
Adrian Eröd, Prospero mit seiner Bühnentochter, Stephanie Houtzeel als Miranda
Wiener Staatsoper
“THE TEMPEST” von Thomas Adès
27. Juni 2015 / 5.Aufführung der Neuinszenierung
Derniere der Premierenserie
Keine Frage, anläßlich der Derniere der Premierenserie kann man feststellen, dass, gemessen am Publikumszuspruch und den durchaus freundlichen Kritiken diese Neuinszenierung mit zu den besten der Ära Dominique Meyers zu zählen sein wird. Und die Frage nach den Komponenten dieses Erfolges zu stellen ist nach dem Ende dieser ersten Serie berechtigt:
Das nach Shakespeare zurechtgeschnittene und sprachlich simplifizierte Libretto der australischen Dramatikerin Meredith Oakes und die Vertonung durch den Londoner Thomas Adès, deren durchaus hörbare Musik und durchhörbare Partitur sich nach über einem Jahrhundert Entwicklung der Musik über Zwölftontechnik und seriellen Stilen auch an die entwickelten Hörgewohnheiten heutiger Opernbesucher wenden kann. Ein Prozess, dem man getrost als die Erlösung des Genres Oper vom Belkanto bezeichnen kann und der es heutigen Komponisten vermehrt wieder möglich macht, mit neuen Werken auf eine neue, aufnahmebereite Hörerschaft jedweden Alters zu stossen, so wie es jetzt auch in der Wiener Staatsoper der Fall war
Weiters die bereits in Québec und New York bewährte Regiearbeit des mehrfach ausgezeichneten Kanadiers Robert Lepage, der mit seiner Ex Machina bereits an der Arbeit am Ring 2010 an der MET aufsehen erregte. Zusammen mit seinem Team, bestehend aus Jasmine Caudal (Bühne), Kym Barrett (Kostüme), Michel Beaulieu (Licht) und David Leclerc (Video) schuf er für Prospero in allen Aufzügen eine differenzierte Ansicht des Innenraums der Mailänder Scala und zeigte, wie sich theaterwirksam moderne Technik und alte Barocktheatereffekte ergänzen können. Das anfängliche und titelgebende Gewitter und dessen aufgewühltes Meer vermittels bewegter Leinwand und Videoeffekten auf die Bühne zu zaubern war schon alleine eine sehenswerte Leistung und der Nachbau effektvoller Bühnenbeleuchtung aus Zeiten, in denen es nur Kerzen oder Gaslicht gab, waren der stimmungsvollen und schummrigen Beleuchtung geschuldet. Trotz der “Abgelutschtheit” dieser Theatereffekte – wie manche kritische Stimmen dazu meinten – waren diese und manch andere Kniffe aus der barocken Kiste eine sehenswerte Ergänzung.

Stephanie Houtzeel-Miranda
Und dann war es nicht zuletzt das Wiener Esemble, (nur verstärkt durch den Gast für die Rolle Ariels) welches sich erfolgreich beim Einsatz für die nicht gerade einfach zu singenden und bis an die Grenzen der stimmlichen Mittel gehenden Partien zeigte. Adrian Eröd als philosophierender, zürnender, verweifelter und letztlich verzeihender Inselchef war nachdrücklich und höhensicher ein überzeugender Prospero, auch wenn man sich mehr Volumen in der Tiefe wünschen dürfte.
Das Liebespaar führte mit ihrem jugendlich-dramatischen Tonansatz Stephanie Houtzeel als Miranda – Prosperos Tochter – souverän in dieser ungewohnten Tessitur an. Und ihr Liebhaber, Ferdinand, der Sohn des neapolitanischen Königs und von diesem nach dem großen Sturm für tot gehalten, verliebt sich in diese Miranda, das Liebesduett am Ende des zweiten Aktes ist eines der schönsten musikalischen Stellen der Oper und um dieser Vereinigung willen läßt sich letztlich Prospero von seiner geplanten Rache am Hofstaat Neapels abhalten. Ein Duett von beinahe belkantesker Moderne. Pavel Kolgatin ist der stimmlich, aber mehr noch, figürlich überzeugende Prinz, während Herbert Lippert als dessen Vater sich mit dieser ungewohnten Partie schwer tut.
Den zerstrittenen Hofstaat vertreten die in ihren Partien durchwegs sehr gut singenden Jason Bridges als Antonio, David Pershall als Sebastian und vor allem stimmgewaltig Sorin Coliban als Gonzalo. In den Rollen der lustigen Figuren, Stefano und Trinculo (nomen est nomen) treten zu ihrer Gaudi Dan Paul Dumitrescu und der amerikanische Countertenor David Daniels auf, wobei man bei letzterem besonders bedauert, dass er in dieser Partie nur weniges zu singen hat.
Last not least die wohl interessantesten Rollen: Thomas Ebenstein als von Prospero unterdrückter Ureinwohner in Irokesenoutfit und die tatsächliche Sensation als Ariel, (eine Art Wagnerscher Loge für den Inselbeherrscher) die junge, amerikanische Sopranistin Audrey Luna, die figürlich, aber vor allem gesanglich eine bewundernswerte Verkörperung dieses spinnenartigen Luftgeistes auf die Bühne zauberte. Ihre Gesangskünste müssen für höchste Höhen bis zum dreigestrichenen G herhalten. Ihre spitzen Töne kontrastierten atemberaubend zu den Streitereien der Höflinge.

Der Luftgeist Ariel (Audrey Luna)
Für die Qualität der musikalischen Wiedergabe sorgte, wer sonst so voller Übersicht und Sorgfalt, der Komponist selbst. Thomas Adès mit dem begeistert bei der Sache wirkenden Staatsopernorchester. Der von Thomas Lang geleitete Wiener Staatsopernchor hatte besonders wirkungsvolle Auftritte gleich zu Beginn bei der Sturmszene und bei den Höflingsszenen.
Ein bis auf wenige Plätze nahezu volles Haus brachte es auf mehr als zehn Minuten Schlußapplaus, bei dem besonders Adrian Eröd und Audrey Luna abräumten. Auch der dirigierende Komponist wurde umjubelt.

Allen wird verziehen: LA CLEMENZA DI PROSPERO
Peter Skorepa
MERKEROnline
Fotos: WSO / M.Pöhn