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WIEN / Staatsoper: RIGOLETTO

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Rigoletto Szene 
Fotos: Wiener Staatsoper / Pöhn

WIEN / Staatsoper: 
RIGOLETTO von Giuseppe Verdi
9. Aufführung in dieser Inszenierung
26. Juni 2015 

Es ist dies die zweite Aufführungsserie des bei der Premiere am 20. Dezember 2014 so extrem glücklosen „Rigoletto“ der Wiener Staatsoper. Simon Keenlyside wird dieser Inszenierung vermutlich nie wieder in die Nähe kommen, den prominenten Einspringer verlor man aus tragischem Anlaß (wobei ihm nur das Allerbeste zur Genesung zu wünschen ist), ein offenbar sehr ordentlicher Ersatz wurde gefunden – und für die beiden letzten Aufführungen besann man sich darauf, dass man eigentlich einen Sänger hat, der die Premiere rettete und in der ersten Serie dann als „Notnagel“ fungieren durfte.

Nun, jetzt „darf“ Paolo Rumetz einmal (bzw. zweimal) als er selbst, in seiner Eigenschaft als Ensemblemitglied den Rigoletto singen – aber unter welchen Umständen? Wenn er in den Endproben der „Rigoletto“-Aufführung für Klosterneuburg steckt (Premiere schon nächsten Samstag!) und vermutlich „am Zahnfleisch geht“, wie man in Wien so schön sagt. Unter diesen Umständen war seine Leistung dann besonders bemerkenswert, wenn er auch sicher ohne die Nebenbelastung noch etwas mehr Kraft zur Verfügung gehabt hätte.

Rigoletto ist eine Rolle, die Rumetz doppelt liegt. Vor allem hat er die klassische Stimme eines italienischen Baritons, zumal fürs Verdi-Fach, mit einer breiten, wohltönenden und in seinem Fall schön dunkel timbrierten Mittellage. Und er verfügt über die Technik und die Erfahrung, mit allen Schwierigkeiten der Rolle relativ problemlos umzugehen. Außerdem ist er von seiner Physis her ein Rigoletto im klassischen Sinn (und auch richtig für Amonasro, Germont, Boccanegra, Jago oder Falstaff, um nur die Rollen zu nennen, für die er idealerweise wieder einmal „einspringen“ könnte…).

Rumetz mit Morley 
Paolo Rumetz, hier noch mit der Premieren-Gilda

Natürlich versucht er gar nicht, die exzentrisch-psychopathische Studie zu bringen, die Keenlyside für die Rolle angelegt hat (und der „kann“ so etwas natürlich), Rumetz ist kein „Täter“ (es scheint ihm regelrecht schwer zu fallen, wenn er laut Regie gegen die Tochter gewaltsam sein muss), sondern ein bedauernswerter Mann, der versucht, sich an diesem entsetzlichen Hof durchzuschlängeln und zu Hause mit seiner Tochter glücklich zu sein. Das Opfer derer, die stark, rücksichtslos und niederträchtig sind.

So war er sein eigener Rigoletto, der beim Publikum viel Zustimmung fand, auch für die stimmliche Leistung – dass er mehrere Spitzentöne gar nicht sang (darunter auch den letzten), erfreut nicht gerade, aber da wägt die Erfahrung wohl Risiken ab und entscheidet: Die Doppeldosis „Rigoletto“ zwischen Staatsoper und Klosterneuburg ist ja nun auch eine besondere Härte.

Die Überraschung des Abends war das Rollendebut von Hila Fahima als Gilda. Bei der Premiere durfte sie noch die paar Töne des Pagen der Herzogin zwitschern (nun in der Kehle von Bryony Dwyer) – und offenbar ist sie für die Staatsoper innerhalb eines halben Jahres zur Gilda gereift. Zuerst: ein Hingucker, wieder eine der Schönheiten aus der Meyer-Auslese (Typ: Sparkling Jewish Princess), aber auch ein idealer Gilda-Typ, das zarte junge Mädchen mit den tiefen Gefühlen.

