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STUTTGART/ Liederhalle: IDOMENEO (konzertant) als ERÖFFNUNGSKONZERT DES MUSIKFESTS DER BACH-AKADEMIE –“eine starke “Elettra”

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Eröffnungskonzert des Musikfests der Bachakademie im Beethovensaal der Stuttgarter Liederhalle

EINE STARKE ELETTRA

Eröffnungskonzert des Musikfests der Bachakademie am 5. September 2015 mit Mozarts konzertantem “Idomeneo, Re di Creta” im Beethovensaal der Liederhalle/STUTTGART Zusammen mit der Gächinger Kantorei und dem Bach-Collegium Stuttgart stellte Hans-Christoph Rademann bei der Wiedergabe von Wolfgang Amadeus Mozarts Oper “Idomeneo” den Glanz der Opera seria heraus. Vor allem die musikalische Charakteristik entfaltete sich bei der von Anna Lucia Richter mit ebenmäßigem Timbre gesungenen Ilia und der von wilder Leidenschaft lodernden Elettra in der grandiosen Darstellung von Marlis Petersen wie von selbst. Unter den Ensemblenummern ragte dann vor allem das Es-Dur-Quartett im dritten Akt hervor, dessen seelischer Tiefgang die Zuhörer ergriff. Transparent wirkte im zweiten Akt der Schifferchor, der Elettra und den von Jenny Carlstedt mit leuchtkräftigen Kantilenen verkörperten Idamante virtuos begleitete. Hans-Christoph Rademann unterstrich als Dirigent die Tremolo-Passagen und Gewitter-Einwürfe mit Nonchalance und wilder Präsenz, die sich immer mehr zu steigern schien. Die Gächinger Kantorei konnte sich insbesondere beim dramatischen Doppelchor im ersten Akt mit dem Schiffbruch Idomeneos  sowie im zweiten Akt beim Erscheinen des Seeungeheuers sowie im dritten Akt bei der Tempelszene sehr gut entfalten. Festlich durchglühte Monumentalität prägte neben der erstaunlichen Transparenz den Musizierstil Hans-Christoph Rademanns mit dem Bach-Collegium Stuttgart, dessen dynamische Kontraste immer wieder leuchtkräftig hervorstachen. Auch die stellenweise schon romantische Instrumentation schimmerte hier wiederholt hervor. Die pathoserfüllten Begegnungen hob auch Lothar Odinius als Idomeneo mit klanglich fein ausbalancierter Gesangsstimme hervor. Auch die weiteren Sänger Kenneth Tarver als Arbace, David Steffens als La Voce und Benjamin Glaubitz als Gran Sacerdote machten bei dieser konzertanten Aufführung deutlich, dass Mozart bei dieser Oper zu einer ganz neuen musikalischen Sprache gefunden hat, wobei es zu einer bewussten Vertiefung der Rollentypen zu höchst interessanten Charakteren kommt. Schon bei der Ouvertüre ließ Rademann mit dem konzentriert agierenden Bach-Collegium Stuttgart das Gewicht der musikalischen Aussage und die dichte Konstruktion der Komposition nicht zu kurz kommen. Die motivisch-thematischen Beziehungen wurden von den weiteren Sängerinnen und Sängern Stephanie Lönne (Sopran), Brynne McLeod (Alt), Wolfgang Frisch (Tenor) und Martin Schicketanz (Bass) in einfühlsamer Weise aufgegriffen. Der Dur-Dreiklang der Fanfare ragte wie ein Fanal empor – und auch die chromatisch gewundene Figur konnte sich präzis entfalten. Der energische Vorwärts- und Aufwärts-Impuls der Fanfare schien sich dann bei der weiteren Interpretation dieses Werkes konsequent fortzusetzen. Die widerständige Metrik vernachlässigte Hans-Christoph Rademann als musikalischer Leiter ebenfalls nicht. Dies bewies vor allem der zweite Akt, bei dem der verzweifelte Idomeneo eine Möglichkeit sucht, seinen Sohn vor dem drohenden Opfertod zu retten. Auch das Erscheinen des Seeungeheuers entfachte heftige kontrapunktische Stürme, die Rademann souverän bändigte. Da kam nie Langeweile auf. Alles fügte sich in fließender Bewegung zusammen. Ein dramaturgischer Höhepunkt war bei der Aufführung eindeutig jene Szene, als Idomeneo den Kretern bekannt gab, dass er seinen Sohn opfern musste. Der Triumphchor ließ an Strahlkraft nichts zu wünschen übrig, als Idamante das Ungeheuer tötete. Als Ilia gewann Anna Lucia Richter nochmals besonderes Profil, weil sie sich als Feindin der Griechen als geeigneteres Opfer anbot, was die Sängerin glaubwürdig betonte. Da zeigte sich Mozarts Zauber der Charakterisierungskunst nochmals von seineer besten Seite. Die harmonischen Querverbindungen verdichteten sich in geheimnisvoller Weise. Und die unterirdische Stimme des Meeresgottes wirkte fast gespenstisch, als er forderte, dass Idomeneo abdanken sollte, um Idamante den Thron zu geben. Die zuletzt rasend vor Zorn das Podium verlassende Elettra imponierte aufgrund der hervorragenden Gestaltung der glühenden Sopranistin Marlis Petersen, die motivisch-harmonischen Ereignisse überschlugen sich hier und lösten beim Publikum frenetische Begeisterungsstürme aus. Der ekstatische Grundton des heroisierten Affekts blitzte glanzvoll hervor. Kontrastierende Effekte stellte Hans-Christoph Rademann dabei immer klar und deutlich heraus. Die Erschütterungen des orchestralen Nachspiels der Sturmszene in c-Moll unterstrich Rademann mit dem Bach-Collegium Stuttgart ebenfalls in plastischer Weise. Nur machnmal störten allzu rasche und verhuschte Tempi und Rubato-Effekte, die aber sofort aufgrund des leidenschaftlichen Musizierstils wieder überwunden wurden. Widerstreitende Empfindungen und ein starker innerer Kampf arbeitete Hans-Christoph Rademann mit dem Ensemble am besten heraus. Da pulsierte das Leben feurig in dieser “Idomeneo”-Partitur. Die Spuren ornamentaler Koloraturen erhielten nicht nur bei der Rolle der Ilia eine gliedernd-konstruktive Funktion. Neben der einfühlsamen Einstudierung des Chores unter der Leitung von Tilman Michael überzeugten auch die szenische Einrichtung von Nelly Danker aufgrund starker farblicher Lichteffekte (Licht: Ingo Jooß).

Das Motto des Musikfests Stuttgart, das noch bis zum 13.9. 2015 andauert, lautet in diesem Jahr “Freundschaft”. Es war in jedem Fall ein starker Auftakt. 

 Alexander Walther

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