Fotos: Renate Wagner
NÖ Theaterfest / Reichenau / Neuer Spielraum:
DER WEIBSTEUFEL von Karl Schönherr
Premiere: 3. Juli 2015,
besucht wurde die Medien-Hauptprobe
Ein Drama in den Tiroler Bergen, tief in der Eigenart des dortigen Menschenschlags wurzelnd, normalerweise außerhalb Tirols schon aus sprachlichen Gründen „fern“. Das gilt allerdings nicht für den „Weibsteufel“ des Karl Schönherr, ein „Well Made Play“ schlechthin, drei Figuren in ihrer Entwicklung nebeneinander und gegeneinander geführt, bei steigender Dramatik, bis zum letalen Ende. Das spielt sich hervorragend, wenn man es richtig macht.
Zwei „Original“-Tiroler, die ebenso Wiener Karrieren gemacht haben wie der Schweizer italienischer Abstammung: Bernhard Schir und Katharina Straßer wissen, wie man ihre sprachliche Eigenart einsetzen muss, damit sie Authentizität atmet und dennoch im Osten des Landes verständlich ist, und Marcello de Nardo „kann“ das auch. Und nur ein paar Versatzstücke, die in einer Tiroler Stuben stehen – der Tisch, die Bank, die Truhe, und im Boden gibt es ein Versteck. Und alles „stimmt“ in dem an sich nüchternen, aber solcherart an jedes Stück anpassungsfähigen Neuen Spielraum der Festspiele Reichenau. Man kann – auch alle anderen Produktionen dieses Reichenauer Festspielsommers zeigen es – Stücke durchaus ansatzweise in ihrem von den Autoren gewählten Milieus belassen. Wenn man sie richtig erzählt, sind sie auf diese Weise genau so aussagekräftig wie in den verfremdeten Interpretationen. Man muss ihnen nur vertrauen.
Wobei Bernhard Schir als Regisseur durchaus ein paar Dissonanzen aufklingen lässt, und sei es nur durch vereinzelte harte Harmonika-Töne von Helmut Stippich, durch düstere Lichteffekte. Aber sonst kommt die Geschichte ganz aus den Figuren, die bei Schönherr keine individuellen Namen haben: Der Mann, die Frau, die als „sein Weib“ gekennzeichnet wird, der Grenzjäger. Die klassische Dreiecksgeschichte. Die Siegerin steht im Titel – „der Weibsteufel“.
Sie ist die Interessanteste. Denn ihr Mann ist so typisch wie der Liebhaber. Einen älteren und schwächlichen Mann hat sie geheiratet, für den sie, die Junge, die Schöne, eine Beutefrau ist. Er hat sie gekauft, wenn schon nicht mit sexueller Erfüllung und Kindern (der tief in der Truhe vergrabene Wunsch, dort, wo die Kinderhäubchen warten), so doch mit Tand und Wert – die Spitzenstoffe, die er ihr vom Schmuggeln heimbringt, das schönste Haus am Markt, das er für sie und sich kaufen will. Er mag ein „Saugflaschenmandl“ sein (welch schrecklich charakterisierender Ausdruck), aber er ist schlau. Wenn er auch von einer Frau nur so viel versteht, wie er es eben kann…
Der Grenzjäger ist naiv, aber ehrgeizig. Er soll den alten Schmuggler da oben fangen, und wenn’s nicht anders geht, meinen die Vorgesetzten, soll er sich doch etwas mit dessen junger Frau anfangen und schauen, ob man die Sache nicht über die Bande spielen kann… Aber ein souveräner Manipulierer ist er nicht, da ist ihm der alte Schmuggler über: Wer anderen eine Grube gräbt – er denkt sich nichts dabei, wenn er seine Frau auffordert, im Gegenzug den Grenzjäger ein bisschen zu reizen und zu verwirren, damit er weiter ungehindert dem Zusatzverdienst nachgehen kann.
Ist die Frau wirklich ein Opfer beider Männer, wie es gerne interpretiert wird, ihr Verhalten „Emanzipation“ gegen eine Männerphalanx, die es nicht besser verdient? Man kann die Figur aus mancher Hinsicht betrachten, und Katharina Straßer gelingt in Schirs Regie jedenfalls eines: Sie macht nicht zu viel in „Brünstigkeit“, sie überdreht das Spiel der Erotik nicht bis zu jener Lächerlichkeit, in die sie kippen kann.
Sie ist eine attraktive, selbstbewusste junge Frau, gescheit genug, sich mit ihrem „Mandl“ zu arrangieren und sich mit materiellen Gütern zufrieden zu geben. Aber das Spiel mit dem Feuer, das sie mit dem Grenzjäger beginnt, zündet auch sie an: Von Schönherr meisterlich gezeichnet, kommt sie in kleinen Schritten „in Saft“, entdeckt sie die Lust der Sinnlichkeit, die durch den starken Mann geweckt wird. Die Frau am Ende ist eine ganz andere als jene zu Beginn, und das ist eine bemerkenswert eindrückliche Leistung der Hauptdarstellerin – abgesehen davon, dass sie eher auch als Verliererin denn als Gewinnerin dasteht.
Auf die „Rächerin der Frauenehre“ hat sich die Inszenierung nicht eingelassen. Sondern einfach auf die Gewalt der Sinnlichkeit, ohne dass es dumm, lächerlich oder peinlich würde, auf die Entdeckung der weiblichen Stärke, die ein so mutwilliges wie verzweifeltes Spiel beginnt. Das ist eine Gratwanderung, die man der Regie wahrlich zugute halten kann.
Marcello de Nardo ist der Mann als schwaches Mandl, der hart daran arbeitet, seinen Platz zu behaupten, der sich auf das Rollenmodell der patriarchalischen Gesellschaft stützen kann und dennoch nicht siegt, weil die Macht der Erotik, zu der er nicht imstande ist und der er letztlich nichts entgegen zu setzen hat, die anderen wegtreibt.
Bernhard Schir wusste, dass er schlechtweg nicht jung genug ist, um den Grenzjäger als wilden, erotisch hilflos gebeutelten Kerl zu spielen. Seine Verwirrung ist folglich anderer Art, sie kommt aus der Anständigkeit eines Mannes, der einer mutwilligen Frau so wenig gewachsen ist wie der Untat (dem Mord an dem Gatten), zu der sie ihn herausfordern will.
Am Ende hat Schönherrs Stück das Meiste gebracht, was es bestenfalls zu geben hat. Das Publikum wirkte stark beeindruckt.
Renate Wagner