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WIEN / Volkstheater: VOLKSTHEATER!

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VT Abschied vom Zuschauerraum xx~1 
Foto: Renate Wagner

WIEN / Volkstheater: 
VOLKSTHEATER!
Ein Ensemble-Abend mit Uraufführungen österreichischer Kurzstücke
Premiere: 12. Juni 2015 

Das war er also, der kurze (100 Minuten) Abend zum langen Abschied, die – das Pressebüro hat nachgezählt – 158. Premiere der Ära Michael Schottenberg. Zehn Jahre hat sie gedauert hat, vom September 2005, als er gleich die erste Erregung mit dem roten Stern lieferte, den er aufs Dach des Hauses setzte, bis jetzt, zum Juni 2015. Die „Nachrufe“ werden folgen – die Abschiedspremiere war zwar etwas uneben, aber doch ganz originell gedacht.

Ein Dutzend Kurzstücke österreichischer Autoren, acht „Klassiker“ (die dann noch am besten waren, wenn sie echten Humor zeigten) und vier Auftragswerke, von denen zumindest drei gänzlich schief gingen. Was aber auch kein Beinbruch war.

Das Publikum füllte diesmal nicht das Haus, sondern wurde in einer handverlesenen Schar (pro Vorstellung sollen es 160 Personen sein) auf eine Tribüne auf der Drehbühne verfrachtet, Blick in den Zuschauerraum. Vielleicht mit dem Gedanken im Hintergrund, sich auch davon zu verabschieden – denn die Nachfolgerin lässt das Haus umbauen, Parkett und Parterre werden nicht mehr „ganz normal“ gerade verlaufen, sondern bis zum Balkon sukzessiv hoch gebaut werden (ähnlich, aber radikaler wie die Tribüne im Ronacher, die allerdings nicht zum Stil des Hauses passt – was man vermutlich auch vom Umbau sagen kann, aber warten wir es ab).

Gespielt wurde aber nicht nur im Zuschauerraum, sondern auch auf dem Bühnenrand der Drehbühne, und da sich (das ist ein Event, oder was!) diese auch noch drehte, gab es vier verschiedene Blickwinkel für das, was da kurz, kürzest, komisch oder blöd ablief…

VT Bayer xx 
Konrad Bayers „die begabten zuschauer“
Thomas Bauer und Rainer Frieb
Foto: Lalo Jodlbauer

Eine schöne Einleitung war jedenfalls Konrad Bayers „die begabten zuschauer“, wo zwei Theaterbesucher (Rainer Frieb und Thomas Bauer) so flach und oberflächlich über das Theater parlieren, wie es allerorten der Brauch ist, in Wien vielleicht ganz besonders.

Ein bisschen aufwendig geblödelt wird, wenn Regisseur Andy Hallwaxx (der dem Haus als Schauspieler irgendwann verloren gegangen ist) für die „7 Aufzüge“, die das „Drama“ namens „Richard Wagner“ von Wolfgang Bauer hat, Till Firit (verkleidet als Cosima Wagner) und Jan Sabo (ganz blond gelockter Siegfried) durch den ganzen Bühnenraum jagt, ohne dass das Bauer-Geblödel definitiv lustig wird.

Wenn Doris Weiner allerdings zu einem Text von Peter Handke „Zugauskunft“ begehrt, dann schlägt die Stunde von Ronald Kuste: Wie er (in der Regie von Doris Happl) mit sächsischem Zungenschlag die verschlungenen Wege der Fahrpläne darlegt, ist eine komödiantische Meisterleistung ersten Ranges (und dass der Handke Humor hat… darauf wäre man ja eigentlich nicht gekommen).

Elfriede Gerstl schickt vier Damen (in der Regie von Anselm Lipgens) in die „Stehbar quickie“ und lässt sie so viel banalen Unsinn über Männer quasseln, dass man jene beneidet, die frauenlos geblieben sind – Babett Arens und Alexandra Maria Timmel, Inge Altenburger und Johanna Mertinz stellen hinrlose Weiblichkeit gnadenlos aus, und Tany Gabriel als Kellner kann sich nur wundern…

VT Gerstl xx 
Elfriede Gerstl: “in der stehbar ‘quickie’. Babett Arens, Tany Gabriel, Alexandra Maria Timmel
Foto: Lalo Jodlbauer

Ein starkes Stück, winzige Flashlights aus einem Eheleben, bietet Gustav Ernst: „Franz und Maria“ hat „18 Bilder“, aber jedes besteht nur aus ein, zwei Sätzen, sukzessiv Hoffnungslosigkeit eines Ehelebens aufdröselnd. Matthias Mamedof hat Suse Lichtenberger an seiner Seite, die ihre Sache sehr gut macht – aber man wundert sich doch, wie es kommt, dass zur letzten Premiere des Hauses Leute eingesetzt werden, die dort eigentlich fremd sind…

Der Ernst Jandl- „Klassiker“, die ewig witzigen „humanisten“, seine Infinitiv-Sprachspiele, haben in Thomas Kamper einen ausreichend präzisen, in Haymon Maria Buttinger leider keinesfalls solchen Interpreten.

Ganz kurz und nicht erkennbar sinnvoll wird bei Elfriede Jelinek in den „Wald“ gerannt, und damit ist Tür und Tor für die Novitäten geöffnet, die nur von einem sarkastischen Thomas Bernhard-Dialog („A Doda“) unterbrochen werden, von Babett Arens scharf mit Ronald Kuste und Matthias Mamedof in Frauenkleidern inszeniert, wobei sie so echt wirken, dass der „Charleys Tante“-Effekt sich gar nicht einstellt – sondern nur die grenzenlose Absurdität der Situation…

Machen wir es kurz: Die Auftragsarbeiten sind im Fall der Damen-Beiträge -  „Seele von einem Menschen“ von Julia Rabinovich, „Geschichten vom Kind“ von Gerhild Steinbuch – nicht nur schwach, sondern schlechtweg misslungen. Das „Versprechen für die Zukunft“ von Thomas Arzt ist eine reine Peinlichkeit, seine belehrend ins Publikum gesprochenen Überlegungen zum Thema „Volk“ hat er wohl irgendwann in einer linken Volkshochschule aufgeschnappt und nie verarbeitet.

Am Ende noch eine ganz witzige Zukunftsvision, wo die Adresse „neustiftgasse 1“, ein ehemaliges Theater (das, in dem man gerade sitzt, das versteht sich), an ein junges Ehepaar vermietet werden soll, das allerdings reklamiert, dass es hier keine Badewanne gibt… Autor Volker Schmidt sagt da manch Sarkastisches – und so exzellent Günter Franzmeier auch in der Rolle des Immobilienmaklers ist, hier hätte man sich doch gewünscht, dass Michael Schottenberg zum Abschied selbst auf die Bühne gegangen wäre. Dann hätte die Schlusspointe – „Der Stern am Dach? Der kommt weg, kein Problem!“ – noch mehr Würze und auch ein bisschen Traurigkeit gehabt.

Renate Wagner

VT Letzter Applaus xx~1
Der letzte Applaus    Foto: Renate Wagner

VT Der Stern xx~1   Schotti vor VT

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