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LUDWIGSBURG/ Schlossfestspiele/ Ordenssaal: GAUTIER CAPUCON UND FRANK BRALEY – mit elegischem Unterton

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Gautier Capucon und Frank Braley im Ordenssaal bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen

MIT ELEGISCHEM UNTERTON

Duo Gautier Capucon und Frank Braley im Ordenssaal am 12. Juli bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen/LUDWIGSBURG

Raritäten konnte man bei diesem reizvollen Duo-Konzert entdecken. Wer hätte denn gedacht, dass der als avantgardistischer Zwölftonkomponist und Vordenker des Serialismus gefürchtete Anton Webern ein durchaus romantischer Komponist war? Mit den beiden Stücken für Violoncello und Klavier von Anton Webern stellten der vielfach preisgekrönte Cellist Gautier Capucon und der 1991 mit dem ersten Preis beim Concours Reine Elisabeth ausgezeichnete Pianist Frank Braley jedenfalls dessen erste Komposition vor, die auch an das spätere Orchesterstück “Im Sommerwind” erinnert. 1899 schrieb Webern dieses ganz der Spätromantik verpflichtete Werk, das den elegischen Passagen des Cellos breiten Raum lässt. Vielschichtige Harmonik und sphärenhafte melodische Phrasen machten dieses Stück auch aufgrund der dezenten Klavierbegleitung von Frank Braley im Ordenssaal zu einem erstaunlichen Hörgenuss. Das temperamentvolle Duo eröffnete den Abend mit den Fantasiestücken op. 73 für Violoncello und Klavier von Robert Schumann. Bei dieser subtilen Wiedergabe gingen alle drei Sätze nahtlos und fließend ineinander über und verschmolzen so zu einer beglückenden Einheit. Die eng verzahnten Sätze beschworen immer wieder die geheimnisvolle Welt eines E. T. A. Hoffmann herauf, wobei die Motive mit Akribie akzentuiert wurden. Ebenfalls eine ausgesprochen positive Überraschung war ferner die suggestive Interpretation von Ludwig van Beethovens Sonate g-Moll op. 5/2 für Violoncello und Klavier, die dieser während des Konzertierens für den Preußenkönig Friedrich Wilhelm II. komponierte. Die an Boccherini orientierte formale Anlage stach bei dieser facettenreichen Wiedergabe hervor, die den beiden Instrumenten einen bemerkenswerten Klangfarbenreichtum entlockte. Eine weitgespannte Adagio-Einleitung gefiel mit zahlreichen dynamischen Kontrasten. Das metrische Kontrastprinzip betonten beide Solisten höchst konzentriert. So ließ die elektrisierende Spannungskraft nie nach. Auf die Dreierbewegung folgte der gerade Zweivierteltakt. Und der Sonatensatz entwickelte bei dieser Wiedergabe seine Hauptthemen höchst konsequent aus dem vielfältigen Material der Tonleiter. Heiter und verspielt kam dann zuletzt das quirlige Rondo-Finale daher.

Beethovens Spiel mit Mozart konnte man bei den schwungvoll gespielten sieben Variationen über “Bei Männern, welche Liebe fühlen” in Es-Dur WoO 46 für Violoncello und Klavier nachvollziehen, wo Gautier Capucon und Frank Braley ganz aus sich herausgingen. Mozarts “Zauberflöte” meldete sich hier in allen Schattierungen. Die obligatorische Mollvariation korrespondierte subtil mit der Erweiterung der letzten Variation zur großen Schlussapotheose. Diese Folge von kleinen Charakterstücken entlockte den Solisten eine Fülle von Möglichkeiten vielfältigen kammermusikalischen Konzertierens. Zum Abschluss erklang die wertvolle Sonate d-Moll op. 40 für Violoncello und Klavier von Dmitri Schostakowitsch. Folkloristische Melodien und spätromantische Klangfarben wurden von Gautier Capucon und Frank Braley minuziös betont. Und man begriff, warum dieses Werk bei der Uraufführung Begeisterungsstürme hervorrief. Ein retrospektiver Stil meldete sich dabei nuancenreich zu Wort. Orientalisches Kolorit wurde dann beim zweiten Satz passend betont. Und der wunderbar große Atem des Largo konnte sich bei dieser Wiedergabe bestens entfalten. Auffallend waren hier immer wieder die Glissando-Passagen, die sich beim Publikum tief einprägten. Karikierende und groteske Elemente meldeten sich frivol im Finale, das in Martellato- und Staccato-Attacken ausuferte. Man fühlte sich dabei an Schostakowitschs Oper “Die Nase” erinnert. Als Zugaben erklangen noch mit wunderbarer spieltechnischer Reife die weltberühmte Meditation aus der Oper “Thais” von Jules Massenet (eigentlich besser bekannt in der Violin-Fassung) sowie “Apres un Reve” von Gabriel Faure mit dezenter Farbigkeit, klaren Strukturen und poesievoller Andeutung.

Im Ordenssaal herrschte zuletzt verdiente Begeisterung für die Künstler.

 Alexander Walther

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