Aber es ist die Stimme, die ehrlich beeindruckt, ein heller, schöner, leichter Koloratursopran, der in den höchsten Lagen nicht schrillt, sondern leuchtet – wenn sie ihn leicht führt und nicht forciert, was ihr dann auch immer wieder passiert (aber es war offenbar ihre erste Gilda überhaupt!). Leider wirkte sie am Ende des Abends schon leicht angestrengt, so dass ihr (typisch Verdi-überirdisch-schönes) Sterben nicht ganz so ätherisch in den Himmel strebte, wie sie es zweifellos auch kann. Dennoch – das hörte sich nach einer Entdeckung an. Und nach einem Potential, dem man eine große Karriere zutraut, wenn sie klug vorgeht. Das Publikum schloß Hila Fahima jedenfalls geradezu stürmisch ins Herz.

In das Regiekonzept des Herzogs als eine Art von jungem, rücksichtslosem Mafioso passte Saimir Pirgu (auch vom Alter her) um einiges besser als der Premierensänger, und er hat sich voll hineingestürzt, die langen Haare, schwarze, eng anliegende Leserhosen, das triumphierende Lachen des potentiellen Siegers, der nicht eine Sekunde an sich zweifelt – alles da.  Allerdings hat er sich, mit seiner stärker und vor allem metallischer gewordenen Stimme, angewöhnt, vordringlich in aggressivem Forcieren unterwegs zu sein – das ging bei nahezu allen, wie wild gepressten Spitzentönen schief, da ist, auch wenn sie „richtig“ sind (wobei Pirgu durchaus zum Distonieren neigt), schlechtweg Missklang zu orten. Selten genug versuchte er sich in schmelzendem Mezzavoce, allerdings nicht bei der „Bella figlia“ und dem Quartett. Man fragt sich, wo er mit dieser rabiaten Dramatik hin will – welche Rollen kann er denn mit noch nicht Mitte 30 erreichen wollen, die er noch nicht singt? Der Herzog könnte außer Effekten (die dann, siehe Spitzentöne, schief gehen) durchaus etwas mehr Sorgfalt und Dolcezza vertragen…

Dass die Maddalena absolut keine Edeldame ist, ist bekannt, aber sich dermaßen nuttig-überdreht aufzuführen wie Margarita Gritskova es tut, ist gänzlich unnötig. Sie kann immerhin mit ihrem schönen Mezzo punkten, mit ihrem Aussehen (auch Meyer-Auslese vom Feinsten) sowieso, warum also nicht etwas gezügelter, sprich: geschmackvoller?

Hingegen ist Ain Anger – das ist geradezu seltsam festzustellen – wie sein Vorgänger durch diesen blöden Studentenlook, in den er gekleidet ist, daran gehindert, den gefährliche „Bravo“ aus Burgund glaubhaft zu machen, den seltsam „ehrenhaften“ Mörder mit der dunklen Stimme. Die hat Anger wenigstens, aber er war schon überzeugender als hier.

Mit der Besetzung der Nebenrollen hat man sich weitgehend (nicht bei der Gräfin Ceprano, diesmal Simina Ivan) an die Premierensänger gehalten – sie müssen ja auch ein wirklich grandioses Regiekonzept erfüllen: Sorin Coliban, der den Monterone so machtvoll flucht und dafür auf der Bühne umgebracht wird, Mihail Dogotari als reger Marullo, Marcus Pelz als hämisch-rachsüchtiger Conte di Ceprano (kann man es ihm verdenken?) und Donna Ellen als Giovanna.

Nicht nur, dass man es hier mit einer besonders hilflosen Inszenierung zu tun hat (vor allem die Entführungs-Szene ist hanebüchen, selbst wenn man zugesteht, dass sie schon vom Libretto her fast – fast! – ein Ding der Unmöglichkeit ist) – sie findet auch noch in einer besonders hässlichen, in keiner Weise je sinnstiftenden Ausstattung statt. Wieder einmal ein Unglücksabend, der aber – wie man sah – von den Sängern gerettet werden kann. Und vom Dirigenten, obwohl Evelino Pidò vordringlich durch das Werk raste (mehr als einmal schlechtweg zu schnell) und vordringlich laut (zu laut auch für die Sänger) war. Also keine Feinarbeit. Aber wirkungsvoll. Sehr viel Applaus aus dem nicht ausverkauften Haus (was täten wir ohne die Japaner, die ganze Reihen füllen…).

Renate Wagner

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