WIEN / Albertina:
IN FARBE!
Clair-Obscur-Holzschnitte der Renaissance.
Meisterwerke aus der Albertina und der Sammlung Georg Baselitz
Vom 29. November 2013 bis zum 16. Februar 2014
In Farbe, aber nicht „farbig“
Im 16. Jahrhundert veränderte sich die Kunst des Holzschnitts. Hatte man bis dahin schwarz auf weiß gedruckt, wurde in der Folge die Clair-Obscur-Technik entwickelt: Da erhielten die Blätter in noch einem weiteren Druckgang eine Farbe (manchmal auch mehrere) – Ocker und Braun, Grün, Blau, Grau, Gelb… der Eindruck war „einfärbig“, aber doch farbig. Eine Ausstellung der Albertina befasst sich nun mit dieser speziellen Kunst und blättert sie in zahlreichen Beispielen auf.
Von Renate Wagner
Albrecht Dürer, Rhinocerus
Die Sammlung der Albertina Bis Klaus Albrecht Schröder die Albertina übernahm und mit gewaltigem Elan und Ehrgeiz zu einem Museum aller Werke erweiterte, galt sie als Spezifikum: die größte graphische Sammlung der Welt, im Besitz auserlesener Meisterwerke dieser Genre – Holzschnitt, Kupferstich, Aquarell. Viele große Namen des Hauses – Lucas Cranach d. Ä., Hans Burgkmair, Albrecht Altdorfer, um einmal nur die Deutschen zu nennen – können nun zur Betrachtung des Clair-Obscur-Holzschnitts herangezogen werden.
Die Sammlung Georg Baselitz Das Erstaunliche an den mehr als 200 nun gezeigten Werken besteht aber darin, dass sie zur Hälfte aus der Sammlung von Georg Baselitz stammen. Die Albertina widmet dem Künstler ja gleichzeitig zu seinem 75. Geburtstag eine ausführliche Personalausstellung, in der sie fast alle Werke aus ihrem Besitz zeigt. Ob Gegengeschäft oder nicht – sicher war es auch für Baselitz ein Ereignis, seine Privatsammlung, laut Schröder eine der „tollsten“ diesbezüglich überhaupt, zeigen zu können. Er hat, nach eigener Aussage, in den sechziger Jahren eine Ausstellung über Parmigianino in der Albertina gesehen und war vollkommen begeistert. Als junger Künstler begann er bereits in Florenz Blätter aus dieser Epoche zu sammeln, bis heute sind mehrere Kunsthändler in seinem Auftrag tätig, diese Sammlung zu erweitern – und wenn er sagen kann: „Es gibt Blätter, die nur ich habe und nicht die Albertina!“, dann schwingt auch Sammlerstolz mit.
Clair-obsure oder die Farbe kommt in den Druck Besser als im Text, den die Albertina bereitstellt, kann man das besondere Verfahren nicht erklären: Der Clair-obscur ist ein farbiger Holzschnitt, der aus dem Übereinanderdrucken von zwei oder mehreren Holzplatten entsteht. Eine Platte ist für die reine Linienzeichnung bestimmt, die anderen für die Farbtöne und die Lichthöhungen. Die gewöhnlich schwarz eingefärbte Linien- oder Strichplatte enthält die Zeichnung der Darstellung in ihren Umrissen und Binnenschraffuren. Aus der Holzplatte werden alle Partien, die nicht drucken sollen, mit dem Schneidemesser entfernt, so dass nur diese Zeichnung erhaben stehen bleibt. Nun werden eine oder mehrere Tonplatten für die Ergänzung mit Farbe geschnitten. Die Lichthöhungen werden aus der hellsten Tonplatte herausgeschnitten. Diese Vertiefungen nehmen beim Druck keine Farbe an, weshalb an diesen Stellen der weiße Papiergrund durchscheint. Eine zweite bzw. weitere Tonplatten geben die Mitteltöne und Schattierungen in der Darstellung wieder.
Hans Burgkmair d. Ä.. Georg und der Drache / Hans Baldung Grien, Die Hexen
Clair-obsure erobert Europa Es waren wohl doch die Deutschen, die diese Technik erfunden haben – die ersten Drucke dieser Art stammten von Lucas Cranach d. Ä. und Hans Burgkmair. Dürer-Holzschnitte wurden nach seinem Tod in dem neuen Verfahren nachgedruckt (sein „Rhinoceros“ gibt es nicht nur in Schwarzdruck, sondern wird auch mit einer grünen Tönung gezeigt). Im 16. Jahrhundert geriet diese Technik zur absoluten Blüte, bei den Künstlern des Dürer-Kreises (Hans Baldung Grien, Hans Sebald Beham, Hans Wechtlin, dazu Albrecht Altdorfer), ebenso wie in Italien. Die Ausstellung kann – hier wirken die Sammlungen der Albertina und von Baselitz geradezu perfekt zusammen – einen Schwerpunkt auf Ugo da Carpi legen, der gerne behauptete, er habe diese Technik erfunden, obwohl er sie nur in der Farbwirkung erweitert hat. Der Niederländer Hendrik Goltzius schuf einige der schönsten Werke dieser Kunst. Die neuen technischen Errungenschaften flossen zwischen den Künstlern und Ländern hin und her.
Ugo da Carpi, Diogenes / Hendrick Goltzius, Herkules erschlägt Cacus
Die Themen Man ist dermaßen geneigt, die Ausstellung nur vom „technischen“ Standpunkt zu betrachten (wie anders etwa wirkt ein Sujet, wenn es in hellem Ocker oder in dünklerem Braun abgezogen wurde, wie ändern sich Stimmung und einzelne Akzente, die dort verloren gehen, dort hervorgehoben werden), dass man die Themen der Werke fast vergisst. Aber der „Diogenes“ des Ugo da Carpi (er ziert Plakat und Katalog) ist nicht nur eine Frage der Technik, sondern auch des fesselnden Sujets, wobei Biblisches und Heiligenthemen in diesem Zeitalter im Vordergrund standen, Antikisierendes eine große Rolle spielte, selten etwa Landschaften zum Selbstzweck, während immer wieder Porträts realer Menschen auftauchen.
Katalog Der Katalog ist ein großformatiges, voluminöses Kompendium, das zu den einzelnen ausgestellten Werken nicht nur Abbild und Kommentar, sondern auch Varianten liefert. Allerdings würde man sich mit einem Künstler- und Werkverzeichnis am Ende um einiges leichter tun.
Albertina / Basteihalle: Bis 16. Februar 2014, täglich 10 bis 198 Uhr, Do 21 Uhr