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DRESDEN/ Semperoper: DON CARLO. Keine Stimmung auf der Plexiglas-Schädelstätte

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DRESDEN/Semperoper: Verdis Don Carlo, 27.6.2015

Keine Stimmung auf der Plexiglas-Schädelstätte und auch teils sehr gute Stimmen garantieren nicht automatisch einen aufregenden Opernabend

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Marjorie Owens als Elisabeth. Foto: Matthias Creutziger/Semperoper

Dieser Don Carlo in Dresden mit starker österreichischer Beteiligung (drei Herren in Hauptrollen und die Eboli aus dem Ensemble der Wiener Staatsoper) stand unter gar eigentümlichen Vorzeichen: Blitze und Regenschübe über Sachsen, in Brüssel sind am Nachmittag die Eurogruppengespräche zu Griechenland gescheitert, am Strand von Sousse klebt noch Blut der von einem Extremisten erschossenen Urlauber und alle Nachrichten zeigen das allseitige Flüchtlingselend ohne Ideen einer klugen Lösung. Ich fürchte dieser Tag wird leider nicht wegen einer tollen Opernaufführung in die Geschichte eingehen.

 Der Sänger der Titelpartie, unser Grazer Tenor Nikolai Schukoff litt krankheitsbedingt an einer Indisposition, von der er sich erst nach entsprechender Ansage nach der Pause im Verlauf des vierten Akts einigermaßen erholen sollte. Das Publikum war dennoch für eine wie bei Schukoff immer schauspielerisch intensive Leistung sehr dankbar, was sich nach einem gelungenen Duett im 4. Akt in zugeneigtem Applaus manifestierte. Die sympathische Marjorie Owens als Elisabeth fand ebenfalls erst mit ihrer Arie „Tu che le vanita“ zu ganz großer stimmlicher Form. Für mich der schönste Teil des Abends. Das eher herbe Timbre ist sicherlich Geschmacksache. Selbstverständlich kann sie alle Noten der Partitur singen, die Figur der Königin hat sie sich noch nicht wirklich zu Eigen gemacht. Als bester Österreicher an diesem Abend ging Markus Werba als Posa ins Rennen. Nach einem stimmlich untadeligen Beginn mit seinem schönem Bassbariton (kein Kavaliersbariton) kommt auch Werba bei den ungeheuren und unkultivierten Phonzahlen, die die Sächsische Staatskapelle unter der gar nicht animierten oder gar beseelten Leitung von Paolo Arrivabeni an diesem Abend von sich gab, mit fortschreitendem Abend etwas unter die Räder. Dass der Rest des Publikums das auch so ähnlich empfand, war wohl auch am – im Gegensatz zu den Solisten – endenwollenden Applaus für den Dirigenten beim Schlussvorhang ablesbar. Der Großinquisitor des Wieners Michael Eder war schlecht hörbar, der Sänger ist ohrenfällig mit der Tessitura der Partie überfordert und liefert auch kein ansprechendes Rollenporträt. Bleibt als einzige vokale Weltklasseleistung an diesem Abend der Philipp II des René Pape. Sonderlich berührt hat er mich aber dennoch nicht. Nadia Krasteva orgelt die schwierige Partie der Eboli durchwegs eindrucksvoll,der Merker konstatiert einige scharfe Höhen im Schleierlied und eine schematisch stereotype Gestik, die in ihrer Uniformität auch zu Carmen, Preziosilla oder Amneris passen könnte. Uneingeschränktes Lob gibt es für hingegen den Chor.

 Ein Problem stellt zweifelsohne die Inszenierung von Eike Gramss aus dem Jahr 2003 dar, von der wohl nur noch das requisitenlose Einheitsbühnenbild einer abwechselnd Plexiglas-Totenschädelwand/ bzw.-bodenplatte von Gottfried Pilz (Bühnenbild und Kostüme) übrig geblieben ist. Das ergibt manchmal zwar einigermaßen ästhetisch reizvolle Tableaus, eine Personenführung und ein dramaturgisch stringentes Miteinander der Akteure findet darin aber nicht (mehr) statt bzw. ist  nicht auszumachen. Über die einfallslosen Kostüme ist ohnedies der Zahn der Zeit hinüber. 

 Was lernen wir daraus? Auch sehr gute Sängerinnen und Sänger sind kein Garant für eine großen Abend, und auch in Dresden ist nicht unbedingt alles Gold, was glänzt. Es kann aber auch sein, dass der Kritiker schwer indisponiert war, dann gälte all das oben Geschriebene nicht und wäre gegenstandslos.

 Dr. Ingobert Waltenberger

 

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