WIENER STAATSOPER am 27.6.2015 – „THE TEMPEST“ von Thomas Adés
Audrey Luna als Luftgeist Ariel. Foto: Wiener Staatsoper/ Pöhn
Zum Saisonausklang wurde wieder einmal des Versprechens gedacht, sich auch um zeitgenössische Werke zu kümmern und eine Produktion aus Quebec, bzw. New York an die Staatsoper transferiert. Mit Ausnahme der extremen Partie des Ariel waren aber in dieser Aufführung nur Sänger des Ensembles zu hören. Thomas Adès hat seine Version des Shakespeareschen Dramas auf ein Libretto von Meredith Oakes geschrieben. Die Handlung wurde dabei auf drei etwa gleich lange Akte verdichtet. Musikalisch zählt Adès sicher nicht zu den verstörenden Neutönern, auch wenn wohl kaum Ohrwurmgefahr besteht. Die Sänger sind von ihm vor allem dadurch gefordert, dass sich nahezu alle Partien oft an die äußersten Grenzen ihres Stimmumfanges bewegen.
Den größten Eindruck hinterlässt die szenische Realisation durch den Kanadier Robert Lepage und seine Kompanie Ex machina. Das Bühnenbild von Jasmine Catudal präsentiert verschiedene Sichten auf die Bühne der Mailänder Scala. Prospero hat sich damit eine Reminiszenz an seine Heimat auf der Insel aufgebaut. In diesem Rahmen wird tatsächlich Theater für alle Sinne geboten. Gleich während des Vorspiels wird der Schiffbruch mit wehenden blauen Tüchern und einer guten Lichtregie (Michel Beaulieu) dargestellt. Sicher ein alter Theatertrick, aber wirkungsvoll. Adrian Eröd als Prospero ist im ersten Akt als Drahtzieher der ganzen Handlung natürlich dauernd präsent. In der Szene mit Miranda wird ihm vor allem viel Pianissimo-Höhe abgefordert. Diese Herausforderung meistert er aber ebenso perfekt wie die kraftvollen Töne, die dem Drahtzieher des Dramas zustehen, einzig mit einigen extremen Tiefen hat er zu kämpfen. Seine Ganzkörpertätowierung ist wohl schon eine Anpassung an die Inselbewohner. So hat Thomas Ebenstein als Caliban eine Art schwarzes Papagenokostüm und einen Irokesenschnitt. Er überraschte mit einer perfekten gesanglichen Darbietung dieser Partie, die des Öfteren in extreme Höhen führt und auch mit einem hohen D endet. Zusätzlich ist er körperlich fast so stark gefordert wie der Ariel von Audrey Luna. In dieser Partie verlangt der Komponist gar das hohe G. Das ist zwar schon stark im Grenzbereich zwischen Gesang und Geräusch angesiedelt, aber bewundernswert, wie die junge Sängerin diese Anforderungen meistert. Das Liebespaar Miranda und Ferdinand wird von Stephanie Houtzeel mit einem wohlklingenden Mezzo und Pavel Kolgatin mit lyrischem Tenor verkörpert. Auch hier werden vor allem dem Tenor einige Akuti abverlangt. Die Rüpelszenen werden von dem Duo Dan Paul Dumitrescu und dem Counter David Daniels gesungen und genüsslich ausgespielt. Herbert Lippert als König von Neapel ist wohl froh, dass die Saison in wenigen Tagen zu Ende ist. Er klingt doch schon sehr angestrengt und rettet sich mit seiner perfekten Technik über die schwierige Partie. Den intriganten Bruder Antonio gibt Jason Bridges mit scharf charakterisierendem Tenor, während Sorin Coliban als Gonzalo bis in die tiefsten Register eine schön klingende Stimme der Humanität ertönen lässt. Auch David Pershall als Sebastian fügt sich perfekt in die Hofgesellschaft ein.
Am Pult steht mit Thomas Adès der Komponist und es ist wohl anzunehmen, dass er am Besten seine musikalischen Intentionen kennt und das Orchester diese auch umsetzt. Der von Thomas Lang einstudierte Chor hat vor allem zu Beginn des zweiten Aufzuges eine ganz starke Szene.
Ein Abend, der demonstriert, welcher Zauber vom Theater ausgehen kann, wenn einfach alles zusammen passt. Ich freue mich bereits auf die nächste Serie im Oktober, da es bei der ersten Begegnung wohl nicht möglich ist, alle Details des Werkes zu erfassen.
Wolfgang Habermann