gemeint sei. Ich denke, es funktioniert nur dadurch, dass man den Text nicht versteht, denn was gespielt wird, steht nicht im Text – auch und erst recht nicht im originalen italienischen, der gesungen wird. Und das ist das Handicap: die Sänger singen etwas anderes, als sie tun – leider ist das zu bemerken, man merkt, dass es nicht wahr ist, was sie sagen! Wahrheit aber wollte Verdi schon haben…

Schade, diese szenische Version ging daneben – gründlich daneben!

Werner P. Seiferth

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