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FRANKFURT: JULIETTA von Bohuslav Martinu. Premiere

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Frankfurt: Julietta/ B.Martinu  21.6.2015  Premiere

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Kurt Streit. Foto: Barbara Aumüller

 Auf der zentralen Bühne stehen fast immer Dominosteine, die meisten wie auch die Hauptfigur Michel können Domino aber gar nicht spielen. Die absurde Lyrische Traumoper desTschechen Bohuslav Martinu (1890-1959), 1838 in Prag uraufgeführt, zählt mit der ‘Griechischen Passion’, die ihn berühmt gemacht hat, zu den nur Insidern bekannten Musiktheaterwerken. Die anderen werden heute kaum noch aufgeführt. Martinu versuchte wie viele Komponisten seiner Zeit, neue Medien in der Oper abzubilden. “Julietta” beruht musikalisch großteils auf der in den 20er Jahren aufgekommenen Neuen Sachlichkeit, Martinu reichert sie mit Musicalelementen (Cole Porter) oder Traum-Absurditäten wie bei Poulenc oder dann in Messiaens Musiksprache an. Durchgehend verbleibt sie aber in erweitert tonalen Gefilden. Einen wirklich interessanten Stoff fand Martinu in dem Drama Julietta von Georges Neveux, das von Skurrilität und absurden Träumen geradezu strotzt. Der Pariser Bibliothekar Michel kehrt nach drei Jahren in eine Stadt am Meer zurück, um eine Frau wieder zu treffen, die damals vom Balkon herab ein Lied für ihn gesungen hatte. Die Suche nach ihr gestaltet sich aber schwierig, da alle Stadtbewohner ihr Gedächtnis verloren haben. Als er endlich den Liebesgesang der Frau wieder hört, verabredet er sich mit ihr im nahegelegenen Wald. Als sie dort endlich nach drei Vorbot(inn)en erscheint, ergibt sich plötzlich ein Missverständnis zwischen ihnen wegen angeblicher gemeinsamer Erinnerungen, die ein Verkäufer von Erinnerungen zum besten gibt. Die Frau gibt ihm darauf einen derben Laufpass, und er feuert vermeintlich mit einer Pistole auf sie. Die Stadtbewohner wollen ihn sofort verurteilen, es gelingt ihm aber mit Geschichten ihre Erinnerung an den Vorfall gleich wieder auszulöschen. Von der Frau im Wald wird nur der Schleier gefunden.

Michel will mit dem nächsten Schiff abfahren und hat schon fast selbst seine Erinnerung an die Frau verloren. Im letzten Akt will er aber im Zentralen Traumbüro, in dem man Träume bestellen kann, die Fortsetzung seiner Geschichte mit der Frau beantragen. Da stellt er fest, daß “Julietta” gerade von 3 anderen Aspiranten ‘gebucht’ wird. Er wird darauf hingewiesen, dass er das Büro wegen Schließung zu verlassen hat, da er sonst in der Endlosschleife seines Traumes wie andere vor ihm verbleiben würde. Hinter einer Tür hört er noch einmal die Stimme seiner Julietta, die ihn zu sich ruft.

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Juanita Lascarro. Foto: Barbara Aumüller

 Florentine Klepper hat dies in eine sehr bunte, ganz realistische Inszenierung umgesetzt, die die Vorkommnisse weitgehend angemessen wiedergibt. Den Rahmen gibt ihr dazu die nur leicht modfizierte Einheitsbühne von Boris Kudlicka, die eine große Eingangshalle eines Hotels zeigt, links mit kleiner Gastronomie, zentral große Spielfläche, dahinter die Traumlounge des Waldes aus Palmenblättern und Gräsern, die später nach vorne fährt, darüber noch ein oberes Stockwerk, aus dem Julietta singt oder in dem beobachtende oder ‘kommentierende’ Statisten plaziert sind, und die sonst durch Vorhänge verschlossen bleiben. Rechts noch die Rezeption mit Schüsselkasten und Ausgänge. Das Ganze in sehr gediegenem Stil und z.T. mit Edelholz verkleidet. In den Kostümen ist auch große Vielfalt, Michel in eher derber Reisekleidung, Julietta in einem eleganten gelben, später lila Kleid, die Bewohner ganz unterschiedlich je nach ihren jeweiligen Funktionen ausstaffiert. Die Chordamen auch ganz elegant und in der ‘Gerichtsszene’ mit einem hellen und einem schwarzen Strumpf an den Beinen, wenn sie um Michel herumeilen (Kostüme: Adriane Westerbarky).

 GMD Sebastian Weigle persönlich hat das Dirigat übernommen. Alle musikalischen Idioms werden sauber musiziert und mit der nötigen Verve im Graben gespielt. Dabei fällt aber auf, daß die Handlung oft grotesker als die meist ‘sachlich’ verbleibende Musik ist, bzw. auch interpretiert wird. Der klangschöne Damenchor ist von Markus Ehmann auf hohem Niveau einstudiert. Den Beamten im Traumbüro  und Nachtwächter gibt tenoral süffisant  und unschlagbar Michael McCown. Die Fischverkäuferin, den 3.Herrn und den Handleser singt Maria Pantiukhova mit russisch charakterisiertem Mezzo. Vogelverkäuferin und zweiter Herr ist Marta Herman, auch ein klangreicher Mezzosopran. Die Alte Dame/Frau singt Judita Nagyova und komplettiert damit ein Mezzosopran-Terzett. Magnus Baldvinsson tritt als Alter Araber, Alter Mann und Alter Matrose mit seinem dunkel timbriert rauhem Baß auf. In sogar 4 Rollen kann Nina Tarandek brillieren, nämlich als Kleiner Araber, erster Herr, junger Matrose  und besonders als Hotelboy, indem sie den Mezzosopranen noch eine ‘kroatische’ Note hinzufügt. Auch ganz auffallend charakterisiert und mit voluminös präzisem, dabei expressivem Baß tritt Andreas Bauer als Mann am Fenster und  Sträfling auf. Mit schön placiertem lyrischem Bariton singt Boris Grappe den Mann mit dem Helm, Altvater ‘Jugend’, den Verkäufer von Erinnerungen sowie den blinden Bettler. Nicht wie Daud, als der er hier vor kurzem heroisch um die Ägyptische Helena warb, tritt Tenor Beau Gibson in eher prosaischen Rollen als Kommissar, Briefträger, Waldhüter, ja sogar als Lokomotivführer auf. Eine Rolle mit enormen Herausforderungen ist der Michel, der von Kurt Streit mit wie gemeißeltem, dabei schönstimmigem Tenor gemeistert wird. Die im Vergleich dazu nur mit drei Auftritten knapp bedachte Titelfigur Julietta der Juanita Lascarro kann sich mit ihrem ausladend dunkel timbriertem Sopran auch gesanglich in angemessene Szene setzen.                           

 Friedeon Rosén

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