Musiktheatertage Wien 2015 im WERK 1 im Meidlinger Kabelwerk (Oswaldgasse 35A) UJAMAA PARADISE 3.9. 2015 (Uraufführung) –
Copyright: Sophie Cwikla/ Marion Jaquin
Dieses Stück trägt den programmatischen Untertitel „An African Ghost Opera“. Profis und Amateure der afrikanischen Diaspora in Wien präsentierten eine musiktheatralische Grenzüberschreitung von Mozarts Zauberflöte und afrikanischer Zeitgeschichte.
Erst 1961 wurde das britische ostafrikanische Protektorat Tanganjika (seit 1964 Tanzania), friedlich übergeben. Julius Kambarage Nyerere (1922-1999) wurde der erste Staatspräsident. Er führte eine afrikanische Variante des Sozialismus ein, die unter der Bezeichnung „Ujamaa“ (Kiswahili: Dorfgemeinschaft) bekannt und bis 1985 in Tansania angewendet wurde. Daneben fand er aber auch Zeit, Shakespeares „Julius Cäsar“ ins Kiswahili, der neuen Einheitssprache Tansanias, zu übersetzen.
Das Stück fokussiert um den ersten Präsidenten Tanzanias und die tragende Rolle der Frauen während der politischen Auseinandersetzungen im nunmehr unabhängig gewordenen Tanzania. Bibi Mohammed (1926-2000) teilte die politischen Ideale Nyereres und wurde 1955 auf dessen Wunsch hin Organisatorin der Frauenarbeit, später auch Gründungsmitglied der Tanganyika African National Union (TANU). Wegen ihrer auffälligen Oberweite wurde sie im Volk meist nur „Titi“ genannt. Später avancierte sie zur Ministerin für Familie und Frauenangelegenheiten und kämpfte weiterhin energisch für die Emanzipation afrikanischer Frauen. 1965 verlor sie ihren Sitz im Parlament und trat 1967 aus Protest über den autokratischen Regierungsstil von Nyerere aus dem Führungszirkel der TANU aus. 1969 wurde sie als Hochverräterin zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt, 1972 begnadigt. Die gebrochene Frau ging ins Exil nach Südafrika und verstarb in einem Hospital in Johannesburg.
Diedritte historische Persönlichkeit, die Autor und Regisseur Thomas Desi in seinem Stück zeigte, ist der ugandische Diktator Idi Amin Dada. Seit dem Putsch Idi Amins Dada in Uganda waren die Beziehungen zum Nachbarland Tanzania spannungsgeladen. 1972 und 1978 kam es zum ersten und zum zweiten Uganda-Tanzania-Krieg. 1979 wurde Kampala von Tanzanischen Truppen gemeinsam mit Exilugandern eingenommen und der Diktator vertrieben.
Diese historischen Ereignisse Tanzanias wurden mit einer flippigen Aufbereitung von Mozarts Zauberflöte dargeboten.
Die Ausstattung erdachte Karoline Waller, das Einleuchten der Szene besorgte Harald Michlits.
Den musikalischen Teil gestalteten höchstprofessionell Marie-Christiane Nishimwein der Rolle von Bibi Titi Mohammedund BibianaNwobilo, beide Sopran.Rupert Bergmann, Bariton, trat mit der Auftrittsarie des Papageno auf und sang dazu einen neuen Text, mit dem er das fachgerechte Bügeln eines Hemdkragens erklärte. Und auch die erste Arie der Königin der Nacht mit einem adaptierten Text gelang ihm besonders witzig.
Mfilinge Nyalusi trat als „Juliasi Kaizari“ vorwiegend pantomimisch auf und Blair Darby gefiel als boxender „Idi Amin Dada“.
Ferner wirkten noch mit: Otalia Sacko, Atuswege Burton, Richard Eronini, Afolabi Oladji Graf, Bisrat Melaku, Janne Eronini-Attakpah, Minou Graf, Adaora Ofoedu, Tigist Höhndorf, Yemi Greifeneder sowie Mitglieder der Schwarze Frauen Community Wien.
Zu sehen ist diese äußerst empfehlenswerte, witzige Produktion noch am6.,9.,11. und 12. September im Werk 1.
Harald Lacina