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SALZBURG/Festspiele: IL TROVATORE – sensationell

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SALZBURGER FESTSPIELE 2015 – IL TROVATORE – 11.8.2015

(Heinrich Schramm-Schiessl)


Großartig: Anna Netrebko. Foto: Klaus Billand

 Und sie sang doch! Irgendein Kafffeesudleser glaubte sich im heurigen Spätwinter wichtig machen zu müssen und verbreitete das Gerücht, wonach Anna Netrebko im 3. Monat schwanger sei, was bedeutet hätte, daß sie im heurigen Sommer die Leonora nicht hätte singen können. In unserem Forum behaupteten dann gleich ein paar Besserwisser ohne auch nur einen einzigen Beweis in Händen zu haben, dass Netrebko voriges Jahr bereits gesagt hätte, sie würde diese Rolle heuer sicher nicht singen – aber wie heißt es so schön bei Nestroy: „Alles net wahr!“. Sie sang also – und wie sie sang. Ich gebe ehrlich zu, dass ich angesichts der allerorten zu lesenden und zu hörenden Jubelmeldungen über die erste Vorstellung etwas verunsichert in die Aufführung gegangen bin, aber das war vollkommen unnötig, denn die Meldungen waren keineswegs übertrieben. Ich tue mir eigentlich mit Superlativen immer schwer, aber man kann ihre diesjährige Leistung guten Gewissens als sensationell bezeichnen. Die Stimme wird immer voller und schöner, klingt in allen Lagen gleich hervorragend und blüht in der Höhe auf. Bereits die langen Bögen der ersten Arie klingen völlig unangestrengt und die Koloraturen – früher nicht immer ihre Stärke – in der anschließenden Cabaletta kommen mit stupender Genauigkeit und Leichtigkeit. Sehr berührend dann die Klosterszene. Der Höhepunkt der Aufführung ist allerdings die 1. Szene des 4. Aktes. Zunächst die exzellentest vorgertragene Arie, die all die Sehnsüchte, Ängste und Verzweiflung glaubhaft macht, danach das angstvolle Miserere und dann die komplette (zweistrophige) Cabaletta, die die Absicht erkennen läßt, alles für die Rettung des Geliebten zu wagen. Dank einer nunmehr adäquaten Besetzung des Luna ließ diesmal auch die Spannung im abschließenden Duett nicht nach.Die sehr berührend gesungene Todesszene war dann nur noch das Sahnehäubchen. Auch darstellerisch vermochte sie – soweit es die Regie zuließ – überzeugen. In jedem Fall hat sie sich mit dieser Leistung in die lange Reihe legendärer Leonoren gestellt.

Nicht nur Anna Netrebko topte ihre vorjährige schon großartige Leistung noch einmal, die ganze Aufführung war dank einiger Umbesetzungen um einige Klassen besser. Das beginnt natürlich in erster Linie beim Grafen Luna. Ich weiß nicht ob es Sebsteinschätzung – ich nehme dies eher nicht an – oder der Druck seiner Berater war, die Placido Domingo diese Rolle zurücklegen ließ. Es war in jedem Fall eine weise Entscheidung, und es wäre ihm zu wünschen, würde er diese auf seine gesamte sogenannte zweite Karriere – die im übrigen nur seine Anhänger als solche sehen – erweitern. Wie schon im Vorjahr, wo er für einige Vorstellungen eingesprungen war, sang der noch relativ junge Pole Artur Rucinski den Luna. Zugegeben, seine Stimme ist für diese Art von Verdi-Rollen etwas rauh, aber seine ausgezeichnete Atemtechnik erlaubt es ihm, sehr schöne Phrasen zu singen und besitzt er zudem die nötige Durchschlagskraft. Die zweite Neubesetzung in den Hauptrollen war Ekaterina Semenchuk als Azucena. Die Sängerin des Vorjahres mag zwar in anderen Rollen ihre Meriten haben, für das schwere Verdi-Fach war sie nicht geeignet. Anders Semenchuk. Sie hat die nötige Durchschlagskraft und auch das Timbre um die Rolle glaubhaft zu verkörpern. Die Szene im Feldlager des Grafen Luna war sehr tempramentvoll angelegt. Dem gegenüber gelang die Kerkerszene ungemein berührend mit wunderbar gesungenen „nostri monti“. Mit Recht erhielt sie den mit Abstand zweitstärksten Jubel des Abends. Der zweite aus dem Vorjahresquartett übrig gebliebene war der Manrico des Francesco Meli und er bot im Rahmen seiner Möglichkeiten eine ausgezeichnete Leistung. Sein Problem ist leider, daß er weder ein schönes noch ein interessantes Timbre hat. Die beiden Spitzentöne in der Stretta fielen allerdings – na sagen wir halt – etwas dünn aus.

