Bayreuther Festspiele „Tristan und Isolde“ – Premiere: 25. Juli 2015
BAYREUTH: MUT ZU NEUEM – ÜBERZEUGENDE NEUINSZENIERUNG VON „TRISTAN UND ISOLDE“
„Tristan und Isolde“, das wohl schwierigste, vielschichtigste und sinnlichste Werk Richard Wagners wurde 1865 in München uraufgeführt. Das Stück galt lange als unaufführbar. Der Meister selbst schrieb während des Entstehungsprozesses an seine Muse Mathilde Wesendonck: „Kind! Dieser „Tristan“ wird was Furchtbares!“ So ist es allerdings nicht. Es ist ein Meisterwerk geworden mit einer grandiosen Musik. Schon beim ersten Ton des Vorsiels wurde einem bewusst, dass dieses Werk eigentlich nur am Grünen Hügel gespielt werden sollte, die Akustik ist einfach phänomenal!
Die Festspielleiterin Katharina Wagner wagte sich nun an die Neuinszenierung. Es ist die elfte Inszenierung dieses Werkes am Bayreuther Festspielhaus. Man war vom Ergebnis positiv überrascht.
Wenn sich der Vorhang zu Beginn öffnet, sieht man ein kühles Gewirr aus Treppen und Gerüst-Elementen (solide Bühne: Frank Philipp Schlößmann und Matthias Lippert). Isolde, Brangäne, Tristan und Kurwenal sitzen verteilt im Gerüst. Kurwenal und Brangäne sind ein Paar und in Grün gekleidet (schlichte Kostüme: Thomas Kaiser). Tristan und Isolde sind in Blau. Eigentlich wollen die Beiden ununterbrochen zueinander, jedoch wird dies von Kurwenal und Brangäne immer wieder verhindert. Bis Isolde sie überlistet und die Liebenden übereinander herfallen. Auch der Liebestrank wird nicht getrunken. Das stört aber überhaupt nicht, da die Personenführung so stark ist, dass es reicht, dass Tristan und Isolde sich die Hände geben und gemeinsam den Trank verschütten.
Der zweite Akt spielt in einem Raum, der eine Mischung aus Gefängnis und Überwachungslabor ist. Am besten gelungen ist das Liebesduett von Tristan und Isolde „Oh sink hernieder, Nacht der Liebe“. Die beiden stehen mit dem Rücken zum Publikum und werden so speziell beleuchtet, dass es so aussieht, als ob ihre Schatten einander näher kommen. Das ist wirklich großes Theater! Auch die Szene mit König Marke, der in einem senfgrünen Pelzmantel auftritt, ist sehr spannungsreich und klug umgesetzt. Man bekommt Gänsehaut, wenn sich der gefesselte Tristan und die neben dem König am Boden liegende Isolde in die Augen sehen.
Der dritte Akt ist sehr dunkel. Rechts sitzt Kurwenal und Tristans Gefolge um den am Boden Liegenden im Kreis. Die restliche Bühne ist finster. Dann beginnen Tristans Fieberwahnvorstellungen. Diese sind sehr originell gelöst. Es erscheinen viele schwebende, leuchtende Dreiecke mit Isolde-Doubles, die sofort wieder verschwinden, wenn Tristan ihnen zu nahe kommt. Dann der Schluss: Der tote Tristan wird aufgebahrt und Isolde beginnt mit dem herrlichen „Liebestod“. Auch Marke und Brangäne sind anwesend. Nachdem Isolde geendet hat, wird sie von König Marke weggezogen. Übrig bleiben der tote Tristan und Brangäne. Ein beklemmendes Schlussbild.
Bayreuths Musikdirektor Christian Thielemann führte das großartige Festspielorchester mit einer Präzision, wie es wohl nur der Meister selbst tat. Lyrische Piani, perfekte Tempi. Einfach grandios!
Die Sänger waren durchwegs erstklassig besetzt. Allen voran Evelyn Herlitzius, die eine hochdramatische Isolde gab. Beim Liebestod rührte sie zu Tränen. Eine fabelhafte Interpretin von Wagnerpartien. Auch Stephen Goulds Tristan war sensationell! Er hielt bis zum Schluss ohne Einschränkungen durch. Beeindruckend, wie er vom Lyrischen ins Dramatische quasi rüberflog. Christa Mayer war eine großartig spielende Brangäne, die auch in der Höhe keine Schwächen zeigte. Besonders ihr Solo im Liebesduett im zweiten Akt war unglaublich schön. Eine Klasse für sich ist Georg Zeppenfeld, der regiebedingt einen unsympathischen König Marke geben musste. Ein glasklarer Bass, der nicht nur in der Tiefe überzeugte. Ebenfalls grandios war Iain Paterson als dramatischer Kurwenal. Raimund Nolte sang einen stimmschönen Melot. Auch Tansel Akzeybek als Hirt und Junger Seemann sowie Kay Stiefermann als Steuermann waren sehr überzeugend.
Ein Extralob gebührt dem sensationellen Festspielchor unter Eberhard Friedrich.
Nach dem ersten Akt gab es viele Bravos. Nach dem zweiten auch vereinzelte Buhrufe und nach dem dritten wieder Applaus. Die Sängerinnen und Sänger wurden mit Jubel und Getrampel gefeiert. Bei Evelyn Herlitzius brach ein lautstarker Krieg zwischen Bravo und Buh aus. Diese großartige Sängerin ließ sich allerdings nicht aus der Fassung bringen und blieb an der Rampe stehen, bis die Bravos siegten. Auch bei Christian Thielemann und dem Regieteam behielt der begeisterte Jubel die Oberhand.
Fazit: Grandiose Musik, grandiose Sänger, grandiose Inszenierung. Ein Erlebnis!
Sebastian Kranner