RAVENNA/Italian Opera Academy: Gala – Konzert am 27.7.2015
Seit Jahren beklagt Riccardo Muti die Art und Weise, wie mit der Kunstform der Italienischen Oper umgegangen wird. “Wagner und Richard Strauss werden ernstgenommen, mit Respekt und Hochachtung behandelt. Italienische Komponisten, insbesondere Verdi, hingegen nur als eine etwas andere Form der Unterhaltung betrachtet. Das äußert sich z.B darin, dass – ob im Trovatore oder in der Aida – Spitzentöne gesungen werden, wo sie gar nicht in der Partitur stehen. Das Hohe C ist der Fluch der italienischen Oper.”
Um diesen Unsitten entgegenzusteuern, hat der Maestro jetzt die(unverständlicherweise, gerade wenn man von diesen Überlegungen ausgeht, einen englischen Namen tragende) “Italian Opera Academy ” gegründet.
Die vier Finalisten. Foto: Sylvia Lelli
Die erste Ausgabe ist soeben in Ravenna zu Ende gegangen. Unter Hunderten Bewerbungen wurden vier Dirigenten und vier maestri collaboratori ausgewählt. Die glücklichen Kandidaten durften zwei Wochen lang neun Stunden am Tag gemeinsam mit Muti seine “Falstaff”-Produktion mit – proben. Nach dem Ende der Aufführungsserie wurde ihnen Gelegenheit geboten, in einemGala-Konzert ihr – durch diese spezielle Erfahrung bereichertes Können – einem größeren(und fachkundigem) Publikum zu präsentieren. Die vier Finalisten dirigierten nacheinander in konzertanter Form vier Teilstücke aus Verdis wahrlich schwierigem Alterswerk “Falstaff”.
Erina Yashima. Foto: Sylvia Lelli
Obwohl das Ganze kein Wettbewerb war, kristallisierten sich jedoch bei Zuschauern und Kritikern naturgemäß Favoriten heraus. Nach übereinstimmenden Urteil zumindest der letzteren hatte Erina Yashima die Nase vorn. Die in Deutschland aufgewachsene Japanerin ist zwar ein kleines, zierliches Persönchen, hat aber das Orchester wie ein weiblicher Samurai eisernst in der Hand. Energie, Temperament, Autorität, durchsichtiger Klang. Wenn es in der Opernwelt mit rechten Dingen zugeht(was es – wie wir alle wissen – nicht immer tut), müsste Fräulein Yashima eine große internationale Karriere bevorstehen(auch wenn sie dafür vielleicht ihren Namen etwas vereinfachen sollte).
Vincenzo Milletari. Foto; Sylvia Lelli
Zweitgereihter wäre – dem Urteil der inoffiziellen Jury gemäß – der wie Muti aus Apulien stammende Vincenzo Milletari. Fesch, elegant, mit typisch italienischer, wenn auch ein noch ein wenig ungelenker und eckiger, Gestik.
Dritter am Stockerl wäre der Taiwanese Su-Han Yang . Exzellent vorbereitet, beflissen, aufmerksam – aber irgendwie ohne das gewisse Etwas.
Die Blecherne ginge an den Weißrussen Vladimir Obodok, der – nach Auskunft von Probenzeugen – vielleicht einen schlechten Abend erwischt hatte, bzw. auch durch die ungünstige “Startnummer 1″ benachteiligt gewesen sein mag. Jedenfalls erschien uns sein Dirigat bei diesem Abschlusskonzert als das mit Abstand langweiligste.
Bewunderungswürdig das von Muti gegründete Jugendorchester “Cherubini“, das sich auf unglaubliche Art und Weise in kürzester Zeit auf fünf verschiedene Dirigentenpersönlichkeiten und Dirigierstile ein-und umstellen konnte. Extrem hervorzuheben wäre auch die sogenannte “Zweitbesetzung”, also jene Sänger, die zwar die Proben mitgemacht hatten, aber in Ermangelung von Krankheitsfällen bei den szenischen Aufführungen unter Muti nicht zum Einsatz kamen. Bei der finalen Gala durften sie endlich singen.Und es mag extrem ungerecht sein, aber uns erschienen sie fast alle besser, frischer, adäquater, einsatzfreudiger als ihre Kollegen von der “Erstbesetzung”. (Das kann natürlich auch daran gelegen haben, dass sie unter geringerem Druck standen als ihre Kollegen, weil von den frischgfangten Youngsters sicher weniger Angstpotential ausging als vom weltberühmten Altmeister.)
Und darum seien “die Zweiten” hier auch namentlich erwähnt und somit quasi “vor den Vorhang gebeten”: Sergio Vitale (Falstaff), Mattia Olivieri (Ford), Benedetta Torre (Alice), Antonella Carpenito (Meg Page), Francesca Ascioti (Mrs.Quickly), Bianca Tognocchi (Nanetta).
Die Zeugnisverteilung. Foto: Sylvia Lelli
Den absoluten Bonustrack der an sich schon interessanten und aufschlussreichen Veranstaltung bot zweifellos der Auftritt des Maestros selbst, der sich überraschenderweise nicht nur als ein begabter, sondern als ein geradezu begnadeter Conférencier erwies…und unzählige zum Schreien komische Anekdoten aus der Misshandlungsgeschichte der Italienischen Oper (darunter auch eine besonders köstliche aus der Wiener Staatsoper) zum Besten gab.
Eine Karriere als Alleinunterhalter oder Fernsehpräsentator einer Operntalenteshow wäre ihm – nach dieser Kostprobe zu urteilen – durchaus auch offengestanden…oder würde ihm womöglich noch offenstehen…
Robert Quitta, Ravenna