 In den übrigen Rollen legte der ebenfalls neue Ferrando des Adrian Sampetrean durchaus ein Versprechen für die Zukunft ab. Diana Haller war eine ordentliche Inez, Bror Magnus Todenes (Ruiz u. Bote) sowie Mathias Winckhler (Alter Zigeuner) ergänzten.

 Dass das Niveau der Aufführung stieg ist auch der dritten bedeutenden Umbesetzung zu danken. Gianandrea Noseda hatte im Gegensatz zu seinem Vorgänger den richtigen Zugriff auf dieses Werk der mittleren Schaffensperiode Verdis. Er schlug immer den richtigen Rythmus, ohne dabei das Mitatmen mit den Sängern zu vergessen. Ebenso klangen die lyrischen Passagen sehr einfühlsam. Die Wiener Philharmoniker waren ihm ein kongenialer Partner und bewiesen einmal mehr, dass sie das beste Opernorchester der Welt sind. Imposant klang die von Ernst Raffelsberger einstudierte Konzertvereinigung Wr. Staatsopernchor.

 Über die Inszenierung von Alvis Hermanis ist im Vorjahr schon viel geschrieben worden, sodaß dem nicht mehr viel hinzuzufügen ist. Mir ist in diesem Zusammenhang die Diskussion in unserem Forum eingefallen, wonach Oper nicht bloß unterhalten darf. Nun haben hier manche offenbar Unterhaltung mit Spaß verwechselt – obwohl manche Opern auch durchaus Spaß machen dürfen – denn Unterhaltung muß nicht apriori lustig, sondern kann auch durchaus ernst sein. Nun ist aber auch nicht jede Oper dafür geeignet, irgendwelchen Problemen auf den Grund zu gehen, sondern schlichtweg Unterhaltung, wenn auch manchmal ernste. Ein solches Werk ist in meinen Augen „Il trovatore“, denn die Grundlage des Werkes ist ein Abenteuer- und/oder Schauerroman eines spanischen Schriftstellers, den Salvatore Cammarano zu einem brauchbaren Opernlibretto geformt hat. Es ist nämlich ein völliger Unsinn, dass das Libretto zu dieser Oper verwirrend sei. Man muss nur der Erzählung des Ferrando im 1. Bild und der Erzählung der Azucena im 3.Bild genau zuhören bzw. im Vorfeld genau lesen, um die Ausgangslage zu verstehen. Alles andere ist letzten Endes nur eine einfache Dreiecksgeschichte. Allerdings musste ich während der Aufführung öfter daran denken, was eine liebe Bekannte einmal bei der Premiere einer etwas verqueren Inszenierung eines anderen als „verwirrend“ bezeichneten Werkes, gesagt hat: „Bis jetzt habe ich das Werk immer verstanden…“. Ähnlich ist es mir manchesmal auch gestern ergangen.

 Anschließen muß ich mich der Bemerkung eines Zeitungskritikers, wonach es eine kluge Entscheidung der interimistischen Festspielleitung war, das „nur eine Saison-Gebot“ des Herrn Pereira – eine der unsinnigsten Entscheidungen eines Intendanten in der fast 100-jährigen Festspielgeschichte – wieder abzuschaffen.

 Heinrich Schramm-Schiessl

 P.S.: Übrigens schade, daß der ORF im Gegensatz zu früher Reprisen nicht mehr sendet. Der Bayr. Rundfunk ist da hinsichtlich Bayreuth von ganz anderer Qualität.

 

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