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BAYREUTH: LOHENGRIN – heftig akklamierter “Ratten-Lohengrin”, der nun Kult geworden ist

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Bayreuther Festspiele „Lohengrin“ – Wiederaufnahme-Premiere: 26. Juli 2015

 GRANDIOSER RATTEN-LOHENGRIN

 Nachdem man das Festspielhaus verlassen hat, kommt einem Folgendes in den Sinn: 1. Hans Neuenfels ist kein Provokateur – Er ist ein Meister! 2. Diese Ratten sind ja so süß!

 Hans Neuenfels ist mit dieser Inszenierung ein wahrer Meilenstein gelungen! Kongenial unterstützt von seinem fantastischen Ausstatter Reinhard von der Thannen. Auch die Videos von Björn Verloh sind sehr gelungen. Es ist faszinierend, wie es Neuenfels schafft, den Chor so großartig zu bewegen und gleichzeitig die wahnsinnig psychologische Handlung zu erzählen. Die Inszenierung spielt ja bekanntlich in einem Ratten-Labor. Neuenfels wollte damit ausdrücken, dass ja die ganze Vertrauens-Geschichte ein Experiment ist, welche allerdings, wie in einem Labor, nie wirklich gelingt. Deshalb trägt der Chor auch Rattenkostüme, wenn, so Neuenfels, aber einmal das Experiment des Vertrauens besser funktioniert, „häutet“ sich der Chor und es bleiben gut angezogene Damen und Herren übrig, allerdings noch mit Rattenhänden und Rattenfüßen. Hin und wieder kommen Statisten herein, die wie Forscher oder Ärzte aussehen und den Ratten Spritzen verabreichen. Die Nagetiere wehren sich aber dagegen und geben sich „High five“ wenn sie die Forscher besiegt haben. Dies ist so putzig dargestellt, dass das Publikum immer wieder lachen muss. Auch die Beziehung zwischen Ortrud und Telramund, bzw. Lohengrin und Elsa, die am Anfang mit Pfeilen im Rücken erscheint, ist sehr fein, bis ins kleinste Detail hervorragend ausgearbeitet. Der Heerrufer ist tapferer als der König selbst, der vor allem zurückschreckt und sich oft in seinem roten Stuhl, der einen guten Kontrast zum kühl-weißen Labor darstellt, zurückzieht. Der Schwan kommt in einem schwarzen Sarg hereingefahren. Die Kleider, die von Elsa und Ortrud im zweiten Aufzug getragen werden, sind eine Pracht. Riesengroße Röcke und ein Fächer aus Schwanenfedern. Elsa in weiß und Ortrud in schwarz. Am Schluss kommt Elsa als Witwe und Ortrud als Königin in weiß verkleidet. Lohengrin enthüllt ein Riesen-Ei, aus dem ein Embryo entschlüpft und seine Nabelschnur zerreißt. Alle außer dem Embryo und Lohengrin sinken zu Boden und sterben. Grandios!

 Ebenso bravourös die musikalische Leistung des Abends. Der junge französische Dirigent Alain Altinoglu lieferte ein sensationelles Bayreuth-Debüt ab. Er entdeckte einige unbekannte Details, die den Abend einmal mehr zum Ereignis machten. Herrlich klar spielte das Festspielorchester

Grandios wieder der Festspielchor unter der Leitung von Eberhard Friedrich. Der Jubel für den Chor war so mächtig, dass der Vorhang gleich zwei Mal aufgezogen wurde.

 Klaus Florian Vogt war ein sensationeller Lohengrin. Sein glasklarer Tenor war in Bestform. Die Erzählung am Schluss war wirklich atemberaubend schön. Als Elsa stand ihm in Annette Dasch eine äußerst präzise Sängerin zur Seite. Lyrisch ihr Gesang, berührend ihr Spiel. Eine zehn-Sterne-Leistung! Ortrud wurde von der fabelhaften Petra Lang abgrundtief böse dargestellt. Von ihrer hochdramatischen Stimme lässt man sich gerne in die Ecke treiben. Als Friedrich von Telramund feierte der finnische Bariton Jukka Rasilainen seine Rückkehr am Grünen Hügel. Mit gewaltiger Stimme überzeugte er von Anfang an. Wilhelm Schwinghammers König Heinrich gehörte ebenfalls zur Haben-Seite dieser Aufführung. Ein mächtiger, schön klingender Bass. Stimmstark wurde der Heerrufer von Samuel Youn gesungen.

 20 Minuten Riesenjubel, Getrampel und Standing Ovations für alle Beteiligten! Hans Neuenfels zeigte sich nicht.

 Fazit: Schade, dass dieser „Lohengrin“ abgesetzt wird. Er läuft jetzt zwar schon das sechste Jahr, aber trotzdem tut es einem leid. Eine famose Aufführung von allen Beteiligten. 

Sebastian Kranner

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