2015.07.22/23 Bregenz „Turandot“, „Hoffmanns Erzählungen“
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Copyright: Bregenzer Festspiele/ Karl Forster
Die neue Festspielintendantin Elisabeth Sobotka hatte mit den beiden Produktionen des heurigen Jahres vor allem musikalisch nicht das beste Händchen. Für das Spiel am See setzte sie Puccinis letzte Oper „Turandot“ an, die sich bestens eignet, auf dieser riesigen Bühne aufgeführt zu werden. Marco Arturo Marelli lieferte eine risikolose Inszenierung, sein Leading Team, Constance Hoffman (Kostüme), Davy Cunningham (Licht) und Ran Arthur Braun (Choreografie) loteten das Mögliche auf dieser Bühne gekonnt aus. Die monumentale Mauer, die sich öffnete, bot den optisch gut gelungenen Hintergrund, ergänzt durch eine riesige „Bratpfanne“, die sich in der Rätselszene und im Schlussbild öffnete und zum einen Teil chinesische Ornamente zeigte, zum anderen das Antlitz der Prinzessin in unterschiedlichen Gefühlsstadien. Das mögliche und erwartete „Befüllen“ der Bühne mit zahllosen Komparsen unterblieb, die stummen Terrakotta-Krieger waren da nur ein unzureichender Ersatz.
Musikalisch konnte der Abend leider nicht das bieten, was man von einer dramatischen Oper dieser Art erwarten sollte. Begonnen von einem Orchester, das nur selten die Italianita bot, die nun einmal erforderlich ist, die Wiener Symphoniker konnten unter der intensiven Gestik des Dirigenten Paolo Carignani nie zu ihrer Bestform auflaufen. Auch der Prager Philharmonische Chor trug nicht ausreichend zur notwendigen Dramatik bei, vielleicht auch aus demselben Grund, weshalb das Orchester zu wenig direkt spürbare Wirkung erzielte – die räumliche Distanz zu Bühne und Sängern. Womit wir zu einem weiteren Schwachpunkt des Abends kommen, den Protagonisten. Mlada Khudoley ließ in der Titelrolle allzu viele Wünsche offen: Dramatik, Kraft und sichere Höhe waren nur unzureichend aufgeboten. Selten, dass eine Turandot im Duett mit Kalaf untergeht. Riccardo Massi sang den Prinzen mit zunehmend sicherer Stimme, anfangs musste man befürchten, dass sein frühes Ende drohte. Aber vor allem das „Nessun dorma“ war hervorragend gesungen, allerdings optisch nicht gerade bestens unterstützt durch eine fast menschenleere Bühne. Guanqung Yu sang eine berührende Liu, ihre Stimme hatte fast alles, was man in dieser Rolle erwartet. Von den übrigen Sängern wäre noch Manuel von Senden als Altoum (im Rollstuhl) positiv zu erwähnen.
Tags darauf musste das Opernversuchskaninchen Nummer eins, Jacques Offenbachs „Hoffmanns Erzählungen“ einen weiteren Neu- oder Umdeutungsversuch erdulden. Regisseur Stefan Herheim hatte alle Ideen, die man zu Hoffmann nur haben kann, gesammelt und auf die Bühne gebracht. Nicht immer logisch, nicht immer verständlich waren manche Szenen, wenn man die Oper nicht sehr gut kennt, musste man mit Recht verwirrt sein. Das Bühnenbild von Christof Hetzer wirkte attraktiv, die sich teilende und drehende Endlostreppe war nicht gerade originell – die Zeiten, in denen man die Treppe in fast jede Inszenierung einbaute, schienen vorüber -, eine kleine technische Panne sorgte für eine Schrecksekunde von über fünf Minuten, aber als Rahmen war sie durchaus passend. Weniger ansehnlich wirkten die Kostüme von Esther Bialas, da waren zu viele Glitzerfummel und kurze Röckchen, auch eine Märchenoper darf mit schönen Gewändern prunken. Im unerschöpflichen musikalischen „Selbstbedienungsladen Offenbach“ wurden bisher ungekannte Szenen und Passagen eingefügt, verschoben, andere dagegen weggelassen. Das hat sicherlich viel Mühe gekostet, erhöhte den musikalischen Wert der Oper in keiner Weise, verlängerte die Aufführungsdauer erheblich und verschaffte den Musikern und Sängern sehr viel mehr Probearbeit. Diesen aufwändigen Part hat Dirigent Johannes Debus auf sich genommen, leider blieb ihm offensichtlich zu wenig Zeit, um die Koordination Orchester – Bühne zu optimieren, zu viele Wackeleinsätze zeugten davon.
Die Wiener Symphoniker waren auch an diesem Abend nicht in Hochform, vielleicht hätte ein routinierter Leiter so manchen Schnitzer verhindern können. Unter den Protagonisten wäre Michael Volle an erster Stelle zu nennen, sein kraftvoller Bariton (der nicht ganz die nötigen tiefen Töne erreichte) und die ausgezeichnete Darstellung der Bösewichte war Mittelpunkt einer ansonsten mäßigen Belegschaft. Daniel Johansson sang den Titelhelden mit viel Einsatz, manche Höhe gelang hervorragend, dann war er mit Darstellung des exzentrischen Dichters und einer kongenialen Gesangslinie überfordert. Bei Rachel Frenkel war die Rolle der Muse/Niklausse in guten Händen, ihre gut geführte Stimme bewältigte die um einiges gekürzte Partie tadellos. Olympia, Antonia und Giulietta, von mehreren Damen gesungen und zu unüblichen Zeiten auf der Szenerie, waren leider sehr unterdurchschnittlich besetzt. Mandy Fredrich als Antonia ließ allzu oft den rechten Ton vermissen, und Kerstin Avemo bot als Olympia/Giulietta recht schlampig gesungene Koloraturen. Auch wenn das die Absicht des Regisseurs widerspiegelt, zu große Freiheiten der Intonation wirken nicht gerade anregend. Außerordentlich gut, um einen weiteren Pluspunkt des Abends zu nennen, wurden die Dienerrollen durch Christoph Mortagne wiedergegeben, vor allem die Arie des Frantz hört man selten so gekonnt.
Viele Hoffnungen ruhten auf der neuen Intendantin, leider wurden nur wenige davon erfüllt.
Johannes Marksteiner