RAVENNA/ Festival : FALSTAFF am 26.7.2015
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Falstaff und Verdi. Foto: Silvia Lelli
Verdis Alterswerk “Falstaff” könnte Riccardo Muti wahrscheinlich sogar im Schlaf dirigieren. Zu wiederholten Malen hat er es in seiner Karriere bereits zur Aufführung gebracht, im größten (Scala) wie im kleinsten Rahmen (im Theaterchen in Bussetto). In einer Oper mittlerer Größe – dem Teatro Alighieri in Ravenna hat er Verdis “Testament” – in einer Inszenierung seiner Gattin Cristina Mezzavillana-Muti jetzt erneut präsentiert.
Mutis ziemlich einzigartige Vertrautheit mit dem Schaffen Verdis im Allgemeinen und diesem “Schwanengesang” im Besonderen offenbart sich in unzähligen Details: in der engen Verbindung zwischen Wort und Musik, in der Behandlung des Kontrapunkts, in unzähligen dynamischen und expressiven Raffinessen…
Und das von ihm gegründete und gedrillte Jugendorchester “Cherubini” ist in hervorragender Weise in der Lage, die Wünsche und Anweisungen des Meisters nahezu ohne Abstriche auszuführen.
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Im Wäschekorb. Foto: Sylvia Lelli
Rein orchestral betrachtet, würden wir also Zeugen einer Sternstunde.
In gesanglicher Hinsicht kann man das leider nicht genauso behaupten. Das Ensemble war seltsam unhomogen, sowohl was die stimmlichen, als auch was die
darstellerischen Fähigkeiten anlangt. Zu den unverständlichen Aufführungstraditionen des Falstaff gehört die Tatsache offenbar nur mit von Natur aus besonders übergewichtigen Männern besetzt werden kann – in diesem Fall mit dem bulgarischen Kugelstosserchampion Kiril Manolov. Brav, sicher und textdeutlich – aber ohne besondere Fähigkeit zu einer überzeugenden Rollengestaltung.
Ihm zur Seite eine dauerlächelnde Alice Ford (Eleonora Buratto), ein anscheinend total uneifersüchtiger Ehemann (Federico Longhi) und eine komplett karikaturale Mrs.Quickly-dazu noch mit Fistelstimme(Isabel de Paoli).
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In der Taverne. Foto: Silvia Lelli
Das alles mag auch daran gelegen haben, dass Christina Mutis Regie (von der man eine sehr schöne “trilogia populare” – Traviata, Rigoletto, Trovatore – gesehen hat) in diesem Fall generell zur Karikaturalisierung und zur Tableaubildung tendierte. Möglicherweise in nostalgischer Verklärung ihrer Kindheit scheint die Tochter eines Arztes und Freizeit-Puppenspielers hier in Versuchung gekommen zu sein, die Darsteller eher als Marionetten zu behandeln. Hinzu kam noch, dass die Sängerinnen und Sänger nahezu immer verzweifelt den Augenkontakt mit dem Maestro suchten, was natürlich der Glaubwürdigkeit ihres Spiels weiteren Abbruch tat.
Die erwähnten Mankos betrafen vor allem die ersten beiden Akte, der dritte war dann erfreulicherweise ganz anders und durchaus zu Herzen gehend gestaltet.
Und da Verdi-Champion Muti selbstverständlich nicht in die Falle tappte, die berühmte Schlussfuge als “Karnevalstarantella”(O-Ton Muti) misszudeuten, sondern sie im Sinne Verdis als bitteres, finsteres, strenges, desillusioniertes Finale eines Werks, eines Schaffens und eines Lebens interpretierte, erlebte man am Ende dann insgesamt doch noch einen krönenden und befriedigenden Abschluss.
Robert Quitta, Ravenna