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STUTTGART/ Liederhalle: 1. SINFONIEKONZERT STAATSORCHESTER: ERLÖSUNG – Joseph Haydn

1. SINFONIEKONZERT STAATSORCHESTER STUTTGART: EINE ERREGENDE COLLAGE – 24.11.2013

1. Sinfoniekonzert “Erlösung” des Staatsorchesters Stuttgart in der Stuttgarter Liederhalle/STUTTGART

Sylvain Cambrelings “Konzert-Komposition” als subtile Bearbeitung von Joseph Haydns auch als Streichquartett bekanntem Werk “Die sieben letzten Worte des Erlösers am Kreuz” verbreitete im Beethovensaal der Stuttgarter Liederhalle eine elektrisierende Wirkungskraft. Hier fiel nicht nur die subtile Instrumentation von Haydns Orchesterkomposition von “Die sieben letzten Worte des Erlösers am Kreuze” positiv auf, sondern die geradezu aufregende Verbindung mit Olivier Messianes “Et Exspecto Resurrectionem Mortuorum” für Bläser und Schlagzeug sowie Martin Mosebachs “Das Tuch” als einfallsreicher Zwischentext für eine Schauspielerin und einen Schauspieler, intensiv gesprochen von den beiden Schauspielern Svenja Liesau und Peter Kurth. Flageoletts und Pizzicati verbreiteten gerade bei Haydn zwischen Glissando- und Tremolo-Passagen eine irisierende Wirkung. Das Staatsorchester Stuttgart musizierte unter der emotionalen Leitung von Sylvain Cambreling wie aus einem Guss – bei den glühenden Klangfarbenspielen Messiaens erschien der Tod auch als etwas überaus Schreckliches. Das rhythmische Pulsieren und die Ostinato-Effekte entwickelten sich hier immer intensiver und geheimnisvoller, insbesondere bei den drei gewaltigen Schlägen. Die monumentalen Fortissimo-Töne des Tamtams taten ein Übriges, um den musikalischen Fluss ständig in Bewegung zu halten und die Stimmung anzuheizen. Gregorianische Elemente wurden ebenfalls immer präziser herausgearbeitet – bis hin zu einem strahlkräftigen Oster-Halleluja. Engel und Sterne schienen sich dabei tatsächlich zu vereinigen. Dazwischen erklang immer wieder höchst eindringlich Cambrelings universelle Raummusik von  “Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze”, wobei moderne Streichertechniken wie col legno reizvoll hervorstachen. Sylvain Cambreling machte mit den im Beethovensaal postierten Streichergruppen vor allem den facettenreichen Meditationscharakter von Joseph Haydns Komposition deutlich. Dazu gehörte die stumme Vergegenwärtigung der Worte Jesu mit ihren dynamischen klanglichen Kontrasten. Tonart, Tempo und Form wurden hier vom exzellent musizierenden Staatsorchester Stuttgart ausgewogen herausgearbeitet. Dabei stach der sanfte und fast idyllische Es-Dur-Dialog mit der Mutter und dem Jünger nuancenreich hervor. Sehr großen Wert legte Cambreling auf die thematische Verarbeitung der einzelnen Motive und Strukturen, die sich aus sich selbst heraus zu entwickeln schienen. Martin Mosebachs Text passte dazu wie angegossen: “Was geschieht mit dem Körper eines Gekreuzigten?” Dies konnte man in der klug präsentierten Verbindung von Haynds und Messiaens Musik gut nachvollziehen. Wie kunstvoll Messiaen beispielsweise das traditionelle metrische System mit kurzen Notenwerten auflockerte, wurde aufgrund der transparenten Wiedergabe des Staatsorchesters ausgesprochen facettenreich deutlich. Ostinate Schichtungen nicht umkehrbarer Rhythmen, die Melodiebildung nach Modellen des Gregorianischen Chorals und die Verdichtung der musikalischen Struktur bis hin zur Undurchhörbarkeit gehörten zu den weiteren Höhepunkten dieses aussergewöhnlichen Konzerts. So ergab sich auch ein differenziertes durchdachtes Konzept der Beziehungen zum Text: “Das Bild auf dem Tuch wurde neu geboren…” Eine weitere Passage des Textes weckte Assoziationen zur musikalischen Struktur: “Kein Teil des Rückens sollte unverwundet bleiben…” Und die Ursprünge der seriellen Musik meldeten sich bei Messiaen wiederholt zurück, weil Cambreling jedes harmonische Detail genau betonte. Die ruhige Kraft von Haydns Musik kollidierte dabei mit den revoltierenden Schreckensszenarien Messiaens, dessen tiefe Blechbläsereinsätze wiederholt durch Mark und Bein gingen. In der Begegnung dieser ungeheuren Gegensätze lag das faszinierende Merkmal dieser Aufführung.

 Alexander Walther

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