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WIEN/ Musiktheatertage im Werk X/ Kabelwerk Meidling: PIZZERIA ANARCHIA

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Musiktheatertage Wien 2015 Eine Art Fest im WERK X im Meidlinger Kabelwerk (Oswaldgasse 35A) PIZZERIA ANARCHIA 27.8.2015 (Uraufführung) –

PizzeriaAnarchia01_ ©Vincent Stefan 2015
Copyright: Vincent Stefan

Sieben Uraufführungen stehen im Zentrum dieses Festivals, dessen Motto als „Neues Musiktheater“ unter dem Zusammenschluss nahezu aller denkbaren Kunstformen steht. Im Zentrum der sieben Uraufführungen dieses ersten Festivals 2015 stehen gesellschaftspolitische Themen, wie die aktuelle Flüchtlings-Misere oder Immobilien-Spekulationen und ihre Auswirkungen auf das städtische Leben.

Das Festival wurde eröffnet mit der internationalen Koproduktion PIZZERIA ANARCHIA. Beteiligte Partner waren die Neuköllner Oper Berlin, das Teatro della Tosse aus Genua sowie das BallettoCivile aus Italien. Mit Gesang, expressivem Ausdruckstanz, Pantomime und fetzigen Dialogen in Englisch, Italienisch und Deutsch werden die Ereignisse um die Räumung der „Pizzeria Anarchia“ in der Mühlfeldgasse 12 im 2. Wiener Gemeindebezirk am 28.7.2014 aufbereitet. Eine ehemalige Pizzeria im Erdgeschoß wurde zum Hauptquartier des Widerstands gegen die Methoden des Hausbesitzers, der Castella GmbH. Auf das umkämpfte Gründerzeithaus wurden Dachgeschosswohnungen aufgesetzt. 1454 Polizeibeamte, unterstützt von Wasserwerfern und Panzerfahrzeugen, gingen damals gegen 19 im Haus verschanzte Punks vor und nahmen diese, sowie 14 weitere Personen fest. Der Einsatz kostete den österreichischen Steuerzahler und die österreichische Steuerzahlerin satte 870.000 Euro!

PizzeriaAnarchia04_ ©Vincent Stefan 2015
Copyright: Vincent Stefan

Der italienischen Gruppe BallettoCivile ging es aber in ihrem Musik-/Tanztheaterstück PIZZERIA ANARCHIA nicht um die Nacherzählung der Fakten jener traurigen Ereignisse in der Mühlfeldgasse. Aus der Suche nach einer „universellen Dramaturgie“ heraus entwickelte die Gruppe eine poetische Reflexion über aktuelle gesellschaftliche Vorgänge, die mehr nach den Emotionen als nach den Fakten frägt und dabei eine plakative Gegenüberstellung von Gut und Böse bewusst ausklammert. Die Schwierigkeit einer Bewertung gesellschaftlicher Vorgänge, so könnte man die Quintessenz dieser Produktion wohl am treffendsten charakterisieren, liegt in der Unbeständigkeit unserer Sichtweisen und Standpunkte. Pantarhei(Heraklit) – alles fließt, alles ist im Fluss!

Die teils akrobatische Choreographie und Inszenierung besorgte die Italienerin Michaela Lucenti. Von Maurizio Camilli aus Italien stammte die Konzeption. Die Idee wiederum lieferte einer der beiden künstlerischen Leiter des Festivals, der Österreicher Thomas Desi, der auch gemeinsam mit dem BalletoCivile die Texte zu einer Montage zusammensetzte. Die Musik stammte von Michael Emanuel Bauer aus Deutschland, der zahlreiche Zitate aus Mozarts Don Giovanni, Elemente aus Jazz und Bluessowie eine gelungene Paraphrase auf Ravels Bolero zusammenschweißte. Die Lichtregie teilten sich der Italiener Tiziano Scali und der Österreicher Harald Michlits.

Die allesamt hervorragend tanzenden und auch singenden Mitglieder des BallettoCivile waren Fabio Bergaglio, MaurizioCamilli, AmbraChiarello, MichelaLucenti, AlessandroPallecchi, EmanuelaSerra und DemianTroiano.

Bariton Benoit Pitre machte zu Beginn der Aufführungen noch seine Stimmübungen, wobei sein eher tiefer Bariton nach oben zu etwas eng wurde. Gut gelang ihm aber die berühmte Arie des Don Giovanni „Là ci darem la mano“. Florian Bergmann blies virtuos Altsaxophon und Bassklarinette und spielte damit auch den Beginn der Ouvertüre zu Mozarts Don Giovanni! Bravo! Alberto Cavenati begleitete ihn dazu auf der E-Gitarre. Für den übrigen Sound sorgte noch Tiziano Scali.

Nach 90 Minuten kurzweiliger Aufführungsdauer erhielten alle Mitwirkenden nachhaltigen Applaus, dem sich der Rezensent gerne und überzeugt anschloss. Diese Produktion wird nur noch am 28.8. gezeigt. Insgesamt dauert das Festival noch bis zum 12.9. Jugendliche unter 25 Jahre haben freien Eintritt!     

Harald Lacina

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