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BERLIN/ Deutsche Oper: MACBETH mit Liudmyla Monastyrska

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Berlin/ Deutsche Oper: „MACBETH“ mit Liudmyla Monastyrska“, 26.11.2013

Thomas Johannes Mayer als Macbeth, Foto Bettina Stöß im Auftrag der Deutschen Oper Berlin
Thomas Johannes Mayer als Macbeth, Foto Bettina Stöß im Auftrag der Deutschen Oper Berlin

Im Rahmen der Verdi-Festtage an der Deutschen Oper Berlin stand auch „Macbeth“ wieder auf dem Spielplan. Ich erlebe die 15. Vorstellung nach der Berliner Premiere im Juni 2011, schon damals eine Übernahme von der Oper Köln aus dem Jahr 1998. Also ein „alter Hut“?

Eigentlich nicht. Denn Shakespeare, richtig gelesen, ist immer aktuell, und dieses Schauergeschehen aus dem Schottland des 11. Jahrhunderts hat weltweite Fortsetzungen gefunden. Bis zum heutigen Tag.

Allerdings wählte Shakespeare nicht den historischen, gar nicht so bösartigen Macbeth als Titelhelden. Sein Stück basiert vielmehr auf einem aufgebauschten Bericht aus dem 16. Jahrhundert, der praktischerweise die Zutaten für ein Gruseldrama enthielt. Das zu vertonen reizte wiederum Giuseppe Verdi, der in seiner ersten Macbeth-Fassung von 1847 auch auf die Verhältnisse im damals noch nicht geeinten Italien anspielen wollte.

An diesem Abend dirigiert Paolo Arrivabeni die von Verdi für Paris veränderte Fassung von 1865, jedoch gestrafft und ohne die in der Seine-Stadt obligatorische Ballettmusik für eine Tanzeinlage. Er lässt das gut disponierte Orchester der Deutschen Oper Berlin oft mächtig aufschäumen, sorgt auch für den leisen, unheimlichen Eulenlaut und für die musikalische Zuspitzung bei all’ den Morden, die sich im Verlauf ereignen.

Dennoch setzen sich die Sänger bestens durch, und ihretwegen bin ich gekommen, insbesondere wegen Liudmyla Monastyrska als Lady Macbeth. Ihr dramatischer Sopran leuchtet tatsächlich in allen Lebenslagen, kann auch verführerisch gurren, wenn sie den ihr sexuell hörigen Gatten zu immer neuen Untaten anstiftet.

Auch die triumphierende Königin, gesungen mit Power und kristallklaren Spitzentönen, glaubt man ihr sofort. Richtig gemein intoniert sie die tiefen Passagen, wenn sie den nächsten Mord in die Wege leitet. Schließlich künden einige bewusst fahl gesetzte Töne von ihrem Wahnsinn. Großartig! Mehrfach erntet sie Zwischenbeifall.

Den Macbeth singt (wiederum) Thomas Johannes Mayer (Bariton), zuerst als den Zaudernden, um sich dann auch stimmlich zum kraftvollen, von einer Bluttat zur nächsten getriebenen Tyrannen zu wandeln. – Mit noblem Bass punktet (erneut) Ante Jerkunica als Banquo. Seine bösen Ahnungen vor der Ermordung – hier von Geheimagenten im Büro – lassen auch den Zuhörern einen Schauer über den Rücken laufen.

Innige Besorgnis um ihre Herrin vermittelt Fionnuala McCarthy als Kammerfrau der Lady Macbeth, stolzer Mut klingt aus dem Tenor von Yosep Kang als Macduff, der bekanntlich Macbeth besiegt und Malcolm, dem nächsten König (Clemens Bieber), den Weg bereitet.

Sie alle bieten ein Fest der Stimmen, unterstützt vom fabelhaften Chor der Deutschen Oper unter William Spaulding. Als Hexenansammlung sorgen die Damen sofort für hohes musikalisches Niveau. Warum sie aber als grau gewandete Putzkolonne (Kostüme: Miruna Boruzescu) mit Eimer, Schrubber und Besen ihre doppeldeutigen Weissagungen kundtun müssen, bleibt das Geheimnis von Regisseur Robert Carsen.

Überzeugender, wenn auch etwas ältlich, wirkt die Verortung des Geschehens ins Ostblock-Ambiente der 1980’er Jahre, das es ähnlich in anderen Staaten aber nach wie vor gibt. Das schottische Schloss ist hier ein leerer, düsterer, deprimierender Gefängnisraum mit Einschusslöchern an der blutbefleckten Rückwand (Bühne: Radu Boruzescu). Später liegen Betten und Kissen als Schlafstelle des Paares am Boden.

In diesem überaus kargen Umfeld haben die Sänger schauspielerisch zunächst kaum eine Chance. Arme ausbreiten, hin und her gehen und Rampensingen sind die Alternativen. Macbeths operettenhafte Uniform und das ganz ähnliche Outfit des schließlich neuen Königs sind wohl als Karikatur solcher Herrschertypen gedacht. Turbulent dann aber die Festmahlsszene mit den Wahnsinnsanwandlungen von Macbeth, der den ermordeten Banquo auf seinem Stuhl zu sehen meint.

Ein packendes Bild macht jedoch alle sonderbaren Einfälle wett: nach fortgesetzten Morden im ganzen Land steht das trauernde Volk (der Chor) vor diesem Macbeth in seinem blutbesudelten Hemd. Anklagend halten sie die Bilder ihrer Toten in den Händen, die sie dann an die Rückwand heften. In einem der letzten Wahnanfälle versucht Macbeth, diese stummen Zeugen seiner teuflischen Taten von der Wand zu reißen.

So sind es letztendlich die Interpreten, die diesem düsteren Abend großen Glanz verleihen und dieses Schauerdrama zu einem Höhepunkt der Verdi-Tage werden lassen. Sie werden zum Schluss mit Bravos – insbesondere Liudmyla Monastyrska – und langem Applaus für ihre beeindruckenden Leistungen belohnt.

Ursula Wiegand

 

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