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DORTMUND/ Opernhaus: SAUL – szenisch. Dernière mit zwei Dortmunder Bühnenabschieden

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Dortmund Opernhaus „Saul“  Dernière am 26. Juni 2015 mit zwei Bühnenabschieden

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Granville Walker. Foto: Jugendchorzentrum

 Wenig überraschend gab es am Opernhaus Dortmund in den vergangenen 20 Jahren gelungene, weniger gelungene, auch  gar nicht gelungene Inszenierungen. Sängerleistungen wurden von der Kritik häufig gelobt, manchmal auch weniger. Je nach musikalischer Leitung wurden auch die Dortmunder Philharmoniker häufig sehr,  manchmal  weniger gepriesen.. Einhellig  wurde aber immer hervorgehoben die Leistung des Opernchors, wenn nötig mit Extrachor, in der Einstudierung von Granville Walker. der ja zusätzlich  auch als Komponist bekannt ist. Auch leitet er den Laienchor „Dortmunder Musikverein“ in grossen Chorwerken. Als Beispiele seiner Opern – Choreinstudierungen seien aus der Erinnerung besonders genannt die „Trojaner“ von Berlioz in der Regie von John Dew, „Meistersinger“ und „Lohengrin“ und „Der junge Lord“ in der Regie von Christine Mielitz, „Boris Godunow“ , „Beatrice Cenci“  und „Anna Nicole“während der Intendanz von Herzog, aber auch von Operetten wie der „Graf von Luxemburg“ oder Musicals wie „Anatevka“ Selbst beim Video-überlasteten „Tannhäuser“ in der Regie von Kay Voges blieb der Chor trotz schwieriger Sichtverhältnisse zum Dirigenten immer exakt. Besonders auch in Oratorien bewährte sich die Choreinstudierung von Walker, so etwa schon 2004 mit „Israel in Ägypten“ von Händel. Betreffend Oratorien gab es gesteigerte Aufgaben, als Intendant Jens Daniel Herzog begann, diese szenisch aufzuführen, wo der Chor die schwierigen sängerischen  Aufgaben auswendig und manchmal in dauernder Bewegung bewältigen mußte. Das war nicht ganz so anstrengend bei der letzten dieser Inszenierungen, „Saul“ von Händel in der Regie von Katharina Thoma, da diese den Chor stets als Gruppe und an schwierigen Stellen ohne grosse Bewegung auftreten ließ. Auch sonst gab ihre Inszenierung der Musik den Vorrang (siehe Bericht vom 8. Mai 2015), abgesehen einmal von der Hampelei während des von Händel eingebauten Orgelkonzerts, wo ähnlich wie zu Jens Daniel Herzogs „Don Giovanni“ -  Ouvertüre Opernpublikum veralbert wird.

Saul_GP_121
Copyright: Björn Hickmann Stage Picture

So war es willkommen, daß  Granville Walker als Abschiedsvorstellung die letzte Aufführung des „Saul“ auch vom Dirigentenpult her leitete. Exakt in der Zeichengebung (ohne Taktstock) , stilistisch sicher, wenn nötig mit scharfen Akzenten, etwa beim „Neid“-Chor („Envy“), regte er  Solisten, Orchester und natürlich „seinen“ Chor zu einer gelungenen „Dernière“ an. Gewaltig klang das „Alleluja“, exakt und durchhörbar die vielen polyphonen Stellen. Von seinem Einfühlungsvermögen für Stimmen profitierten auch die Solisten,  da er nicht stur auf seinem Tempo beharrte, sondern sehr auf die Sänger  einging. Im Unterschied zur früher besprochen Aufführung spielten jetzt die beiden Töchter Sauls Mitglieder des Dortmunder Ensembles. Zu Beginn  durch grelle Spitzentöne passend zickig klingend, dann aber ganz lyrisch und weich als von David überzeugt  gestaltete Tamara Weimerich die Merab. Der ihren David von Anfang an liebende Michal verlieh Julia Amos erfolgreich lyrisches Legato und Koloraturen.  Lucian Krasznec in der Tenor-Partie des Jonathan sang und spielte noch sicherer als in der früheren Aufführung und war weitgehend textverständlich. Kaum zu übertreffen war wieder in p-Kultur, Legato-Bögen und Koloraturgesang Ileana Mateescu als David. Dies gilt wie bereits im früheren Bericht hervorgehoben auch für Christian Sist in der Titelpartie. Wieder  glänzte er mit in Koloraturen sicher geführtem Baß, mit ganz eindringlicher Darstellung schwankend zwischen Hochmut, Verzweiflung und gekränktem Stolz. Alle diese Emotionen brachte er auch stimmlich perfekt zum Ausdruck. Leider war dies sein letzter grosser Auftritt am Opernhaus Dortmund. Deshalb sei noch einmal erinnert an seine Darstellung geistlicher Personen vom Pimen in „Boris Godunov“ angefangen bis zum Kardinal (Beatrice Cenci) und Großinquisitor (Don Carlo) Unvergessen auch sein Seneca in der „Krönung der Poppea“ An heiteren Rollen wurde er besonders als Don Alfonso in „Cosi fan tutte“ und Dulcamara im „Liebestrank“ bewundert. Erwähnt werden muß auch sein kritischer Beitrag „Die Rettung der Musentempel“ , in dem er als ausgebildeter Unternehmensberater und Projektentwickler  die angelsächsische „Stakeholder“ – Theorie auf Opernhäuser anwandte, d.h. etwa, wie sich das Verhalten einer Unternehmensleitung günstig oder ungünstig auf die davon Betroffenen auswirkt, oder mit seinem eigenen Ratschlag als Sänger und Unternehmensberater „Hören Sie auf das, was Ihr Herz zum Singen bringt“ – welch ein Verlust für das Opernhaus Dortmund ist sein Abschied!

Das empfand auch wohl das Publikum im zum grossen Teil besetzten Parkett, als es vor allem  Granville Walker und seinen Chor, alle Solisten, besonders Christian Sist, mit Beifall und Bravos für diese musikalisch  eindrucksvolle Aufführung feierte, auch noch als bereits der Vorhang gefallen war.

 Sigi Brockmann 28. Juni 2015

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